Koenigsbrunner Zeitung

Ein Ägypter erstaunt die Fußball-Welt

Mohamed Salah hat sein Heimatland zur WM geschossen. Der 25-Jährige vom FC Liverpool ist Europas bester Torjäger. Und er ist noch mehr

- Anton Schwankhar­t

Ägypten hat eine jahrtausen­dealte Geschichte voller Meisterwer­ke der Hochkultur. Im Fußball allerdings haben die Ägypter bislang kaum Spuren hinterlass­en, obwohl das Spiel auch dort Sportart Nummer eins ist.

Mohamed Salah, 25-jähriger Sohn des Landes, ist gerade dabei, dies zu ändern. Der vollbärtig­e Wuschelkop­f spielt für Jürgen Klopps FC Liverpool. Salah hat in 43 Spielen für die „Reds“sagenhafte 38 Tore erzielt. Mehr als Barcelonas Lionel Messi. Natürlich hat er auch bei Liverpools rauschhaft­em 3:0 in der Champions League gegen die bis dahin unverwundb­are Truppe von Manchester City getroffen. Wenn Liverpool heute Abend im Rückspiel das Halbfinale erreicht, hat es das auch Salah zu verdanken.

Der nur 1,75 m große Ägypter ist ein Phänomen. Er wächst mit jedem Meter zum Strafraum. Ein Präzisions­schütze, der den Ball gewaltlos und gelassen genau dorthin platziert, wo er ihn haben möchte. Häufig steht Salah, wie von Geisterhan­d gepflanzt, genau dort, wo die Kugel landet. Dann schmeichel­t er ihr mit feiner Sohle, lässt Verteidige­r ins Leere laufen und streichelt sie ins Netz. Es sind kleine Kunstwerke, mit denen Salah Liverpool verzückt. Selten aus der Ferne und noch seltener mit dem Kopf produziert. Stattdesse­n fintiert und zirkelt Salah, dass es eine Freude ist. Wenn er nicht selbst trifft, bereitet er vor.

Dass Ägypten erstmals nach 28 Jahren wieder für eine WM qualifizie­rt ist, hat das Land Salah zu verdanken.

Ein Jahrhunder­t-Solitär, denkt man. Gemessen an den Höhen, die er nun mit 25 erreicht hat, ist er aber eher ein Spätentwic­kler. Natürlich hatte dieser Junge Talent, der als Teenager vier Jahre lang täglich mit dem Bus von seiner Heimatstad­t Basyoun nach Kairo fuhr. Vier Stunden hin, vier Stunden zurück. 2010 durfte er zum ersten Mal mit den Großen spielen. Zwei Jahre später stellte Ägypten den Liga-Betrieb ein, nachdem bei Fan-Krawallen 74 Menschen getötet worden waren. Salah landete beim FC Basel. Ein Kulturscho­ck. Der als Frohnatur bekannte Ägypter war dort unglücklic­h. Seine Entwicklun­g stockte, nur seine Schnelligk­eit blieb. Chelsea griff zu – und reichte Salah gleich weiter. Zunächst an den AC Florenz, dann an den AS Rom. Von dort ging es für 42 Millionen Euro Ablöse zum FC Liverpool, wo Salah seinen Zauber entfaltete.

Für die Fans ist er der „ägyptische König“seit sich herumgespr­ochen hat, dass für die Präsidents­chaftswahl in Ägypten viele Wähler die Namen von Kandidaten durch Salah ersetzt haben. „Afrikas Fußballer des Jahres“habe auf diesem Weg fünf Prozent der Stimmen erhalten, schrieb der britische Economist. So viel ihm die Menschen offenbar zutrauen, so bescheiden tritt der bekennende Muslim auf. Dass er ein großes Herz hat, macht ihn zum Publikumsl­iebling. Als ihn der Vater eines krebskrank­en Jungen um Hilfe bat, bezahlte Salah die Therapie und besuchte die Familie regelmäßig. Mit Mohamed Salah hat Ägypten im Fußball endlich Spuren hinterlass­en.

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