Unterhaltung in Sicht: Unterwegs auf dem größten Kreuzfahrtschiff der Welt
Testfahrt Eine gigantische Spaßwelt für 6680 Passagiere – mit Monsterrutsche und Einkaufszeile. Wer darauf eincheckt, vermisst nur eines: das Schiffsgefühl /
Ein Blick nach unten. Ein lauter Schrei. Völlige Orientierungslosigkeit auf dem Weg zehn Decks nach unten. Die lila angemalte, 46 Meter lange Extrem-Rutsche namens Abyss mit dem monsterartigen Kopf liegt nicht in einem Freizeitpark. Sie ist ein Wahrzeichen des nun größten Kreuzfahrtschiffes der Welt: der „Symphony of the Seas“.
2759 Kabinen, Platz für 6680 Gäste,
16 zugängliche Decks. Ein bisschen mulmig wird es einem bei dem Gedanken, auf einem solch riesigen Schiff die nächsten Tage zu verbringen. Kabine an Kabine, Liege an Liege, Tisch an Tisch. Die kurze Einweihungs-Fahrt führt von Malaga nach Barcelona, von dort aus wird die „Symphony of the Seas“Passagiere auf die ersten Fahrten im Mittelmeerraum bringen.
Am Hafen von Malaga beginnt die Reise. Royal Caribbean hätte sich keinen besseren Tag für die Testfahrt ihres viel beachteten Kreuzfahrtdampfers mit Journalisten und ausgesuchten Gästen auswählen können. Der Himmel ist blau, die Sonne knallt, aus den Lautsprechern tönt in schallender Lautstärke Musik der amerikanischen Popsängerin Ariana Grande. Der Eingang noch vor dem Check-In gleicht einer Hotellobby, alle Mitarbeiter lächeln, manche tanzen sogar zur Musik. Gute Laune, ob aufgesetzt oder echt, strahlt einem überall entgegen. Der Check-In dann wie an einem Flughafen: Gürtel aus, Elektrogeräte raus, ab durch die Sicherheitsschleuse. Schlange stehen muss man hier nicht – der zeitliche Korridor für den Check-In streckt über mehrere Stunden. Ein Tunnel führt direkt auf Deck 5 – drinnen dann der erste Blick aufs Bordticket: Wo ist die Kabine? Deck 11, ab zu den Aufzügen. Und schnell wird sich zeigen: Dieses Schiff ist nichts für Orientierungslose.
Schon wenige Minuten an Bord reichen und ein Wort schießt in den Kopf: schwimmender Freizeitpark. Minigolf, ein Surfsimulator, Lasertag, edle Geschäfte, Promenaden, Cocktailbars, ein Casino, Theater und, und und… Fehlt nur noch die Achterbahn. Verrückt, was die „Symphony of the Seas“ihren Passagieren hier bietet. Es passt aber zum Trend, den die Kreuzfahrt momentan nimmt: Die schwimmenden Resorts werden immer größer, das Schiff selbst ist das Reiseziel. Die Symphony of the Seas ist bereits das
25. Schiff von Royal Caribbean. „Wir wollen mit ihr die Millennials und Leute erreichen, die noch nie auf Kreuzfahrt waren“, sagt Michael Bayley, Präsident der Reederei. Die „Millennials“sind Menschen, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden und mit Unterhaltung auf allen Kanälen aufgewachsen sind. Hört man Bayley zu, wird eine Tendenz klar: Die Orte, die das Schiff ansteuert, werden immer unwichtiger. „Dieses Schiff macht einfach verdammt viel Spaß“, sagt Bayley.
An Spaß ist am Anfang der kurzen Reise nach Barcelona nicht zu denken. Die erste Herausforderung: Kabine finden. Der Gang auf Deck
11 ist lang, schier endlos, immer wieder schlängelt man sich vorbei an Putzwagen und freundlichen Mitar- beitern mit Putzlappen in der Hand. Der Teppich riecht neu, ein stechender Geruch, der hängen bleibt. An den Wänden hängen Kunstwerke. Nach Angaben von Royal Caribbean hat das Schiff mehr Kunstwerke als der Louvre in Paris. Aber wie im Museum fühlt man sich angesichts der wahllosen Anordnung der Bilder und Skulpturen nicht.
Rein ins Zimmer. Kurz den schönen Blick vom Balkon aufs Meer registriert. Aber viel Zeit werden die wenigsten Passagiere im Zimmer verbringen. Der erste Weg führt nach oben aufs Außendeck, zu den 23 Pools, den Wasserrutschen und dem Surf-Simulator, von dem alle sprechen. Eine karibische Band spielt, die Musik ist dröhnend laut, versetzt einen aber mit einem Mal in Urlaubsstimmung. An die Beschallung von allen Seiten muss man sich gewöhnen. Außerdem: Blaue, noch leere Liegen, so weit das Auge reicht. Wenn das Schiff richtig voll ist, könnte das eng und beklemmend werden, doch auf dieser Reise sind nur 1000 Passagiere an Bord. Von oben noch kurz den Blick auf Malaga genießen, Abfahrt ist erst um 22 Uhr.
Zeit, etwas zu essen. Ein kurzer Blick auf den Lageplan vor den Aufzügen hilft. Dieses Schiff ist nicht nur für orientierungslose, sondern auch für entscheidungsschwache Menschen eine Herausforderung. Mexikanisch, italienisch, Meeresfrüchte, Hotdogs, Fast Food, aus fast 20 Restaurants kann man hier wählen. Über 40 Brotsorten gibt es in den Gastronomien auf dem Schiff, auf einer siebentägigen Fahrt wersich den den Gästen 60 000 Eier, 6800 Kilogramm Rindfleisch und über 300 Kilogramm Eis serviert. 124 Cocktails stehen auf der Getränkekarte. Im neuen mexikanischen Restaurant „El Loco“fällt zwischen Burritos und Fajitas der Blick auf ein Schild: „No straws“, keine Strohhalme. Royal Caribbean rühmt sich damit, keine Plastik-Strohhalme mehr an Bord anzubieten.
Auch ein eigenes Recycling-System gibt es auf dem Schiff. Man gibt sich umweltbewusst bei Royal Caribbean. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die „Symphony of the Seas“weiterhin mit Schweröl fährt, obwohl es längst umweltfreundlichere Alternativen gäbe. Eine Umstellung auf das Flüssiggas LNG soll frühestens ab 2022 kommen.
Plötzlich eine laute Durchsage des Kapitäns. Sicherheitsübung, alle in die Sicherheitskorridore. Über die Übung wird später noch diskutiert. Denn anstatt eines Videos oder einer Vorführung mit Erklärungen, wie man sich im Notfall verhält, folgt ein Film in bester James-BondManier: Die Sicherheitshinweise darin sind mehr als versteckt, danach weiß man noch nicht einmal, wo genau die Rettungsboote sind. Selbst bei der Sicherheit scheint „Entertainment first“(dt.: Unterhaltung zuerst) vorzugehen.
Langsam geht draußen die Sonne unter. Der neue Lieblingsplatz ist schnell gefunden: die Whirlpools auf Deck 16. Blubberblasen an. Entspannung pur. An diesem Ort kommt man schnell mit den anderen Passagieren ins Gespräch. „Wunderbar“sei es hier, finden französische Gäste, andere Kreuzfahrtlinien könnten einpacken im Vergleich zu dem, was hier geboten werde. Aber hilft viel immer viel? Dem amerikanischen Zielpublikum wird’s wahrscheinlich gefallen. Bei anderen könnte das Angebot zu einer Art Freizeitstress führen. Allein das Abendprogramm: In verschiedenen Locations kann man an diesem Abend zwischen einer Eiskunstlaufshow, einer „Silent Party“(Disco mit Kopfhörern), einer CoverBand, Karaoke und einer Comedyshow wählen. Das kann so überfordern, dass man als Reisender über dem Programm einschläft und die Shows verpasst.
Am nächsten Tag dann das Dilemma von Neuem: Einfach am Pool entspannen oder das Freizeitangebot testen? Der Weg führt in die Lasertag-Arena, die es noch auf keinem anderen Schiff der Royal Caribbean gibt. Faszinierend ist, wie schnell auf der Symphony of the Seas Dinge improvisiert werden können. Wo davor noch die Generalprobe der Eiskunstlaufshow war, ist in Windeseile eine Lasertag-Arena in Hüpfburg-Manier aufgeblasen. Das Spiel bringt Spaß, lässt einen inmitten von dunklen Wänden, Aliens und Laserpistolen in andere Sphären abtauchen. Nach Zipline und Extrem-Rutsche ist der Spaßfaktor dann aber auch gesättigt. Ein Ort der Entschleunigung muss her.
Und den findet man im Central Park auf Deck 8. Wie in einem Innenhof kann man hier an Pflanzen und Restaurants gemütlich vorbeischlendern. Angeblich wachsen hier 12000 Pflanzen. Das Vogelgezwitscher ist künstlich, entspannt aber. Wie an vielen Orten auf der „Symphony of the Seas“fühlt man sich hier nicht wie auf einem Schiff. Dass wir uns fortbewegen, merkt man nur an den Kleiderbügeln in der Kabine, die manchmal wackeln und klirren. Das Meer sieht man nur von ganz oben an den Pools auf Deck 16.
Einer der letzten Wege auf dieser kurzen Reise führt zur Einkaufszeile „Royal Promenade“. Auf der Promenade werden teurer Schmuck, Souvenirs, Kosmetika feilgeboten. Hier zu bummeln, fühlt sich an wie in einem riesigen Luxus-Shoppingcenter. Dieses Schiff ist eine Kleinstadt. Und tatsächlich begegnet man immer wieder den gleichen Menschen, der Starbucks-Verkäufer erkennt einen, nickt freundlich.
Am nächsten Morgen, als der Hafen von Barcelona und damit das Ende der Reise schon in Sicht ist, kommt zwar etwas Wehmut auf. Aber irgendwie auch Vorfreude darauf, wieder in die Realität einzutauchen. Denn die Symphony of the Seas ist eine Kunstwelt, die überfordern kann. Man ist satt. Hat sich sowohl satt gegessen als auch sattgesehen. Nach dem Check-out in einer Schalterhalle dann ein letzter Blick zurück, ein letzter Schnappschuss von diesem Schiff, das eine Kamera nur schwer ganz einfangen kann. An Land angekommen, wirkt diese Erfahrung schnell surreal.
Sicherheitshinweise im Stil von James Bond