Unnachahmlich, dieser Filmemacher
Christian Petzold ist zweierlei: der Autor und der Regisseur seiner Kinowerke. Er schaut mit einem besonderen Blick auf die Gegenwart und schafft damit Meisterwerke
Wie nennt man einen Menschen, der seine Stoffe nicht nur selbst schreibt, sondern gleichzeitig auch meisterhaft verfilmt? Autorenfilmer? Das klingt viel zu harmlos und zeigt nicht einmal in Ansätzen, wie grundsätzlich unterschiedlich das eine und das andere ist.
Ein Stoff wird am Schreibtisch entwickelt, in der Regel in Einsamkeit. Man muss dafür etwas zu erzählen haben, Kreativität mitbringen. Wer einen Film dreht, muss nicht nur künstlerisch, sondern auch technisch an einen Stoff herangehen können. Vor allem hat ein Regisseur ein Meister der Organisation zu sein – mit der Gabe, zur Not mit großem Team zu improvisieren. Wofür wiederum ein Talent für Kommunikation nötig ist. Ein Regisseur und ein Drehbuchautor müssen also Verschiedenes mitbringen.
Christian Petzold kann beides – herausragende Drehbücher schreiben, die er fantastisch verfilmt. Er gehört zu denjenigen, die die Idee des deutschen Autorenfilms weitergetragen haben – zur Generation nach Edgar Reitz, Volker Schlöndorff und Wim Wenders. Gemeinsam mit Thomas Arslan und Angela Schanelec wird er seit Mitte der 1990er Jahre zur Berliner Schule gezählt – alle drei haben dort Film studiert und stehen für ein anderes Verständnis des Films.
Der 57-Jährige inszeniert seine Stoffe nicht, indem er unerhörte Spannungsbögen anlegt, vielmehr steht er für ein besonderes Beobachten – etwa in der Schluss-Szene von „Phoenix“(seinem vorletzten Kinofilm 2014). Darin spielt Nina Hoss eine Jüdin, die den Holocaust überlebt hat und von ihrem Mann wegen schwerer Gesichtsverletzungen nicht mehr erkannt wird. In dieser letzten Szene, wenn ihr Mann ihre Häftlingsnummer sieht, wenn er erahnt, wen er vor sich hat, die Frau, die er verraten hat, sprechen nur noch die Blicke. Die fängt Petzold in einer Ruhe und Präzision ein, die ihresgleichen suchen. Bemerkenswert ist der Fokus, den er als Autor auf seine Stoffe legt. In seinem ersten Kinofilm „Die innere Sicherheit“(2000) erzählt Petzold von der Roten Armee Fraktion. Allerdings stellt er nicht die Terrorakte in den Vordergrund, sondern ein Paar, das lange abgetaucht ist und die Tochter selbst unterrichtet. Der Alltag, der da beschrieben wird, ist unheimlich.
Petzold, der in Hilden (Nordrhein-Westfalen) geboren ist und seit 1981 in Berlin lebt, bringt heute seinen achten Film ins Kino. „Transit“– ein Herzensprojekt, weil der zugrunde liegende Roman von Anna Seghers eines seiner „Lebensbücher“ist, wie er sagt (siehe Kino-Site). An der Idee hat Petzold noch mit seinem Lehrer, später dann Freund und Co-Drehbuchschreiber Harun Farocki gearbeitet, der inzwischen gestorben ist. Vor der Kamera steht dieses Mal nicht Nina Hoss, die schon in vielen PetzoldFilmen geglänzt hat, sondern Franz Rogowski und Paula Beer – zwei „Shooting Stars“des deutschen Kinos.