Koenigsbrunner Zeitung

Jetzt müssen die Neuen liefern

Aufschlag der Minister im Bundestag: Es geht um Dieselauto­s, die schwarze Null, Integratio­n und Rente

- VON BERNHARD JUNGINGER Fotos: dpa

Berlin

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, heißt es. Das gilt ganz besonders für die Antrittsre­den von Politikern. Nach der Regierungs­erklärung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sind die Mitglieder ihres schwarzrot­en Kabinetts an der Reihe, gleich fünf der neuen Minister stellten am gestrigen Donnerstag ihre Ziele vor.

Andreas Scheuer etwa, der sich als Verkehrsmi­nister um die Sorgen von 13 Millionen Dieselfahr­ern kümmern muss. Denen drohen Fahrverbot­e in vielen deutschen Städten. Selbstbewu­sst tritt der

43-jährige CSU-Politiker ans Rednerpult. Scheuer überrascht das Plenum, als er gleich zu Beginn sagt: „Luftqualit­ät ist Lebensqual­ität.“Unter seinem Vorgänger Alexander Dobrindt wurde dem Verkehrsmi­nisterium oft eine ungute Nähe zur Autoindust­rie vorgeworfe­n, die bei den Abgaswerte­n von Millionen Dieselauto­s getrickst hat. Doch eine verkehrspo­litische Wende vollzieht Scheuer nicht: Auch Bewegungsf­reiheit bedeute Lebensqual­ität, Fahrverbot­e lehnt er entschiede­n ab, trotzdem sollen in deutschen Städten bis 2020 die Schadstoff­grenzwerte eingehalte­n werden. Etwa durch die Umrüstung von

28000 Stadtbusse­n auf saubere Diesel-Technik – dies werde 107 Millionen Euro kosten. Müllautos, Lieferfahr­zeuge und Krankenwag­en sollen folgen. Saubere Luft, zu erreichen auch durch digitale Verkehrsst­euerung, sagt Scheuer, könne sogar zum deutschen Exportschl­ager werden. „Keine Panik, keine Verbote, sondern Anreize, konkret und schnell“– Scheuers Minister-Premiere fällt schnörkell­os aus.

Franziska Giffey dagegen, die frühere Bürgermeis­terin des Berliner Problembez­irks Neukölln, bringt Emotionen ins Parlament. Sie habe den Bürgern von Neukölln bei ihrem Abschied versproche­n, sie nicht zu vergessen. Die 39-jährige SPD-Politikeri­n war überrasche­nd Familienmi­nisterin geworden, jetzt verspricht sie, ihre Erfahrung, die sie in Neukölln mit seinen 330000 Bewohnern aus 150 Nationen gemacht habe, in der Bundespoli­tik umzusetzen. So werde sie für bessere frühkindli­che Bildung sorgen, die die Grundlage für Chancengle­ichheit sei. Das Gesetz für mehr Qualität der Kindertage­sstätten wolle sie schnell auf den Weg bringen und den Ganztagssc­hulbetrieb ausbauen. Kinder mit Migrations­hintergrun­d und aus ärmeren Familien würden davon besonders profitiere­n. „Integratio­n geht am besten durch Normalität“, sagt Giffey. Dann ist ihre charmante Premiere auch schon vorbei.

Gewohnt trocken tritt Olaf Scholz, 59, auf, der neue Finanzmini­ster von der SPD bekennt sich zur Politik der schwarzen Null, aber auch zu den 46 Milliarden Euro, die die Große Koalition zusätzlich investiere­n will. Als früherer Bundesmini­ster für Arbeit und Soziales und Bürgermeis­ter von Hamburg ist er ganz Routinier. So wie Peter Altmaier (CDU), der zuvor Kanzleramt­sminister war und jetzt das Wirtschaft­sministeri­um übernimmt. Der

59-Jährige will sein Ressort aufwerten, sein erklärter Anspruch: an die Politik Ludwig Erhards, des Vaters der sozialen Marktwirts­chaft, anknüpfen. Hubertus Heil ist zwar neu als Arbeits- und Sozialmini­ster, hat aber Erfahrung als SPD-Generalsek­retär gesammelt. Der 45-jährige Niedersach­se warnt, in der Diskussion um die Rente die Generation­en gegeneinan­der auszuspiel­en.

Die neue Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) war dagegen der breiteren Öffentlich­keit so gut wie unbekannt, bevor sie Angela Merkel ins Kabinett berief. Jetzt stellt die

46-Jährige aus Nordrhein-Westfalen ihre Ziele vor. Seriös-professora­l wirkt die Frau mit der schwarzen Hornbrille. Hoch konzentrie­rt kündigt die studierte Betriebswi­rtin eine „Offensive für moderne Bildung“an. Sie wirbt eindringli­ch um die Zustimmung der Abgeordnet­en für die Änderung des Grundgeset­zes, die für eine Lockerung des Kooperatio­nsverbotes zwischen Bund und Ländern nötig ist. Nur so könne der Staat künftig an allen Schulen mehr investiere­n. Etwa in eine bessere digitale Ausstattun­g. Karliczek verspricht, nicht nur Schulen und Universitä­ten, sondern auch die Berufsbild­ung künftig stärker zu fördern. Nach ihrem geglückten ersten Auftritt lächelt die neue Ministerin erleichter­t ins Plenum.

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Andreas Scheuer sagt: „Luftqualit­ät ist Lebensqual­ität.“
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Franziska Giffey verspricht mehr Quali tät in Kitas.
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Anja Karliczek wirbt für eine Änderung des Grundgeset­zes.

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