Koenigsbrunner Zeitung

Al-Sisi und die Verheißung von Stabilität

Ägypten sehnt sich nach Jahren des Chaos und der Gewaltexze­sse nach Ruhe. Das nutzt der Amtsinhabe­r, der mit brutaler Härte regiert, geschickt für seine Zwecke

- Simon Kaminski

Nach 30 Jahren war es vorbei: Eine Mehrheit der Ägypter hatte genug von Präsident Hosni Mubarak. Die Bilder von den Massendemo­nstratione­n auf dem Tahrir-Platz in Kairo fluteten weltweit alle medialen Kanäle. Viele Menschen – insbesonde­re in den großen Städten – sehnten sich nach Freiheit, Arbeit und Modernisie­rung. Jetzt, nur sieben Jahren später, dürfte mit Abd al-Fattah al-Sisi ein Mann zum zweiten Mal zum Präsidente­n gewählt werden, der frappieren­d an Mubarak erinnert.

Al-Sisi wird 1954 in Kairo als Sohn einer Familie geboren, die Kunsthandw­erk herstellt. Die Eltern schicken ihn früh zum Militär. Al-Sisi steigt schnell auf. Nichts deutete nach dem „Arabischen Frühling“und dem Rücktritt Mubaraks 2011 darauf hin, dass ein Mann dieses Zuschnitts an die Macht kommen könnte. Doch die Dinge nahmen eine überrasche­nde Wende: Aus der Präsidente­nwahl 2012 ging der Kandidat der islamistis­chen Muslimbrud­erschaft, Mohammed Mursi, als Sieger hervor. Dass er al-Sisi zum Verteidigu­ngsministe­r ernannte, war nicht der einzige, aber einer der schwersten Fehler des glücklosen Präsidente­n.

Mursi dürfte an al-Sisi gefallen haben, dass er den sunnitisch­en Glauben offen praktizier­te und dass seine Frau, mit der er vier Kinder hat, sich fast immer voll verschleie­rt präsentier­te. Doch von Verschleie­rung versteht auch alSisi einiges:

Während in Ägypten, aber auch in westlichen Medien noch darüber spekuliert wurde, ob al-Sisi schon lange ein verdecktes Mitglied der Muslimbrud­erschaft gewesen sei, schlug der Minister zu: Er organisier­te die Absetzung der Regierung, der er selber angehörte. Und noch kurioser: Nach einer Übergangsp­hase wurde er selber 2014 mit 97 Prozent zum Präsidente­n gewählt. Die Vereidigun­g al-Sisis erlebten hunderte von Mursi-Anhängern, die von Sicherheit­skräften bei Protesten erschossen wurden, nicht mehr mit. Die Kritik im Westen an den Exzessen blieb dezent. Wie einst Mubarak gilt jetzt al-Sisi als Partner und Garant für Stabilität. Berichtet wird, dass er Gesprächsp­artnern mit Charme und Eloquenz in den Bann schlägt.

Von seinen Anhängern wird er verehrt. Gigantisch­e Projekte, wie der bereits begonnene Bau einer neuen Verwaltung­shauptstad­t von der Größe Hamburgs, schmeichel­n dem ausgeprägt­en Nationalge­fühl.

Nüchterner­e Wähler und die Minderheit der koptischen Christen setzten darauf, dass er im Land für mehr Sicherheit und einen wirtschaft­lichen Aufschwung sorgen würde. Viele dieser Hoffnungen erfüllten sich nicht: Es gab blutige Anschläge gegen Kopten, militärisc­he Rückschläg­e im Kampf gegen den IS auf dem Sinai, die Pressefrei­heit ist ausgehebel­t, Widerstand wird brutal unterdrück­t. Doch für viele Ägypter zählt nur eines: endlich Ruhe.

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Foto: dpa

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