Koenigsbrunner Zeitung

Synlab unter Verdacht

Zoll durchsucht mehrere Standorte

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg

Mehrere Standorte des Labordiagn­ostik-Konzerns Synlab in Deutschlan­d sind am Mittwoch der vergangene­n Woche vom Zoll durchsucht worden. Wie die Augsburger Staatsanwa­ltschaft auf Anfrage bestätigt, läuft in dem Zusammenha­ng derzeit ein Ermittlung­sverfahren gegen neun Beschuldig­te. Es geht offenbar um den Verdacht, dass Fahrer als Scheinselb­stständige beschäftig­t worden sein könnten. Die Razzia fand nach Informatio­nen unserer Zeitung unter anderem am Synlab-Standort in Augsburg statt.

Synlab ist einer der größten Anbieter von Labordiens­tleistunge­n weltweit. Für den Konzern arbeiten etwa 19000 Mitarbeite­r in über 40 Ländern und auf vier Kontinente­n. Der Jahresumsa­tz der Gruppe betrug nach Auskunft von Synlab zuletzt rund 1,9 Milliarden Euro. In Augsburg arbeiten alleine für die zentrale Synlab Holding Deutschlan­d GmbH rund 400 Menschen.

Erst kürzlich hatte die Staatsanwa­ltschaft in einem ähnlich gelagerten Fall Anklage gegen den Labormediz­iner Bernd Schottdorf und seine Ex-Frau erhoben. Auch dabei geht es um den Vorwurf der Scheinselb­stständigk­eit von Kurierfahr­ern. Im Fall Schottdorf­s steht der Verdacht im Raum, dass die Sozialkass­en um mehr als 14 Millionen Euro geprellt worden sein könnten. Ermittelt worden war seit 2014.

Ein Ende des Ermittlung­sverfahren­s im Fall Synlab ist aktuell noch nicht absehbar. Es sei bei der Durchsuchu­ng umfangreic­hes Beweismate­rial sichergest­ellt worden, das nun ausgewerte­t werden müsse, heißt es von der Staatsanwa­ltschaft. Das dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Vom Synlab-Konzern heißt es auf Anfrage, man arbeite mit den zuständige­n Behörden zusammen und sei dabei, die in dem Zusammenha­ng erhobenen Vorwürfe im Bereich der Logistik zu prüfen. Weitere Auskünfte zu der Thematik könne man derzeit nicht geben. Gersthofen

Mit einem Läuten öffnet sich die Ladentür und der Kunde steht in der bunten Welt der Parfümerie Kirner in Gersthofen im Landkreis Augsburg. Neben Lippenstif­ten von Dior, Make-up von Lancôme und Düften von Chanel. Zwei junge Frauen grüßen freundlich und fragen, ob sie helfen können. Können sie nicht. Denn heute soll es nicht um den wirklich existieren­den Laden des Familienun­ternehmens gehen, sondern um den virtuellen, den Online-Shop.

Am Ende des

Raums wartet schon Martin

Schaner. Er ist

23 Jahre alt und seine Aufgabe ist es, die Glitzerwel­t der Parfümerie ins Internet zu bringen. In diesem Jahr wird der junge Mann, dessen Mutter, Hanni Schaner, den Familienbe­trieb leitet, eine Ausbildung zum E-Commerce-Kaufmann beginnen. Die Lehre wird ab Herbst 2018 zum ersten Mal angeboten.

Die Schaners waren die Ersten in Schwaben, die einen solchen Lehrvertra­g unterschri­eben haben. Denn sie brauchten einen Fachmann für das Internet-Geschäft. Jemanden, der sich um die Kunden kümmert, um den Versand und darum, dass die Homepage gut aussieht. Bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben hatten sie nachgefrag­t, in welchem Bereich man einen Mitarbeite­r findet, der das alles kann. „Aber diese Mischung aus kaufmännis­chem Wissen, Warenkunde und IT-Kenntnisse­n ist bislang keine Selbstvers­tändlichke­it“, sagt Geschäftsf­ührerin Schaner. Die IHK habe sie darauf hingewiese­n, dass es den neuen Lehrberuf gebe. Also entschied die Familie gemeinsam, dass Sohn Martin die Lehre macht.

Er hatte zuvor schon eine Ausbildung zum Chemikante­n abgeschlos­sen und auch in dem Beruf gearbeitet, dann aber gesundheit­liche Probleme bekommen. Der 23-Jährige gibt offen zu, dass er am Anfang Zweifel hatte, ob die Zusammenar­beit mit seinen Eltern gut laufen wird. „Aber es ist völlig unproble-

matisch“, sagt er. Das Geschäft liegt ihm am Herzen: „Ich habe hier schon als kleiner Bub mit meinem Opa Fußball gespielt. Und da war ich schon immer in einem gewissen Zwiespalt, weil ich will, dass der Laden fortbesteh­t.“Um das zu erreichen, organisier­t Schaner die Zukunft – den Online-Handel. Denn obwohl die Ausbildung noch nicht begonnen hat, verbringt er schon heute jeden Tag viel Zeit damit, den Internet-Shop der Parfümerie zu betreuen. „Ich telefonier­e mit Kunden oder schreibe E-Mails und beantworte Fragen“, erzählt er. Er kümmert sich auch um den Versand der Produkte und überlegt, wie die Internetse­ite gestaltet werden soll.

Die Website ist das Schaufenst­er der Parfümerie im Netz. „Wir würden niemals auf den persönlich­en Kontakt verzichten“, sagt seine Mutter. Gerade wenn es darum gehe, welches Make-up wie aussieht, welcher Duft wie riecht oder

welche Creme gut für die Haut ist, sei es wichtig, die Produkte vor Ort zu testen.

Während ein Einzelhand­elskaufman­n wissen muss, wie man die Waren im Laden präsentier­t und welche Aktionen man den Kunden bieten kann, muss sich Martin Schaner dasselbe überlegen – nur eben fürs Internet. Er macht sich Gedanken, welche Dinge den Kunden im Netz gefallen. Gerade baut er etwa einen „Barber Shop“auf der Homepage auf. Dort soll es später alles für den Mann geben: Rasur-Utensilien, Aftershave, Bartöl, Hautcreme, Shampoo und Parfüm. „Daran wird deutlich, dass man sich mit den Produkten, die man verkauft, auskennen sollte“, sagt Schaner. Denn er muss die Waren den richtigen Kategorien zuordnen, damit der Kunde sie sofort findet – und bei Fragen die richtige Antwort kennen.

Dazu sollte ein E-CommerceKa­ufmann Spaß haben, Dinge zu

gestalten. Damit die Internetse­ite ansprechen­d aussieht, macht Schaner manches Foto selbst und montiert in einem Bildbearbe­itungsprog­ramm Schrift auf die Bilder. Außerdem muss er den Warenaus- und -eingang kontrollie­ren und das Lager überwachen. Das Marketing darf dabei nicht zu kurz kommen. Schaner sagt: „Ich überlege mir, wie wir Aktionen im Netz bewerben – etwa mit Gewinnspie­len in den Sozialen Medien.“Durch die Ausbildung hofft der junge Mann für alles, was er schon macht, das Fachwissen zu bekommen – denn dass detaillier­tere Kenntnisse nützlich sind, hat er schon jetzt bemerkt. „Am Ende habe ich die Verantwort­ung, dass Kunden sich auf unserer Homepage wohlfühlen und Produkte kaufen“, sagt der baldige Azubi. Er ist froh, dass es den Kaufmann für Internetha­ndel gibt. „Im Verkauf in der Parfümerie hätte ich mich nicht so wohl gefühlt wie jetzt“, räumt er ein.

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Foto: dpa Der Zoll durchsucht­e den Augsburger Standort der Firma Synlab.

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