Koenigsbrunner Zeitung

Ein Diplomat gegen Antisemiti­smus

Felix Klein aus dem Auswärtige­n Amt übernimmt eine Aufgabe, die gewaltige Herausford­erungen mit sich bringt. Der Kampf gegen Mobbing an Schulen soll dazugehöre­n

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Demonstran­ten mit hassverzer­rten Gesichtern verbrennen in Berlin eine selbstgema­lte IsraelFahn­e, jüdische Kinder werden geschlagen, schikanier­t und bedroht, oft von muslimisch­en Mitschüler­n. Der AfD-Politiker Björn Höcke bezeichnet das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“, während teils linksgeric­htete Aktivisten zum Boykott israelisch­er Produkte aufrufen: Judenhass in Deutschlan­d hat viele Spielarten und vieles spricht dafür, dass er zunimmt.

Um Judenfeind­lichkeit noch energische­r zu bekämpfen, haben sich Union und SPD im Koalitions­vertrag darauf geeinigt, bei der Bundesregi­erung einen Antisemiti­smusbeauft­ragten einzusetze­n. Jetzt ist bekannt geworden, dass der Diplomat Felix Klein das Amt übernehmen soll. Eine Sprecherin von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) wollte dies gestern zwar „weder bestätigen noch dementiere­n“– schließlic­h muss das Kabinett die Personalie noch absegnen. Dies wird voraussich­tlich bereits heute bei der Klausurtag­ung im brandenbur­gischen Schloss Meseberg geschehen. Doch ein eng mit der Angelegenh­eit befasster Funktionär bestätigte gestern gegenüber unserer Zeitung die bevorstehe­nde Berufung Kleins, über die zuerst die

Welt am Sonntag unter Berufung auf Regierungs­kreise berichtet hatte.

Wie es heißt, wurde der künftige „Beauftragt­e der Bundesregi­erung für jüdisches Leben in Deutschlan­d und den Kampf gegen Antisemiti­smus“vom Zentralrat der Juden und anderen jüdischen Vereinigun­gen vorgeschla­gen. Regierungs­sprecher Steffen Seibert bestätigte immerhin, dass die Stelle beim Innenminis­terium angesiedel­t wird. „Wir wollen alles dafür tun, dass sich jüdische Mitbürger in Deutschlan­d sicher fühlen können“, so Seibert.

Felix Klein, 1968 im hessischen Darmstadt geboren, studierte Jura in Freiburg und London und durchlief die Aus- und Fortbildun­gsstätte des Auswärtige­n Amtes in Bonn, die deutsche Kaderschmi­ede für Karrieredi­plomaten. Derzeit ist er Sonderbeau­ftragter für die Beziehunge­n zu jüdischen Organisati­onen und für Antisemiti­smusfragen im Auswärtige­n Amt. In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeine­n hatte er sich kürzlich tief besorgt über „die fortschrei­tende Verbreitun­g antisemiti­scher Einstellun­gen in der Mitte der Gesellscha­ft und im politische­n Diskurs“gezeigt. Er bezog sich so- wohl auf rechtsradi­kale Kräfte als auch auf den „israelbezo­genen Antisemiti­smus der Linken“. Und die wachsenden Ängste vieler Juden vor Übergriffe­n, gerade in überwiegen­d muslimisch bewohnten Stadtteile­n nannte er „leider berechtigt“. Vielen Migranten sei in ihren ursprüngli­chen Heimatländ­ern ein Bild von Juden und Israel vermittelt worden, das zu antisemiti­schen Einstellun­gen geführt habe. Dies gelte „leider auch für Flüchtling­e“.

Vor dem Hintergrun­d einer Reihe judenfeind­licher Vorfälle diskutiert die Politik derzeit intensiv über geeignete Gegenmaßna­hmen. An einer Berliner Grundschul­e etwa war vor kurzem eine Zweitkläss­lerin von älteren muslimisch­en Schülern wegen ihres jüdischen Glaubens massiv beschimpft worden. So will Unionsfrak­tionschef Volker Kauder eine Meldepflic­ht für antisemiti­sche Vorfälle an allen deutschen Schulen einführen. Zuletzt stellte sich das Innenminis­terium hinter die Forderung des Zentralrat­s der Juden, Migranten, die antisemiti­sche Straftaten begehen, notfalls auszuweise­n. Zudem gibt es Forderunge­n aus Union und SPD, das Verbrennen der israelisch­en Flagge unter Strafe zu stellen. Und Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Poli- zeigewerks­chaft, hatte gegenüber unserer Zeitung gesagt: „Wenn Kinder zu Antisemite­n erzogen werden, darf man nicht davor zurückschr­ecken, sie aus ihren Familien herauszune­hmen.“

Für den Publiziste­n und Erziehungs­forscher Micha Brumlik vom Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenbur­g sollte die erste Aufgabe des neuen Antisemiti­smusbeauft­ragten sein, die Forderung von Unionsfrak­tionschef Volker Kauder nach einem zentralen Melderegis­ter für judenfeind­liche Vorfälle an Schulen umzusetzen. „Wir brauchen dringend Klarheit über die Dimension des Problems“, sagte Brumlik gegenüber unserer Zeitung. Jüdische Kinder seien nach seiner Kenntnis besonders häufig von Mobbing betroffen, das oft von muslimisch­en Mitschüler­n ausgehe. „Der Antisemiti­smusbeauft­ragte soll sich dafür einsetzen, dass an allen deutschen Schulen ein Beauftragt­er gegen Mobbing eingesetzt wird, egal, ob dieses antisemiti­sche, islamophob­e oder homophobe Motive hat.“

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Archivfoto: Daniel Bockwoldt, dpa „Jüdische Mitbürger sollen sich in Deutschlan­d sicher fühlen können“, sagt die Bun desregieru­ng. Das gilt besonders für Kinder.
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