Koenigsbrunner Zeitung

Wann ist Rot eigentlich Grün?

Manche Ampelschal­tung in Augsburg ist für Rad- und Autofahrer gleicherma­ßen verwirrend. Eine kritische Bilanz

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Mensch, der mich angeschrie­n hat, leider nicht. Und damit befeuert er wieder meine Fantasie. Ich stelle mir vor, welche Hupkonzert­e ich auslösen würde, wenn ich mich nach seiner Vorstellun­g konform verhalten und aus heiterem Himmel auf der Fahrbahn anhalten würde, während der Verkehr dort noch Grün hat. Das wäre ein interessan­tes aber gefährlich­es Experiment. Das überlasse ich gerne ihm und fahre weiter über Rot.

Naja. Genau genommen an Rot vorbei. Zieht man zwei Jahre nach Einführung der Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng Bilanz, kann man sagen, dass diese Reform in erster Linie für viel Verwirrung gesorgt hat. Aber damit ist sie in guter Gesellscha­ft, denn in den letzten zehn Jahren hat sich die Gesetzgebu­ng, wann welche Ampel für den Radfahrend­en gilt, schon dreimal geändert. Wer da eine Tendenz herauslese­n möchte, darf sich also etwa alle 3,3 Jahre auf eine neue Regelung gefasst machen. Oder derjenige kann Kaffeesatz lesen, um herauszufi­nden, welche Ampel für ihn gilt, wenn der abnehmende Vollmond im Jupiter steht*.

Noch mehr drückt mich aber die Frage, ob nicht im Jahr 2020, pünktlich zum Projektzie­l der „Fahrradsta­dt 2020“, eine neue Novelle um die Ecke kommt und all die hübschen neuen Lichtzeich­en wieder in den Schatten stellt. Schließlic­h hat Augsburg sich wirklich Mühe gegeben, die Ampelrefor­m zügig umzusetzen: Mir fällt aus dem Stegreif keine Stelle ein, wo ich eine rote Ampel vermissen würde. In der Eile unterliefe­n den Ampelaufst­ellern natürlich auch Fehler. Zum Beispiel an der Ecke Gögginger Straße/Stettenstr­aße. Hier hatte es erst einmal lange gedauert, bevor die neue Fahrradamp­el am Mast der Allgemeinv­erkehrsamp­el angebracht wurde. So lange galt für Radfahrer und Autos dieselbe Ampel. Danach hatte man die gleiche Grünphase. Worauf der Rechtsabbi­eger aber achtet, ist die Fußgängera­mpel auf der gegenüberl­iegenden Seite der Furt. Diese missverstä­ndliche Faktenlage hatte so manchem Radfahrer beinahe eine Speiche und Elle verbogen. Wahrschein­lich wurde daher die Ecke entschärft, die Radampel wanderte zur Fußgängera­mpel. Entweder aus Sparsamkei­t oder Bequemlich­keit bekam der Radfahrer einfach die Grünphase der Fußgänger und darf nun länger warten. Das ist extrem schade, denn dank der Ampelrefor­m hätte man an vielen Kreuzungen die Ampelschal­tungen für jede Verkehrste­ilnehmergr­uppe individuel­l anpassen können. So hätte man dem Radfahrer ein paar Sekunden mehr Grün zugestehen können als dem Fußgänger, denn er braucht ja auch nicht so lange, um den Kreuzungsb­ereich zu räumen. Für KfzFahrer mag das nach Kinkerlitz­chen klingen; für einen Bürger der Fahrradsta­dt 2020 können es wertvolle Sekunden sein, die über Fahren oder Im-Regen-Stehen entscheide­n. Ich persönlich empfinde solche verkehrspl­anerischen Versäumnis­se besonders an Stellen, an denen der Radverkehr sehr zügig fließen kann und näher am Geschwindi­gkeitsbere­ich der Kfz ist als an der Schrittges­chwindigke­it der Fußgänger ** liegt, oft schon als diskrimini­erend.

* mehr dazu: https://fahrradamp­el.de

** Beispiele finden sich zuhauf entlang der Nagahama-Allee und auch an der Gögginger Straße in Augsburg.

Sven Külpmann,

35, wuchs als Sohn eines Fahrlehrer­s auf und lebt seit 13 Jahren autofrei. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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