Neuer ante portas
Als Hannibal sich im Zuge des zweiten Punischen Krieges zur Auswärtsbegegnung nach Rom begab, war er bestens aufgestellt: 50 000 Fußsoldaten, 9000 Reiter, 37 Elefanten. Der Karthager galt für jedes kriegerische Treffen in den Jahren 218 bis 201 v. Christus als klarer Favorit. Der Ruf, der ihm vorauseilte, war furchterregend. Es lässt sich also auch heute noch gut vorstellen, wie die Tifosi gezittert haben, als Hannibal sich Roms Toren näherte; wie die römischen Späher auf den Autostrade täglich Nachrichten in den Kaiserpalast überbrachten: Hannibal am Col de la Traversette; Hannibal campiert am Po; Hannibal ante portas.
Warum wir uns an den Karthager erinnern? Weil uns die deutsche Presseagentur seit Tagen über jeden Schritt unterrichtet, mit dem sich Manuel Neuer dem FC Bayern und der Nationalelf nähert. Zugegeben, Heimspiele verglichen mit Hannibals Auswärtspartien, aber der Weg dorthin nicht weniger dramatisch.
Montag, 12:48 Uhr, dpa meldet: „Neuer dreht Laufrunden erstmals wieder in Fußballschuhen“. Für Menschen, die keine Ahnung haben, wie wichtig Neuer für Deutschland ist, ein kleiner Schritt, für alle anderen aber ein riesengroßer.
dpa hatte vorher schon mit „Neuer wieder im Kraftraum des FC Bayern“Hoffnung geschürt. Wenige Tage später hat ihn die Agentur auf dem Rasen gesehen, wenn auch nur in Turnschuhen. Anschließend versetzte sie uns mit der Nachricht von ersten Ballkontakten in Aufruhr, allerdings noch immer in Turnschuhen. Dann wieder Neuer-Alarm – und Durchschnaufen. Kein Rückfall in Badelatschen, sondern vorwärts in Fußballtretern.
Noch sind es neun Wochen bis zur WM. Bis dahin wird noch viel passieren. Das erste Ballaufpumpen, Duschen mit der Mannschaft, das Comeback im Bayern-Restaurant. Anders als Hannibal wird es Neuer ins Tor schaffen. Der Karthager war übrigens nicht wirklich vor den Toren Roms. Er war „ad portas“also nur „bei den Toren“. Dort aber lässt sich kein Spiel gewinnen.