Gespanntes Warten
Der Eiskanal und seine Geschichte (Serie/Teil 6) Am heutigen Freitag wird in Tokio der Austragungsort der Kanuslalom-WM 2022 bekannt gegeben. Die Vorsitzenden der beiden Augsburger Kanuvereine hoffen auf den Zuschlag
Von Fans, Freunden und Förderern des Kanuslalomsports in Augsburg ist dieser Freitag mit Hochspannung erwartet worden. Denn am Nachmittag (MEZ) wird in Tokio der Austragungsort der KanuslalomWeltmeisterschaft 2022 bekannt gegeben – und die Stadt Augsburg hofft, nach 1985 wieder den Zuschlag für dieses sportliche Großereignis zu bekommen. Die Vorzeichen könnten besser nicht sein, schließlich feiert die Fuggerstadt 2022 ein denkwürdiges Jubiläum. Denn 1972, vor genau 50 Jahren, war Augsburg das erste und einzige Mal Olympia-Gastgeber. Am Eiskanal wurde in den Kanuslalom-Wettbewerben um Gold, Silber und Bronze gepaddelt. Damals eine Premiere im Programm der Spiele.
Sollte Augsburg heute in Japan den Zuschlag bekommen und der Mitbewerber, die Stadt Ivrea nahe Turin im italienischen Piemont, leer ausgehen, steht in den nächsten vier Jahren in der schwäbischen Bezirkshauptstadt ein Berg von Aufgaben an. Besonders betroffen sind davon die beiden Augsburger Kanuvereine mit ihren Vorsitzenden Claudius Wiedemann (Augsburger Kajak Verein AKV) und Hans-Peter Pleitner (Kanu Schwaben Augsburg).
Pleitner ist selbst Mitglied der Augsburger Bewerbungs-Delegation, die nach Tokio reist und die Entscheidung vor Ort erleben wird. Für den AKV hat Wiedemann seine Schatzmeisterin Melanie Martin geschickt.
Zudem sind Augsburgs Bürgermeisterin und Wirtschaftsreferentin Eva Weber, Sportreferent Dirk Wurm und Horst Woppowa, Organisationschef bei zahlreichen KanuGroßveranstaltungen, in Asien dabei. „Wir haben vor dem Entscheidungsgremium des Internationalen Kanu-Verbands ICF zehn Minuten Zeit, um unsere Bewerbung zu präsentieren“, berichtet Hans-Peter Pleitner und geht ebenso wie Claudius Wiedemann davon aus, dass Augsburg mit dem Eiskanal richtig gute Chancen hat.
„Aufgrund unserer Tradition und unseres Know-hows im Kanusport, dem Zusammenwirken aller Kräfte und dem Datum wäre es wirklich sehr schön, wenn sich die Kanufamilie nach 50 Jahren wieder in Augsburg treffen würde“, sagt Wiedemann.
Dafür ziehen seit Monaten alle an einem Strang. Denn die Olympia-Anlage müsste vor der Austragung einer Weltmeisterschaft aufwendig saniert und modernisiert werden.
Eine erste Hochrechnung hat ergeben, dass dafür rund 18 Millionen Euro notwendig sind. Und nur als WM-Gastgeber stehen die Chancen gut, über verschiedene Kanäle wie Bund, Land und Sportverbände die Finanzierung zu stemmen. „Nur durch einen WM-Zuschlag kann die Renovierung des Eiskanals in Angriff genommen werden, die Stadt allein kann das nicht realisieren. Das wissen wir auch“, sagt Wiedemann.
Deshalb hat man sich zusammengeschlossen, hat die Eiskanal-Allianz gegründet und gemeinsam an der Bewerbung gearbeitet. „Wir als Vereine waren uns schnell einig, dass wir gemeinsam Gas geben müssen. Besonders seit dem Beginn der Diskussion mit dem Denkmalschutz vor zwei Jahren“, sagt Pleitner. Wiedemann pflichtet ihm bei: „Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, dass wir in dieser Sache zusammenarbeiten. Und auch die Stadt Augsburg ist jetzt bereit und hat verstanden, dass man dafür Geld in die Hand nehmen muss. Aber in der Tat, es ist ein Kraftakt.“
Die Vereine verweisen immer wieder darauf, dass nur eine intakte Sportstätte ihren Fortbestand sichert. „Der Eiskanal ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Augsburg so große Erfolge im Kanuslalom- sport erzielt hat. Er ist unsere Arena, Trainings- und Wettkampfstrecke. Wenn wir diesen Kanal nicht erhalten, dann wird es auch diesen Erfolg nicht mehr gaben“, warnt AKV-Vorsitzender Wiedemann. Dabei habe Augsburg nach wie vor einen veritablen Ruf als Gastgeber hochklassiger internationaler Rennen.
„Durch sein besonderes Design und seine Wildwasser-Charakteristika ist der Eiskanal für die Kanuten wie die Streif für die Skifahrer oder Monte Carlo für die Formel 1. Vielleicht etwas aus der Zeit gefallen, aber aktuell wie nie zuvor“, schwärmt Pleitner. Ein Sieg in Augsburg werde in der Kanuwelt auch immer noch besonders geschätzt. „Wir haben das jetzt in Zusammenhang mit der Bewerbung gemerkt. Beispielsweise hat sich die mehrfache Weltmeisterin Jessica Fox aus Australien ganz euphorisch zu unseren Bestrebungen geäußert“, sagt Wiedemann.
Doch was passiert, wenn Augsburg nun wirklich den Zuschlag erhält? „Dann geht die Arbeit erst richtig los“, merkt Pleitner trocken an. Denn die Vorbereitungszeit ist kurz. In den nächsten vier Jahren muss die gesamte Anlage baulich wie technisch an die modernen Anforderungen angepasst werden. Schon jetzt ist klar, dass aufgrund der Umbaumaßnahmen wohl zwei Jahre lang keine Wettkämpfe mehr auf dem Eiskanal stattfinden könBeteiligten nen. „Auch den Trainingsbetrieb werden wir irgendwie überbrücken müssen“, wissen Wiedemann und Pleitner, dass auf die Vereine schwierige Zeiten zukommen.
Doch sie sind überzeugt, dass die Sanierung des Eiskanals bei allen zu erwartenden Widrigkeiten wieder neuen Schwung für den Augsburger Paddelsport bringen wird. „Natürlich muss viel Geld in die Hand genommen werden. Aber hier geht es um viel Nachhaltigkeit“, betont Wiedemann und verweist auf ehemalige olympische Kanuslalomstätten wie Athen oder Peking, die zerfallen oder bereits zugeschüttet sind.
„Der Augsburger Eiskanal ist zu hundert Prozent noch in der Funktion, für die er auch errichtet wurde. Unsere Wettkampfstätte wird ganzjährig genutzt – vom Kind bis zum Senior. Sie gilt es zu erhalten, für den Leistungs- und den Breitensport.“Die Entscheidung heute in Tokio könnte maßgeblich dazu beitragen.