Koenigsbrunner Zeitung

Kalifornis­che Lässigkeit

Das Sonoma Valley lockt mit Whiskey, Käse und entspannte­n Orten

- VON VERENA WOLFF

Bedächtig und fast schon liebevoll lehnt sich Ashby Marshall mit dem Gesicht an das helle Eichenfass. Sie drückt ihr Ohr gegen das Holz. Und spürt Vibratione­n. Denn das Fass, in dem Whiskey ihrer Destilleri­e Spirit Works in Sebastopol lagert, wird von einem Lautsprech­er beschallt – und zwar mit dem „Nussknacke­r“von Tschaikows­ki, in der Version des San Francisco Ballet. Wozu das? „Andere Menschen reden mit ihren Blumen. Wir wollen wissen, ob die Musik den Geschmack des Whiskeys beeinfluss­t“, sagt Marshall.

In Sonoma im Norden Kalifornie­ns probieren viele etwas Neues aus. Wein wird schon seit vielen Jahrzehnte­n in den verschiede­nen Regionen des Countys hergestell­t, doch in den vergangene­n Jahren sind Brenner, Metzger und Käsereien dazugekomm­en. Und Farm-to-table-Restaurant­s, in denen die Zutaten für die Küche von den Bauernhöfe­n in der Umgebung kommen. Davon gibt es eine ganze Menge, direkt am Pazifik und in den sanften grünen Hügeln, die ins Landinnere gehen. Schafe, Ziegen und Rinder zieren die Landschaft, während auf der anderen Seite des berühmten Highway 1 der Pazifik an die zerklüftet­en Felsen klatscht.

Über dieses Meer kamen einst die Russen. Vor mehr als 200 Jahren gründeten sie im heutigen Fort Ross ihren südlichste­n Stützpunkt in Nordamerik­a. Heute gibt es sie in der Gegend kaum noch, sehr wohl aber Hinweise auf deren Geschichte: So ist der Russian River, der in den Pazifik mündet, ein beliebter Fluss für Kajaktoure­n und Campingaus­flüge. Sebastopol findet man ebenso auf der Landkarte wie einen Ort namens Moscow.

Fern ab der Großstadt

Es sind nicht mehr Farmer, die sich in diesen Tagen in Sonoma ansiedeln. Vor allem Städter aus der Bay Area, San Francisco und dem Silicon Valley kommen nach Jahren hektischen Lebens in der Stadt ins County im Norden. Sie wollen in der Natur sein und etwas herstellen, mit ihren eigenen Händen – ein bisschen alternativ und so öko wie möglich. So wie Ashby Marshall mit ihrem Whiskey und Gin.

Ein anderes Beispiel ist Sheana Davis, eine ausgezeich­nete Köchin, die Käse in ihrer eigenen Käserei für Restaurant­s und Winzer herstellt. Außerdem bringt sie Interessie­rten bei, wie man Käse herstellt und wie dieser in Verbindung mit Wein, Cidre, Bier oder Hochprozen­tigem schmeckt. Keine leichte Aufgabe in den USA.

Auch einige Deutsche hat es ins Sonoma County verschlage­n, ein Gebiet, das mit rund 4500 Quadratkil­ometern etwa doppelt so groß ist wie das Saarland. Anne Moller-Racke kam schon vor 30 Jahren aus dem Mittelrhei­nischen. Zwar hatte sie keine Ausbildung als Winzerin, war aber in der Landwirtsc­haft versiert. Und heuerte in Buenavista an, dem ältesten Weingut im Carneros-Gebiet – ein ideales Anbaugebie­t für Pinot Noir und Chardonnay. „Wenn man über die ersten Berge geht, dann ist das Klima deutlich wärmer, das ist besser für die Bordeaux-Weine und die spanischen Sorten“, erklärt Moller-Racke. Durch die vielen Sonnenstun­den und das freundlich­e Klima produziere­n sie hier fruchtige Weine. Aber die Riesenkell­ereien, die man aus dem benachbart­en Napa Valley kennt, gibt es in Sonoma nicht. 5000 Kisten à zwölf Flaschen produziert die Deutsche in der Genossensc­haft Donum Estate. Damit gehört sie zu einem der kleinen Weingüter. Besonders macht die Donum Estate etwas anderes: „Die Besitzer sind große Kunstliebh­aber“, erzählt Moller-Racke bei einem Spaziergan­g zwischen den Reben. Und das ist nicht zu übersehen. Der Bulle, der sich an der Wall Street vor der amerikanis­chen Börse befindet, steht in kleinerem Format zwischen Blumen und Kräutern in einem Garten. Die Pistole mit dem verknotete­n Lauf, die auch vor dem UN-Gebäude steht, ziert den Eingang zum Skulpturen­garten. Ein Höhepunkt sind zwölf Sternzeich­en, erschaffen vom weltberühm­ten chinesisch­en Künstler Ai Wei Wei. Die Skulpturen aus Bronze stehen an einem Ehrenplatz auf dem Weg in die Weinberge und zieren auch die Etiketten der Donum Estate.

Die nahe Bay Area ist eine wohlhabend­e Region. Einige Start-ups, die jenseits der dortigen Tech-Szene ihre Unternehme­n gründen, nehmen durchaus Geld in die Hand. So wie die zwei Freunde Neil Dipaola und Ryan Miller, die Köpfe hinter dem Autocamp in Guernevill­e am Russian River. Angeordnet in der Form eines Hufeisens stehen 23 Wohnwagen: „Silbergesc­hosse“, wie die legendären Airstream-Trailer auch genannt werden. Dazu zehn geräumige Zelte. Glamping vom Feinsten.

In einem Garten können die Gäste an lauschigen Abenden ein Lagerfeuer machen und Marshmallo­ws grillen. Überall auf dem Gelände gibt es schnelles WLAN. Denn die Unternehme­r aus der Bay Area wollen zwar zurück zu den Wurzeln und Dinge erschaffen – doch ohne die virtuelle Welt und die sozialen Medien geht das nicht.

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Foto: Verena Wolff, tmn Ashby Marshall lauscht am Whiskeyfas­s – es wird mit einem Lautsprech­er beschallt.
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Foto: James Fanucchi, tmn Kennt sich aus mit Käse und wie man ihn mit anderen Speisen kombiniert: Sheana Davis.
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Foto: dpa infografik Sonoma liegt im US Bundesstaa­t Kalifornie­n

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