Koenigsbrunner Zeitung

So bizarr geht es im Handball zu

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Die Welt des Handballs ist klein, überschaub­ar und bescheiden. Ihre Helden spielen in Städten wie Erlangen, Göppingen oder Gummersbac­h – und nicht jeder junge Spieler, der einen Ball halbwegs unfallfrei fangen und werfen kann, bezieht deshalb schon ein Millionens­alär. Dafür bietet der Handball seinen Talenten neuerdings Perspektiv­en, von denen junge Fußballer nur träumen können. Um es von der A-Jugend eines Bundesligi­sten in die Champions League zu schaffen, brauchen sie in der Regel Jahre. Martin Schmiedt und Lukas Wichmann reichte dazu eine

Woche. Der eine ist gerade 18 geworden, der andere noch etwas jünger.

Beide laufen am heutigen Samstag für die Rhein-Neckar Löwen im Achtelfina­le im polnischen Kielce auf – allerdings nicht etwa, weil in der badischen Abgeschied­enheit unbemerkt vom Rest der Branche zwei Messis des Handballs herangewac­hsen sind, sondern aus purer Not. Ein bizarrer Streit um Fernsehrec­hte, Sendezeite­n und Spieltermi­ne hat zu der absurden Konstellat­ion geführt, dass der deutsche Meister an diesem Samstag gleich zwei Spiele auszutrage­n hat: das um 16 Uhr in Kielce und das Topspiel der Bundesliga um 18.10 Uhr beim THW Kiel. Zwischen beiden Hallen liegen genau 978 Kilometer, und weil man Handballer bisher weder klonen noch von A nach B beamen kann, haben die RheinNecka­r Löwen ein aus Spielern der A-Jugend und der zweiten Mannschaft bunt zusammenge­würfeltes Team nach Polen geschickt. Ihre erste Garde tritt in Kiel an – die Meistersch­aft hat Vorrang.

Martin Schmiedt, Lukas Wichmann und die übrigen Ersatz-Löwen werden in Kielce trotzdem das Spiel ihres Lebens machen. Motto: Nur nicht zu hoch verlieren! Am vergangene­n Wochenende haben sie noch in der dritten Liga gegen Fürstenfel­dbruck gespielt oder mit der A-Jugend gegen Göppingen, nun bekommen sie es unverhofft mit einer der besten Handballma­nnschaften der Welt zu tun. Übertragen auf den Fußball hieße das: Ein paar Jugend- und Amateurspi­eler des FC Bayern fordern mal schnell Real

Madrid, Juventus Turin oder Manchester City heraus.

Dass der zweiten Löwen-Garde ein Wunder von Kielce gelingt, eine Niederlage, die so niedrig ausfällt, dass die Etablierte­n sie im Rückspiel am Ostersonnt­ag vielleicht noch wettmachen können, glaubt im Badischen niemand. Nur Rico Keller, einer der Namenlosen, hat für den Fall der Fälle schon eine kleine Wette mit Torhüter Andreas Palicka laufen. Um was es dabei gehe, sagt er, verrate er lieber nicht. Am Ende wird den jungen Wilden das in der bescheiden­en Welt des Handballs ja noch als Größenwahn ausgelegt.

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Foto: Witters Glückwünsc­he für den Bayern Stürmer: (von links) Jerôme Boateng, Torschütze Thomas Müller und Sami Khedira bejubeln das 1:1.
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