Vom Scheitern und Aufstehen
Konstantin Wecker brilliert bei seinem Auftritt in der Stadthalle Gersthofen. Warum seine Lieder, Gedichte und Geschichten noch immer begeistern
nisten Jo Barnikel unterwegs. Und in dieser kleinen Besetzung singt er an gegen Unrecht und soziale Spaltung und wirbt für das Scheitern und Aufstehen. Gerade für das.
Denn Wecker ist in seinem Leben schon so oft selbst gescheitert, dass ihm die Leute all seine Zeilen abnehmen. Die Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim kennt er so gut von innen, dass er ihr sogar ein Lied gewidmet hat. Und er hat sich seit seinen Anfängen auch inhaltlich nicht verbiegen lassen. Er wirkt noch immer so herrlich unangepasst wie sein „Willy“, der am Ende von einem besoffenen Nationalisten erschlagen wird.
Wecker hat schon immer vor der politischen Gefahr gewarnt, die heute in Form erstarkter Rechtspopulisten in den meisten Parlamenten Europas wieder sichtbar wird. Von all der Kleingeisterei und Heuchelei in der Gesellschaft. Von Neoliberalismus und Bankengier. Und fast wirkt das heute prophetisch, was er schon vor Jahrzehnten beschrieben hat. Doch gerade in den vergangenen Jahren ist aus dem Stürmer und Dränger ein Klassiker mit Silberhaar geworden. Er singt nicht mehr mit Wut und Schaum vor dem Mund, sondern trägt alles mit einem Augenzwinkern vor. Und die kleine Besetzung mit Jo Barnikel am Flügel entwickelt einen besonderen, fast eine Art kammermusikalischen Reiz. Denn es dröhnt keine Band über die Lyrik Weckers hinweg, die, wenn er aus seinen Büchern vorliest, so zerbrechlich und zärtlich sein kann.
Der Münchner Liedermacher mischt sein Programm geschickt mit Neuem und Altem, und er erzählt aus seiner wilden Jugendzeit. Sein Freiheitsdrang führte ihn schon früh nach Augsburg, als er mit einem Freund von zu Hause ausbüxte. Doch weil es Winter und kalt war, landete er umgehend wieder daheim bei der Mama. Einer der Höhepunkte des Auftritts ist eine andere Geschichte, als er, wieder mit einem Freund, die Kasse der Riemer Rennbahn mitgehen ließ, was ihm einen ersten Gefängnisaufenthalt in Stadelheim einbrachte. Er wollte als freier Dichter leben. Doch auch das ging schief, und schon drei Wochen später landete der junge Wecker in der maximalen Unfreiheit, im Gefängnis.
Es ist herrlich, wie er von der unvergessenen menschlichen Begegnung mit Knastbruder „Punkte“erzählt. Der ganze Saal lacht, als er beschreibt, auf welchem Wege die beiden über die Zellenwände hinweg via Klospülrohre kommunizierten. Das Publikum hat er zu diesem Zeitpunkt längst auf seiner Seite, es hängt geradezu an seinen Lippen.
Immer wieder wechselt Wecker vom Flügel zum Lesetisch. Neben Stücken wie „Der alte Kaiser“, „Genug ist nicht genug“und „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“präsentiert der bekennende Pazifist neue Songs wie „Der Krieg“, oder „An meine Kinder“. Am Ende lässt ihn das Publikum nicht ohne Zugaben gehen.