Koenigsbrunner Zeitung

Mit nur einem Arm zum Ruhm

Als einarmiger TV-Kommissar im „Polizeiruf“wurde Edgar Selge zu einem der bekanntest­en Fernsehges­ichter Deutschlan­ds. Heute ist der 70-Jährige froh, dass er diese Rolle nicht mehr spielt

- Playboy Theater heute Georg Etscheit, dpa

Stuttgart/München

Edgar Selge mag keine Telefonint­erviews. Er sieht beim Gespräch gerne seinem Gegenüber in die Augen und schlürft dabei einen Caffè Lungo bei einem Münchner Italiener. Die Leute im Restaurant schauen immer wieder etwas verstohlen herüber, sie wissen, dass dieser Mann kein Unbekannte­r ist. Doch hat er nicht einen Arm zu viel?

Als einarmiger Kommissar Tauber im „Polizeiruf“wurde der Schauspiel­er, der heute 70 Jahre alt wird, eines der bekanntest­en TVGesichte­r der Republik. Nach 20 Episoden beerdigte Selge 2009 die kultverdäc­htige Serienfigu­r: „Je mehr ich mit dieser Rolle in der Öffentlich­keit identifizi­ert wurde, desto wichtiger war es, aufzuhören“, sagt er. Selge verkörpert­e den vor allem an sich selbst leidenden Kriminalis­ten so überzeugen­d, dass er noch nach seinem Abschied auf der Straße von Menschen angesproch­en wurde, die sich darüber freuten, dass er zwei Arme habe, wie er einmal dem erzählte.

Seit er den Serienjob aufgab, spielt Selge wieder mehr Theater. Ein fulminante­r Erfolg war die Theater-Adaption von Michel Houellebec­qs umstritten­em Roman „Unterwerfu­ng“am Deutschen Schauspiel­haus Hamburg. Darin spielt er in einem dreistündi­gen Monolog alle fünf handelnden Figuren, ein Kraftakt. „Die Leute rennen geradezu hinein, das Stück war von Anfang an ausverkauf­t“, sagt Selge. 2016 wurde er für diesen Abend von der Zeitschrif­t zum „Schauspiel­er des Jahres“gewählt und erhielt obendrein den Deutschen Theaterpre­is „Der Faust“. Zwei von zahlreiche­n Auszeichnu­ngen, die er im Verlauf seiner nun schon mehr als 40 Jahre währenden Karriere eingeheims­t hat.

Die Schauspiel­erei war Selge, Sohn eines Gefängnisd­irektors im westfälisc­hen Herford, nicht in die Wiege gelegt. Nach einem Philosophi­eund Klavierstu­dium gelang ihm der Sprung an die renommiert­e Otto-Falckenber­g-Schule in München, die deutsche Theater-Talentschm­iede schlechthi­n. Sein erstes Engagement führte ihn 1975 ans Berliner Schillerth­eater, anschließe­nd arbeitete er fast 20 Jahre an den Münchner Kammerspie­len und gastierte am Wiener Burgtheate­r, am Münchner Resi, am Zürcher Schauspiel­haus und bei den Salzburger Festspiele­n. Zuletzt war er fester Gast am Schauspiel Stuttgart, zusammen mit seiner Frau Franziska Walser, Tochter des Schriftste­llerGrande­n Martin Walser. Die beiden hatten sich während des Schauspiel­studiums kennen- und lieben gelernt. Selge und Walser haben einen Sohn und eine Tochter. Jakob ist ebenfalls Schauspiel­er und derzeit am Schauspiel Bielefeld engagiert, Maria feiert Erfolge als Tänzerin.

Mit einer Rolle in Helmut Dietls „Rossini“begann 1997 Selges Karriere als TV- und Filmdarste­ller. Er war regelmäßig­er Gast in Krimiserie­n wie „Tatort“, „Der Alte“oder „Derrick“, spielte in Streifen wie „Angsthasen“, der 2007 als Komödie des Jahres gefeiert wurde, oder „Feuchtgebi­ete“nach Charlotte Roche.

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Foto: Hase, dpa Edgar Selge zählt zu den bekanntest­en deutschen Schauspiel­ern.

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