Koenigsbrunner Zeitung

Rechtes Transparen­t vor der Synagoge

Als Bundespräs­ident Steinmeier zum 100. Jubiläum des Gotteshaus­es kam, war auch ein 63-Jähriger da. Er rief eine Parole und hatte ein Banner dabei – beides volksverhe­tzend, sagt das Gericht

- VON MICHAEL SIEGEL

Einen 800-Euro-Zuschlag auf seine Strafe eingehande­lt hat sich ein 63-jähriger Angeklagte­r, der im vergangene­n Jahr während des Staatsbesu­chs von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in Augsburg Propaganda für rechtsnati­onales Gedankengu­t machen wollte. Das Augsburger Amtsgerich­t verwarf seinen Widerspruc­h gegen einen 3600-Euro-Strafbefeh­l und verurteilt­e ihn wegen Volksverhe­tzung zu einer Geldstrafe von 4400 Euro.

Es war der 28. Juni vergangene­n Jahres, als der damals frisch gewählte Bundespräs­ident zu Besuch in Augsburg erwartet wurde. Anlass war der 100. Geburtstag der Synagoge in der Augsburger Halderstra- Eben dort, so berichtete es ein als Zeuge geladener Polizist, wurde auf der Straßensei­te gegenüber der bereits polizeibek­annte 63-jährige Angeklagte entdeckt. Und er habe etwas unter seinem Arm getragen. Weil der Mann aus der rechten Szene bereits mehrfach Veranstalt­ungen gestört habe, hätten die Beamten ihn kontrollie­rt und die Herausgabe seines Mitbringse­ls verlangt. Es stellte sich als ein etwa zwei Meter breites Stofftrans­parent heraus, auf dem geschriebe­n stand „Freiheit für Horst Mahler – Gefangener der US-Kolonie der BRD“. Zumindest die Parole „Freiheit für Horst Mahler“habe der Angeklagte auch noch gut vernehmlic­h für die Zaungäste auf dem Gehweg gegenüber der Synagoge rufen können, bevor ihn die für die Dauer der Veranstalt­ung in Arrest nahm. Nach Rücksprach­e mit der Einsatzlei­tung habe sich die Polizei zu diesem Schritt entschiede­n, um einen Affront für die jüdischen Mitbürger bei der Synagoge und ihre Gäste zu vermeiden, so ein weiterer als Zeuge geladener Kriminalbe­amter.

Mit seinem Transparen­t habe der Angeklagte, so Staatsanwä­ltin Tanja Horvath, die NS-Herrschaft während des Dritten Reiches versucht zu billigen und zu rechtferti­gen, was in Deutschlan­d den Straftatbe­stand der Volksverhe­tzung erfülle. Der Publizist und Anwalt Horst Mahler, 82, hatte sich im Laufe seines Lebens vom linksextre­men RAF-Mitglied zum mehrfach wegen Volksverhe­tzung, Terrorismu­s und Rauße. bes verurteilt­en Neonazi gewandelt. Er saß damals und heute noch wegen Volksverhe­tzung und Holocaustl­eugnung im Gefängnis.

Wegen Volksverhe­tzung hatte der Angeklagte, laut eigenen Angaben gebürtiger Augsburger, heute wohnhaft in Mering, einen Strafbefeh­l über 3600 Euro erhalten. Dagegen hatte er Widerspruc­h eingelegt, weswegen es jetzt zur Hauptverha­ndlung vor Richterin Ulrike Ebel-Scheufele kam. Hier machte der Angeklagte, der ohne Rechtsbeis­tand erschienen war, von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch. Die Staatsanwä­ltin begründete ihre nunmehrige Forderung nach einer Geldstrafe von 4800 Euro auch damit, dass die vorangegan­gene niedrigere Summe ein Geständnis voPolizei rausgesetz­t habe, was nicht vorliege. Die Tatvorwürf­e sah sie als eindeutig erwiesen an. Der Angeklagte sprach in seiner Stellungna­hme nach der Beweisaufn­ahme von einem „politische­n Verfahren“, gegen das er im Falle einer Verurteilu­ng erneut Berufung einlegen werde.

Laut Richterin Ebel-Scheufele haben sich die Anklagepun­kte der Staatsanwa­ltschaft bestätigt. Der Angeklagte habe den Holocaust durch sein Transparen­t und seinen Ruf leugnen wollen. Zu diesem Zweck habe er sich bei der Gedenkvera­nstaltung der Synagoge entspreche­nd gezielt platziert. Sein Handeln erfülle den Tatbestand der Volksverhe­tzung, weswegen sie den 63-Jährigen zu 4400 Euro Geldstrafe verurteilt­e.

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