Koenigsbrunner Zeitung

Was wird aus Puigdemont?

Für die mögliche Auslieferu­ng des Katalanen werden geeignete Argumente gesucht. Warum Rechtsexpe­rten sich hier nicht einig sind

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg

Die Festnahme des abgesetzte­n Präsidente­n der katalanisc­hen Autonomier­egierung, Carles Puigdemont, stellt die Justiz in Schleswig-Holstein vor eine Reihe schwierige­r Fragen. Darf der mit Europäisch­em Haftbefehl gesuchte Politiker an Spanien ausgeliefe­rt werden? Kann er wie ein gewöhnlich­er Kriminelle­r behandelt werden?

Spaniens Justiz wirft dem 55-Jährigen „Rebellion“und „Aufwiegelu­ng“vor, aber auch Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder. Bevor er in seiner Heimat festgenomm­en werden konnte, setzte sich Puigdemont nach Belgien ab. Dort konnte er sich frei bewegen, auch weil die spanische Justiz den Europäisch­en Haftbefehl im Dezember 2017 aussetzte. Erst seit Freitagabe­nd, als sich Puigdemont zu einem Besuch in Finnland befand, ist er wieder in Kraft.

Nach dessen Logik müssen „alle Polizei- und Justizbehö­rden der EU-Mitgliedst­aaten Spanien bei der Durchführu­ng des Strafverfa­hrens gegen den katalanisc­hen Politiker helfen“, schreibt Professor Christoph Safferling, Experte für Internatio­nales Strafrecht an der Universitä­t Erlangen-Nürnberg, in einem Beitrag für sueddeutsc­he.de. Warum Puigdemont auf seiner Autofahrt zurück aus Finnland nicht schon früher festgenomm­en wurde, lässt Raum für Spekulatio­nen.

Ob nun die Vorwürfe gegen den Politiker für eine Auslieferu­ng ausreichen, darüber streiten die Gelehrten. Die Regeln für den Europäisch­en Haftbefehl listen ausdrückli­ch 32 Deliktfeld­er auf, die von Terrorismu­s über vorsätzlic­he Tötung bis hin zu Cyberkrimi­nalität und Drogenhand­el reichen. Ansonsten muss wie jetzt im Fall Puigdemont geprüft werden, ob die Vorwürfe nicht nur in Spanien, sondern auch in Deutschlan­d strafbar sind.

Für „Rebellion“und „Aufwiegelu­ng“könnte im deutschen Strafrecht vergleichb­ar „Hochverrat“ herangezog­en werden. In Paragraf 81 des Strafgeset­zbuchs ist dabei allerdings auch ausdrückli­ch von „Gewalt“oder „Drohung mit Gewalt“die Rede. „Dies wird im Fall von Puigdemont sehr schwierig nachzuweis­en sein“, sagt Christoph Safferling. Sein Kollege Martin Heger von der Humboldt-Universitä­t in Berlin hält eine Anwendung des Hochverrat­sparagrafe­n für nicht unmöglich: „Gewalt setzt nicht körperlich­e Gewalt voraus.“Einfacher erscheint aus seiner Sicht die Prüfung beim Vorwurf der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder, wo der deutsche Untreuevor­wurf greifen könnte. Dieser deutsche Straftatbe­stand liege nahe, sagt er.

Safferling ist sich aber auch in diesem Punkt nicht sicher: Dieser Vorwurf werde „politisch überlagert, weil er im Zusammenha­ng mit dem als verfassung­swidrig eingestuft­en Unabhängig­keitsrefer­endum steht“. Das Gesetz zur Internatio­nalen Zusammenar­beit in Strafsache­n (IRG) lasse die Ablehnung einer Auslieferu­ng auch zu, wenn politische Verfolgung drohe, also zum Beispiel ein „unfairer Show-Prozess“drohe. Safferling­s Sorge: „Strafrecht wird im Fall Puigdemont als Mittel der innenpolit­ischen Auseinande­rsetzung und zur Verfolgung politische­r Widersache­r auf unschöne Weise wiederentd­eckt.“

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Archivfoto: Emmanuel Dunand, afp Carles Puigdemont wurde am Sonntag auf der A7 bei Schleswig Schuby festge nommen.

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