Integrationsbeirat: „Wir sind ja auch Vorbilder“
Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzende des Augsburger Gremiums, das turbulente Wochen hinter sich hat. Er appelliert an die Vernunft und berichtet, was ihn prägte
Herr Mahmoud, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Wie haben Sie Ihre eigene Integration erlebt? Husain Mahmoud:
Danke. Ganz genau kann ich mich an das Gefühl der Ohnmacht erinnern. Neun Jahre lang als Heranwachsender bis zum 18. Lebensjahr nicht zu wissen, was wird. Die Gefahr, zurück nach Syrien zu müssen, wo der Geheimdienst glaubte, mein Vater unterstütze als Rechtsanwalt Terroristen – all das prägt einen.
Wie wirkt sich das aus? Steigt das Sicherheitsbedürfnis? Mahmoud:
Nicht extrem, nein. Es ist eher so, dass ich mit unsicheren Situationen, bei denen nicht klar ist, wo die Reise hingeht, besser und klarer umgehen kann als andere.
Wird Rassismus, Antisemitismus und religiöser Fanatismus unter Einwanderern ein Thema für den Integrationsbeirat sein? Mahmoud:
Wenn es zum Beispiel unter den Flüchtlingen in Augsburg konkrete Anlässe gibt, ja. Man kann nicht die Vorzüge genießen, ohne zu verstehen, warum diese Gesellschaft so gut funktioniert. Mutter-Theresa-Ansätze, wie sie in den meisten Helfergruppen gefahren werden, helfen bei Fanatismus nicht. Die gut gemeinte Hilfe nimmt den Jugendlichen zu oft Entscheidungen ab, macht sie bequem. Bei einem Bildungsträger habe ich eineinhalb Jahre lang eine interne Schule für insgesamt 400 junge Flüchtlinge aufgebaut und dafür sicher 50 Heime aufgesucht. Ich habe die Jungs motiviert, aus den Betten gescheucht, ihnen die Bedeutung von Zeit beigebracht. Einfach um 8.15 Uhr auftauchen, weil der Bus angeblich zu spät kam – das ist hier nicht akzeptiert. Das müssen sie verstehen. Auch innerhalb der türkischen Community gibt es Rassismus und scharfe Konflikte. Zwischen den türkischstaatlichen Ditib-Vereinen und den als „Terroristen“beschimpften GülenAnhängern, zwischen Kurden und Grauen Wölfen. Kann sich der Integrationsbeirat hier Frieden stiftend einbringen? Mahmoud:
Wir im Integrationsbeirat sind ja auch Vorbilder. Wie wir mit unseren Konflikten umgehen, wird beobachtet und färbt ab. Deshalb appelliere ich an die Vernunft: Lasst euren Streit in der Türkei. Wir haben uns doch entschieden, hier zu leben, niemand wird gezwungen, zu bleiben. Wer ein Zeichen mit Fahnen setzen will, kann das von mir aus in Istanbul tun. Diese Statements bringen unsere Kinder nicht weiter und nutzen nur jenen, die es mit den Rechtspopulisten halten.
Ihre Familie ist kurdisch und stammt aus Aleppo. Wann waren Sie zuletzt dort? Mahmoud: 2013, mit einer Lieferung meines Vereins „Augsburg hilft Aleppo“. Seitdem ist es zu gefährlich.
Wie stehen Sie zu der öffentlich getätigten Islamkritik Ihres Vorgängers Maximilian Rothermel? Mahmoud:
Jede konstruktive Kritik ist wichtig und gewinnbringend für unsere Gesellschaft. Allerdings hätten wir in diesem Fall erst innerhalb des Integrationsbeirats mit allen Mitgliedern über das Ziel und die Umsetzung dieser Kritik sprechen und anschließend die Öffentlichkeit informieren müssen.
O Info
Husain Mahmoud ist der neue Vorsitzende des Integrationsbeirats. Er floh 1989 als Neunjähriger mit seinen El tern aus Aleppo und wuchs in der Schü lestraße, in der heute noch bestehenden großen Asylunterkunft der Regierung von Schwaben, auf. Er ist 38 Jahre alt, mit einer Allgäuerin verheiratete und hat zwei Kinder.