Kämpfende Frauen
Die Münchner Anfänge
München Wie Münchner Frauen in den Jahren 1894 bis 1933 den Kampf gegen traditionelle Rollenbilder in Familie und Gesellschaft führten, ist noch immer ein unerforschtes Kapitel der Stadtgeschichte, dem nun aber eine erhellende Ausstellung in der Monacensia gewidmet wird. Sie präsentiert die „Frontfrauen“der bürgerlichen Frauenbewegung in Bayern: unkonventionell im Lebensstil, meist aus hoch gebildeten Familien, selbst als Schriftstellerinnen beziehungsweise Künstlerinnen tätig.
Keimzelle war ein „Verein zur Förderung der geistigen Interessen der Frau“, aus dem bald eine Organisation für Fraueninteressen hervorging. Das Alleinstellungsmerkmal: Der Verein hatte aktive männliche Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst, darunter Ernst von Wolzogen und Rainer Maria Rilke, die sich öffentlich für Frauenrechte einsetzten.
Ein gutes Dutzend der beteiligten Frauen wird nun mit lebensgroßen Porträts, abenteuerlichen Biografien, ihrer Malerei und Keramik, persönlichen Erinnerungsstücken, besonders aber ihren literarischen Werken vorgestellt. Stapel von Romanen geben Zeugnis davon, dass Autorinnen nicht nur bei renommierten Verlagen wie S.Fischer publizierten, sondern europaweit gelesene Erfolgsautorinnen waren wie beispielsweise Carry Brachvogel. Ihr Ausspruch „Modern sein heißt für die Frau ein eigenes Gesetz in der Brust tragen“bildet das Motto der Monacensia-Schau.
Das legendäre „Fotoatelier Elvira“mit dem Jugendstil-Drachen von August Endell an der Front war zunächst subversiver Frauen-Treff, bald aber schon gesellschaftliche InLocation für die intellektuelle StadtElite. Besonders, da es von Anita Augspurg und ihrer Lebensgefährtin gegründet worden war. Die beiden Frauenrechtlerinnen forderten das Recht auf Bildung, Selbstbestimmung, Erwerbstätigkeit und – damals schon – gleiche Bezahlung. Dafür traten sie und ihre Mitstreiterinnen nicht nur in München, sondern auch in bayerischen Städten und Dörfern auf. Carry Brachvogel, Emma Merk, Marie Haushofer, die zugereisten Helene Böhlau und Emmy von Egidy bildeten die Speerspitze der Frauenbewegung, beschrieben das Ehefrau-Dasein und wurden immer mutiger in Forderungen und Kritik.
Anita Augspurg, Verfasserin auch einer Nationalhymne, radikalisierte sich zunehmend und verließ die Stadt. Als erste promovierte Juristin Deutschlands kämpfte sie später im Ausland weiter. Ihr Werdegang wird deshalb separat aufgerollt, während das Schicksal der meisten schreibenden Frauenrechtlerinnen 1933 besiegelt war: Schreib- oder Publikationsverbot; bei der Jüdin Brachvogel die Deportation nach Theresienstadt. Das neue Frauenideal war die deutsche Mutter – der Rest ist bekannt.
Es ist der scheidenden Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek und ihrer Kuratorin Ingvild Richardsen zu verdanken, dass die ersten Frauenrechtlerinnen auch als experimentelle, innovative und originelle Schriftstellerinnen wieder zu entdecken sind. Ihr Fazit: „Noch immer ist die deutsche Literaturgeschichte männlich dominiert. Und von Männern geschrieben.“
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Ausstellung in der Monacensia im Hildebrandhaus, Maria Theresia Str. 23: bis 16. September. Öffnungszeiten: Mo. bis Mi. sowie Fr. von 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr, Do. von 12 bis 19 Uhr, Sa./So. von 11 bis 18 Uhr