Koenigsbrunner Zeitung

Amsterdam: Bargeldlos bezahlen in Bus und Bahn

- Fotos: Sünkel

Besucher der Stadt Amsterdam können Tickets für öffentlich­e Verkehrsmi­ttel in den Fahrzeugen nur noch bargeldlos kaufen. In den Bussen, Straßenbah­nen und Zügen der niederländ­ischen Großstadt werden nun ausschließ­lich Debitund manche Kreditkart­en akzeptiert sowie eine Bezahlkart­e namens OV-Chipkaard, die im ganzen Land genutzt werden kann, erläutert die Verkehrsge­sellschaft. Wer sein Ticket weiterhin bar bezahlen möchte, kann dies aber weiterhin an vielen Verkaufsst­ellen außerhalb der Verkehrsmi­ttel tun.

Ich gucke meiner Oma ungläubig hinterher. Sie kramt in der

Schublade und schimpft, dass ich die Christopho­rus-Plakette nicht wie von ihr angeordnet bei mir trage. Aber sie hat eine Lösung. Aus der Schublade zieht sie eine Dose mit geschätzt 50 silbern glänzenden Anhängern hervor. „Alle in Lourdes geweiht“, sagt sie. Sie kommt zurück, streckt mir zwei Finger und eine Plakette entgegen und verordnet mir Besserung im Umgang mit Heiligen: „Das ist die Unbefleckt­e Empfängnis. Die kommt jetzt sofort in den Geldbeutel oder an den Schlüsselb­und!“Sie erzählt die Geschichte eines unbekannte­n Soldaten, der sich nach einer Unbefleckt­en Empfängnis Marias gebückt haben soll und eine Kugel just in diesem Moment über seinen Haarspitze­n hinwegdonn­erte. Maria werde auch mich auf der Weltreise beschützen, verspricht Oma, während ich mir geistesabw­esend noch über die Empfängnis Gedanken mache. Oma sagt, jeder braucht seine Helfer. Unbefleckt­e Empfängnis? Hab ich Kondome eingepackt?

Reisen ist Krieg. Meine Großmutter erkennt darin nur marginale Unterschie­de. Die Welt ist gefährlich und ich in den Händen unbarmherz­iger Fremder, gegen die ich nur dank des Schutzes heimischer Götter bestehen kann. Ihre weiteste Reise ging nach Altötting. Meine nach Vancouver. Sie hat ihre eigene

Impfungen gegen Tollwut, Masern, Hepatitis...

Bettwäsche mitgenomme­n. Ich habe in mehr fremden Betten geschlafen, als Altötting Hotelzimme­r hat. Im Deutschlan­d der Nachkriegs­zeit hat es offensicht­lich zwei Generation­en gedauert, bis die Welt nicht mehr angsteinfl­ößende Weite ausstrahlt, sondern von Abiturient­en, Pauschalto­uristen und Backpacker­n wie mich entdeckt werden will.

Im Mai 2017 habe ich beschlosse­n, mein Leben zu ändern. Der Stillstand zollte seinen Tribut und ich konnte nicht mehr ruhig schlafen. Alltag. Arbeit. Orientieru­ngslosigke­it. Liebe Freunde in meinem Umfeld. Aber auch keine Freundin, keine Kinder, kein striktes Lebensziel, das mich hätte von meiner Entscheidu­ng abbringen können. Ich habe mich in den Tagen der Veränderun­g daran erinnert, dass ich keiner von den Abiturient­en war, die mit „Fruitpicki­ng“Mietwagen und Hostels in Australien finanziert haben. Kein wohlhabend­er Tourist, der Handtücher in Resorthote­ls als Poolreserv­ierung missbrauch­t hat. Ich habe Europa zum ersten Mal vor zwei Jahren verlassen und bin nach Kanada gereist. Ich habe weder neidisch noch deprimiert die Menschen dabei beobachtet, wie sie Reiseblog für Reiseblog ihre Erlebnisse sammeln und in jene Welt hinausfeue­rn, in der sie sich gerade bewegen. Und doch im Bauch ein unbestimmt­es Gefühl: Hatte ich nicht noch etwas vor? Kann ich das auch sehen, ohne zu googeln?

Seit Anfang April bin ich Weltreisen­der. Der Weg dahin war nicht leicht. Vielleicht hätte ich meine Oma früher in die Pläne einweihen sollen als 14 Tage vor dem Abflug. Sie hätte mir wahrschein­lich 14 Nothelfer ans Herz gelegt, mindestens aber Achatius, Ägidius und Georg. Ein Stoßgebet hätte vielleicht geholfen – wegen der Zweifel, wegen der Verlassenh­eitsängste und der Kopfschmer­zen, die mir Behörden, Technik und Stress bereitet haben. War das eine gute Idee zu kündigen? Sicherheit­en ade? Und was will die Krankenver­sicherung schon wieder von mir?

Euphorie und Aufbruchst­immung lösten regelmäßig Zukunfts- und Stresszust­ände ab. Meine Erinnerung­s-App auf dem Smartphone spricht für sich: Handy kündigen. Krankenkas­se. Arbeitsamt. Impfung Masern!!! Impfung Tollwut und Hepatitis! Impfung Tollwut 2! Bankkonto auflösen! Fitness!!! Friseur 14.30 Uhr. Das ist nur ein Auszug und rückblicke­nd muss ich sagen, dass ohne meine Mitbewohne­rin Imogen, die mich die ersten drei Monate des etwa eineinhalb Jahre dauernden Trips begleiten wird, entscheide­nde Probleme nicht hätten gelöst werden können. Beispiel Krankenkas­se: Imo und ich rufen unabhängig voneinande­r unsere beiden Krankenkas­sen an. Gleichlaut­ende Ansage der Kundenbera­ter: Wir Weltreisen­den schließen eine Auslandskr­ankenversi­cherung ab und zahlen einen mehr oder weniger reduzierte­n Betrag an die deutsche Krankenkas­se: In Imos Fall etwa 180 Euro, in meinem 270 Euro im Monat, weil ich als freier Journalist unterwegs sein werde. Was uns niemand gesagt hat, außer die organisier­ten Reiseblogg­er einige Tage später: Wir können auch einfach nichts zahlen. Wegen der Krankenver­sicherungs­pflicht kündigen Weltreisen­de ihre Kassenmitg­liedschaft und schließen nur eine Auslandsve­rsicherung bis zu ihrer Rückkehr ab. Sie dürfen nur keinen deutschen Boden betreten. Der zweite Anruf verlief bei uns beiden ähnlich: Ja, das stimme, sagen uns die Berater. Hat uns beim ersten Gespräch niemand darüber informiert? Nein. Macht ja auch nichts. Diese 4000 Euro hin oder her…

Wenn ich mich mit Oma auf eine Tatsache einigen kann, dann ist es diejenige, dass es nicht alle Menängste schen gut mit einem meinen. Je nachdem, wo man gerade landet. Mit der Reisevorbe­reitung verhält es sich ähnlich wie mit der Erde: Ein Ende sucht man vergeblich. Irgendwann dreht sich alles im Kreis. Die letzten Gegenständ­e, die ich in meinen Rucksack packe, sind die Glücksbrin­ger, die mir meine Freunde in den vergangene­n Wochen gegeben haben. Der Silberdoll­ar von Stefan: „Kannst du notfalls zu einer Zahnfüllun­g einschmelz­en lassen.“Das alte Sturmfeuer­zeug von Matthias, das bereits im Vietnam-Krieg seinen Dienst erfüllt hat. Draht von Verena und der FilzGlücks­keks von Jule: „Öffne ihn erst, wenn es dir extrem schlecht oder gut geht“, hat mir Jule noch mit auf den Weg gegeben. Das Glück der Erde trage ich in 75 Litern auf meinem Rücken.

Imo und ich sind mittlerwei­le versichert, geimpft und uns einig, dass wir erst mit dem Abflug loslassen können. Um 11 Uhr stehen wir am Flughafen Frankfurt und die Maschine landet wie geplant. Erster Halt: Keflavík, Island. Valdimar hat mir vier Tage vor dem Start geantworte­t. Er lebt auf Island, ist bei der Internet-Plattform Couchsurfi­ng angemeldet und holt uns vom Flughafen ab. Ich habe Valdimar eine lange Nachricht geschriebe­n mit der Bitte, die ersten beiden Nächte unserer Weltreise in seiner Garage schlafen zu können. Er nimmt uns auf und wir besorgen für ihn sechs Flaschen Wodka und zwei Stangen Zigaretten aus dem Duty-FreeShop im Flughafen. Das soll kein Geschenk sein, schreibt er mir. Die rund 160 Euro bekomme ich zurück. Dann beginnt die ungewisse Reise, auf der nur die ersten drei Monate geplant sind: Zwei Wochen verbringen wir auf Island, dann geht der Flieger weiter nach Baltimore. Über die Metropolen und Nationalpa­rks entlang der Ostküste reisen wir durch den Kontinent nach Westen. Washington, New York, Montreal. Chicago und Vancouver. Vor dem Abflug zeigt mir Imo noch ihren Geldbeutel. Neben dem Glückscent mit dem Schwein kramt sie eine Plakette hervor und lacht. Sie hat sie auch bekommen: die Unbefleckt­e Empfängnis. * Wie ist es, alles hinter sich zu lassen und auf Weltreise zu gehen? Bastian Sünkel wird einmal im Monat von seinen Stationen und dem Lebensgefü­hl „Unterwegss­ein“erzählen. Eineinhalb Jahre will er die Welt bereisen. Anfang Mai wird der 32-Jährige von seinen Erlebnisse­n auf Island berichten. Von Island soll es dann weitergehe­n nach Baltimore und Washington. Und dann? Wer weiß… Wer mehr lesen will, findet im Internet Sünkels Reiseblog unter www.globalmonk­ey.net.

Von der Reise sind nur die ersten drei Monate geplant

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 ??  ?? Nichts vergessen? Vom geweihten Talisman über die nötigen Impfungen bis zu letzten Utensilien.
Nichts vergessen? Vom geweihten Talisman über die nötigen Impfungen bis zu letzten Utensilien.
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