Wie Silber eine Sportart verändert
Nach der Silbermedaille von Pyeongchang ist für die deutschen Eishockeyspieler fast nichts mehr so, wie es mal war. Die schlechte alte Eishockeyzeit gehört der Vergangenheit an, in der die Experten die Pleiten wortreich erklären mussten. Stattdessen lädt
Markus Lanz nicht mehr nur Lothar Matthäus, Waldemar Hartmann und andere Kicker-Größen in sein Studio. Jüngst durfte Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm den Weg zu Silber in Südkorea schildern.
Ein großer japanischer Autokonzern wirbt plötzlich mit dem Kölner Nationalverteidiger Moritz Müller für seine Vehikel. Selbst die nordamerikanische Fachzeitschrift
spekulierte, dass deutsche Kinder sich die Olympioniken zum Vorbild nehmen könnten. Anstelle zu versuchen, der nächste Thomas Müller, Michael Schumacher oder Dirk Nowitzki zu werden, wollen sie vielleicht, dass die Eltern ihnen eine EishockeyAusrüstung kaufen, um der nächste Dominik Kahun oder Patrick Hager zu werden.
Die alte Formel bewahrheitet sich: Erfolg macht sexy. Die Helden von Pyeongchang sind gefragte Gesprächspartner und Werbefiguren. Doch die Sensation von Südkorea bringt auch schmerzhafte Konsequenzen.
Der WeltklasseVerteidiger Christian Ehrhoff nimmt den Höhepunkt seiner Karriere zum Anlass, seine Laufbahn zu beenden. Andere wie Kapitän Marcel Goc könnten noch folgen. Alleine elf Spieler aus dem deutschen OlympiaKader waren am Tag des mit 3:4 nach Verlängerung dramatisch verlorenen Finals gegen die Russen älter als 30.
Auch der Mindelheimer Patrick Reimer, 35, wollte sich über seine Zukunft nicht festlegen. Selbst um den Verbleib des gefeierten Bundestrainers muss Verbands-Präsident Franz Reindl bangen. Bei Markus Lanz bekräftigte Sturm, dass es sein Ziel sei in der NHL, der besten Liga der Welt, zu arbeiten. Es müsse nicht mal der Posten des Cheftrainers sein, „einfach bei irgendeiner Mannschaft mitarbeiten“, das würde dem ehemaligen NHL-Stürmer schon genügen.
Die überraschende Silbermedaille wirbelt die deutsche EishockeySzene gewaltig durcheinander. Das ist, trotz schmerzhafter Begleiterscheinungen, gut so. Stillstand herrschte lange genug.