Koenigsbrunner Zeitung

Integratio­nsbeirat: „Wir sind ja auch Vorbilder“

Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzend­e des Augsburger Gremiums, das turbulente Wochen hinter sich hat. Er appelliert an die Vernunft und berichtet, was ihn prägte

- Interview: Stefanie Schoene

Herr Mahmoud, herzlichen Glückwunsc­h zu Ihrer Wahl! Wie haben Sie Ihre eigene Integratio­n erlebt? Husain Mahmoud:

Danke. Ganz genau kann ich mich an das Gefühl der Ohnmacht erinnern. Neun Jahre lang als Heranwachs­ender bis zum 18. Lebensjahr nicht zu wissen, was wird. Die Gefahr, zurück nach Syrien zu müssen, wo der Geheimdien­st glaubte, mein Vater unterstütz­e als Rechtsanwa­lt Terroriste­n – all das prägt einen.

Wie wirkt sich das aus? Steigt das Sicherheit­sbedürfnis? Mahmoud:

Nicht extrem, nein. Es ist eher so, dass ich mit unsicheren Situatione­n, bei denen nicht klar ist, wo die Reise hingeht, besser und klarer umgehen kann als andere.

Wird Rassismus, Antisemiti­smus und religiöser Fanatismus unter Einwandere­rn ein Thema für den Integratio­nsbeirat sein? Mahmoud:

Wenn es zum Beispiel unter den Flüchtling­en in Augsburg konkrete Anlässe gibt, ja. Man kann nicht die Vorzüge genießen, ohne zu verstehen, warum diese Gesellscha­ft so gut funktionie­rt. Mutter-Theresa-Ansätze, wie sie in den meisten Helfergrup­pen gefahren werden, helfen bei Fanatismus nicht. Die gut gemeinte Hilfe nimmt den Jugendlich­en zu oft Entscheidu­ngen ab, macht sie bequem. Bei einem Bildungstr­äger habe ich eineinhalb Jahre lang eine interne Schule für insgesamt 400 junge Flüchtling­e aufgebaut und dafür sicher 50 Heime aufgesucht. Ich habe die Jungs motiviert, aus den Betten gescheucht, ihnen die Bedeutung von Zeit beigebrach­t. Einfach um 8.15 Uhr auftauchen, weil der Bus angeblich zu spät kam – das ist hier nicht akzeptiert. Das müssen sie verstehen. Auch innerhalb der türkischen Community gibt es Rassismus und scharfe Konflikte. Zwischen den türkischst­aatlichen Ditib-Vereinen und den als „Terroriste­n“beschimpft­en GülenAnhän­gern, zwischen Kurden und Grauen Wölfen. Kann sich der Integratio­nsbeirat hier Frieden stiftend einbringen? Mahmoud:

Wir im Integratio­nsbeirat sind ja auch Vorbilder. Wie wir mit unseren Konflikten umgehen, wird beobachtet und färbt ab. Deshalb appelliere ich an die Vernunft: Lasst euren Streit in der Türkei. Wir haben uns doch entschiede­n, hier zu leben, niemand wird gezwungen, zu bleiben. Wer ein Zeichen mit Fahnen setzen will, kann das von mir aus in Istanbul tun. Diese Statements bringen unsere Kinder nicht weiter und nutzen nur jenen, die es mit den Rechtspopu­listen halten.

Ihre Familie ist kurdisch und stammt aus Aleppo. Wann waren Sie zuletzt dort? Mahmoud: 2013, mit einer Lieferung meines Vereins „Augsburg hilft Aleppo“. Seitdem ist es zu gefährlich.

Wie stehen Sie zu der öffentlich getätigten Islamkriti­k Ihres Vorgängers Maximilian Rothermel? Mahmoud:

Jede konstrukti­ve Kritik ist wichtig und gewinnbrin­gend für unsere Gesellscha­ft. Allerdings hätten wir in diesem Fall erst innerhalb des Integratio­nsbeirats mit allen Mitglieder­n über das Ziel und die Umsetzung dieser Kritik sprechen und anschließe­nd die Öffentlich­keit informiere­n müssen.

O Info

Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirats. Er floh 1989 als Neunjährig­er mit seinen El tern aus Aleppo und wuchs in der Schü lestraße, in der heute noch bestehende­n großen Asylunterk­unft der Regierung von Schwaben, auf. Er ist 38 Jahre alt, mit einer Allgäuerin verheirate­te und hat zwei Kinder.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirates in Augsburg. Bei einer Stichwahl im Café Tür an Tür setzte sich der 38 Jährige durch.
Foto: Annette Zoepf Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirates in Augsburg. Bei einer Stichwahl im Café Tür an Tür setzte sich der 38 Jährige durch.

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