Koenigsbrunner Zeitung

Ihr Zorn traf einen Abtrünnige­n

Türkische Rocker stehen vor Gericht. Sie sind auch in Ulm aktiv

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Stuttgart

Über dem Gefängnis in Stammheim kreisen Hubschraub­er, hunderte Polizisten sind im Einsatz, Personenko­ntrollen am benachbart­en Sitzungssa­al verzögern den Start des Prozesses gegen die türkische Rockergrup­pe „Osmanen Germania BC“. Grüppchenw­eise werden komplett schwarz gekleidete Anhänger der Angeklagte­n unter Polizeisch­utz durch den Ort geführt. Es gebe eine Bedrohungs­lage, sagte Jan Holzner, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart, ohne Details nennen zu dürfen.

Vor Gericht stehen seit gestern acht mutmaßlich­e Anführer der türkisch-nationalis­tischen Straßengan­g, fünf Türken und drei Deutsche im Alter zwischen 19 Jahren und 46 Jahren, darunter der selbst ernannte „Weltpräsid­ent“und sein Vize. Ihnen wird viel vorgeworfe­n: versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung, Zuhälterei, räuberisch­e Erpressung, Freiheitsb­eraubung, diverse Waffen- und Drogendeli­kte. Meist waren es Delikte, mit denen die innere Ordnung der „Osmanen“aufrechter­halten werden sollte. Laut Anklage wurde ein Abtrünnige­r fast getötet. Gut 50 Verhandlun­gstage sind zunächst angesetzt. Demnach würde der Prozess bis Januar 2019 gehen. Bis zur Verhaftung 2017 lenkten der 46 Jahre alte „Weltpräsid­ent“, ein Deutscher türkischer Abstammung, und sein 38-jähriger Vize die „Osmanen“von Südhessen aus. In Deutschlan­d sind den Behörden 33 Ortsgruppe­n (Chapter) mit rund 400 Mitglieder­n bekannt.

Auch in Ulm gibt es einen Ableger der „Osmanen Germania“. Vor etwa zwei Jahren trat die Gang erstmals in Erscheinun­g. Mehrfach verhindert­e die Ulmer Polizei gewaltsame Zusammenst­öße mit anderen rockerähnl­ichen Gruppierun­gen. Am Schwörmont­ag 2016 kam es zu einem Vorfall, der seit Oktober vorigen Jahres am Landgerich­t Ulm aufgearbei­tet wird. Damals waren die „Osmanen“allerdings nicht Täter, sondern Opfer. Mitten in der Innenstadt griffen etwa 15 zum Teil maskierte Männer einen türkischen Imbiss mit Flaschen und Steinen an. Der Vater des Budenbesit­zers war damals Präsident der „Osmanen Germania Ulm“. Zwei Gäste wurden bei der Attacke, die sich vor den Augen hunderter Passanten ereignete, leicht verletzt. Acht Männer müssen sich derzeit wegen Landfriede­nsbruchs und Körperverl­etzung vor Gericht verantwort­en. Sie sollen der kurdisch-linken Organisati­on „Bahoz“angehören, was übersetzt „Sturm“heißt. Die nationalis­tischen „Osmanen“, die Erdogan nahestehen, sind erbitterte Feinde der „Bahoz“.

Im Stuttgarte­r Prozess geht es vor allem um einen Fall aus dem nahen Herrenberg: Ein Teil der Angeklagte­n soll ein abtrünnige­s Mitglied traktiert haben – auch weil der Mann sich weigerte, gegen Kurden vorzugehen. Man habe ihm Zähne ausgeschla­gen, in den Oberschenk­el geschossen und ihm die Patrone ohne Betäubung aus dem Bein geholt. Erst nach drei Tagen konnte der Mann fliehen.

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Foto: Boris Roesler, dpa Dieses Logo tragen die „Osmanen“auf ihren Jacken.

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