Wie kam es zur 28 Millionen Panne?
Die Vorgesetzten wussten lange nicht, dass Jugendamts-Mitarbeiter die Förderanträge erst mit Verspätung einreichten. Die Folgen könnten weitreichend sein
Die 28-Millionen-Euro-Panne im Jugendamt, bei der im vergangenen Sommer die Mitarbeiter Kita-Förderanträge erst einen Werktag nach Ablauf der Frist stellten, blieb von Vorgesetzten mehrere Monate lang unbemerkt. Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) sagte, dass inzwischen eine zusätzliche Fristenkontrolle eingeführt wurde. Er gab am Donnerstag einige Details zum Zustandekommen des Fehlers bekannt, der die Stadt sehr teuer zu stehen kommen könnte.
Wie berichtet ist es möglich, dass die Stadt 28 Millionen Euro bereits bewilligte Fördergelder für den Betrieb freier Kindertagesstätten an den Freistaat zurückzahlen muss. Hintergrund ist ein Formfehler: Der Antrag hätte am 30. Juni vergangenen Jahres, einem Freitag, bei der Regierung von Schwaben eingehen müssen, tatsächlich wurde er aber erst am darauffolgenden Montag, dem 3. Juli, eingereicht. Die Regierung von Schwaben bewilligte das Geld zwei Tage später, sodass niemandem etwas auffiel. Über ein halbes Jahr später meldete der Freistaat dann aber Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Förderbescheides an. Hintergrund ist wohl, dass das Geld von Bund und Land kommt und die Ungereimtheit beim Abgleich der Daten aufkam.
Laut Kiefer versuchte einer von drei zuständigen Mitarbeitern im Jugendamt am Donnerstag, dem 29. Juni, den Antrag via Computer an die Regierung von Schwaben zu schicken. Die Antragstellung ist inzwischen nur noch elektronisch möglich. Allerdings klappte das nach Aussage des Mitarbeiters aus technischen Gründen nicht. Es steht fest, dass der Mitarbeiter an diesem Tag seinen PC neu starten musste, weil dieser offenbar abgestürzt war. Gegen 16 Uhr verließ der Mitarbeiter dann das Büro, weil er sich krank fühlte, ohne dass der Antrag abgeschickt wurde. Am Freitag kam er nicht zum Dienst mit der Folge, dass der Antrag liegen blieb.
Kiefer musste sich im Stadtrat etliche kritische Fragen anhören. Die Auskünfte seien „höchst unbefriedigend“, so CSU-Stadtrat Rolf von Hohenhau. „Wie kann es sein, dass so ein Antrag in letzter Sekunde gestellt wird? Es kann immer sein, dass jemand mal krank wird.“Hintergrund ist, dass die insgesamt 149 Träger der Kindertagesstätten ihre Abrechnungen, die Grundlage für die Förderung sind, bereits Ende April einreichen müssen, die Stadt also zwei Monate Bearbeitungszeit hat. Kiefer erklärte, dass diese Zeit aber auch nötig sei. „Es kann sein, dass es Rückfragen an die Träger gibt, und diese dann erneut etwas einreichen.“Darum müsse der Bearbeitungszeitraum auch regelmäßig voll ausgeschöpft werden. „Selbst am 29. Juni 2017 wurden noch – im Vier-Augen-Prinzip – Unterlagen eines Trägers geprüft, die in die Endabrechnung der Betriebskosten für 2016 eingeflossen sind.“Warum es trotz des Vier-Augen-Prinzips, das im Jugendamt seit Jahren gilt, dann möglich war, dass der Antrag nicht abgeschickt wurde, sei noch zu klären, so Kiefer.
Grundsätzlich gibt es bei der Stadt Augsburg eine Allgemeine Geschäftsanweisung, die das Agieren von Verwaltungsmitarbeitern regelt. Für die Umsetzung ist jedes Amt selbst verantwortlich, weil die jeweiligen Erfordernisse sehr unterschiedlich sind, etwa was das Thema Fristen-Überwachung betrifft. Kiefer sagte, dass Jugendamtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler vor einigen Jahren ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. Zudem soll nun das Controlling im Amt ausgeweitet werden.
Die Stadt versucht in Verhandlungen mit dem Freistaat nun, das Geld zu sichern. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), der die Gespräche an sich gezogen hat, sagte im Stadtrat, dass die Frist grundsätzlich bindend war. Damit der Bewilligungsbescheid nicht zurückgenommen werde, müsse man gewichtige Gründe finden. Momentan arbeitet man an mehreren Ansätzen. „Zu Erfolgschancen sage ich nichts.“Spätestens bis zum Juli werde Klarheit herrschen – binnen Jahresfrist muss der Freistaat entscheiden, ob er die Bewilligung zurücknimmt oder nicht.
Zur Frage, inwieweit disziplinarische Maßnahmen gegen die betroffenen Mitarbeiter geprüft werden oder schon eingeleitet sind, hält sich die Stadt bedeckt. Mit Blick auf die Fürsorgepflicht für die betroffenen Mitarbeiter äußere man sich nicht, so Kiefer.