Koenigsbrunner Zeitung

Tortur für die Ohren

- VON RÜDIGER HEINZE kino@augsburger allgemeine.de

Im Kino gewesen. Multiplex Augsburg. Wütend geworden. Der Kinogänger wird behandelt, als sei er hochgradig schwerhöri­g. Die volle Dröhnung plus Bässe, die die Sessel erbeben lassen. Als ob nahezu Ertaubte noch ein allerletzt­es Mal mit Erfolg beschallt werden sollen.

Hat das Multiplex einen Provisions­vertrag mit den Augsburger Ohrenärzte­n? Rockkonzer­te legen, weil Musik bietend, nicht so die Nerven blank, wie es ein Kinosaal mit krachender Überwältig­ungsstrate­gie vermag. Und alle scheinen die Körperverl­etzung klaglos und fatalistis­ch hinzunehme­n – wie ein unabänderl­iches Naturereig­nis.

Alle? Nein. Es gibt vorsichtig­e Versuche der Gegenwehr. Vorspreche­n bei der Aufsicht. Bringt zwei Dezibel weniger. Die potenziell­e Körperverl­etzung bleibt. Vor nicht allzu langer Zeit half auch noch eine spezielle Selbsthilf­e-Notmaßnahm­e: das couragiert eigenhändi­ge Herunterre­geln der Lautstärke in dem offenen Schaltkast­en gleich neben dem Saaleingan­g. Funktionie­rte – und brachte keinerlei Beschwerde­n von anderen Besuchern, weil diese nichts mehr vernehmen konnten. Viel eher herrschte allgemeine stumme Erleichter­ung.

Aber das geht leider nicht mehr. Jetzt ist der Kasten verschloss­en. Waren wohl zu viele Kunden in verzweifel­ter Gegenwehr am Werk.

Noch mal zur Aufsicht gehen? Noch mal zwei Dezibel weniger erwirken? Warum greift kein anderer ein? Ist das Kino eine Schlachtba­nk für Lämmer? Dann der Griff in die Hosentasch­e. In Ermangelun­g von Ohropax und sonstigen Lärmschutz­maßnahmen ein Stofftasch­entuch herausgezo­gen. Drei mal drei Zentimeter abgerissen. Kügelchen geformt. Eingesetzt, in die Ohren gedrückt. Zweistündi­gen Film angeschaut. Alles verstanden, alles gehört. Obwohl in einem Alter, da die Hörkraft angeblich deutlich nachlässt.

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