Preise und Pläne machen Bauern krank
Landwirte sprechen über psychischen Druck durch ihre Arbeitslisten, häufige Veränderungen der Rahmenbedingungen und Ungewissheit über die Ertragsentwicklung. Ein Experte schildert, wie es zum Burn-out kommt
Bobingen
Landwirt Hans Schuster (Name von der Redaktion geändert) ist mit seinem Gespann auf dem Weg zur Mälzerei, um einen Teil seiner Braugerste zu verkaufen. Er weiß, es war keine gute Saison, die finanziellen Erträge werden nicht so hoch sein. Auf der anderen Seite sind da noch Abzahlungen für seinen Hallenanbau zu leisten. „Hoffentlich stimmt die Qualität und damit der Preis“, denkt er sich unruhig. Langsam zieht sich sein Magen zusammen, die Nervosität verstärkt sich. Er hat Glück: Das Laborergebnis seiner Probe ist in Ordnung, die Ladung wird zum erwarteten Preis abgenommen.
Dennoch wirken sich solche Situationen in der Summe auf die Psyche aus, und verstärkt durch andere Faktoren ist der Weg zum Burn-out nicht weit, sagt dazu Reinhard Weber, Leitender Psychologe der Klinik Höhenried. Er kennt solche Situationen aus dem bäuerlichen Alltag.
Auf Einladung des Landesverbands Bayern der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) referierte Weber auf der Jahres-Mitgliederversammlung der Regionalgruppe Bayerisch-Schwaben in Bobingen zum Thema „Burn-out-Gefährdung in der Landwirtschaft“. Andrea Eiter, Geschäftsstellenleiterin des AbL Bayern aus Augsburg, bezog sich in ihrer Einführung auf aktuelle Studien aus dem Herbst vergangenen Jahres, wonach 17 Prozent der Bäuerinnen und Bauern in kleinen und mittleren Betrieben der Gefährdung durch Folgen dieses komplexen Symptomkreises beeinträchtigt sind.
Der Psychologe gab den Anwesenden einen Überblick über die Ursachen eines möglichen „Ausgebranntseins“, die Folgen mit den beobachtbaren Veränderungen bis hin zu den daraus resultierenden Fragestellungen für den täglichen Bereich. Und es ging um Fragen, wie das Ruder vor einer drohenden Erkrankung, die zu Arbeitsausfällen führt, möglicherweise noch herumzureißen wäre.
Weber rät, bei den Ursachen anzusetzen: „Stress ist eine natürliche Fluchtreaktion des Organismus. Wenn jedoch der Kopf ständig weiter ist als der Körper, läuft der Mensch aus. Hinkt man seinem Tagesplan ständig hinterher, schaukelt sich der Stress auf. Auch starke Gedanken und Emotionen, wie sie bei Existenzängsten häufig zu beobachten sind, tun ihr Übriges hinzu“, erläutert Weber. Ursachen dafür könnten nach seiner Ansicht Eigenschaften wie Perfektionismus oder psychischer Druck sein. Das Führen des geerbten Hofes mit dem Anspruch, es so gut wie der Vater zu machen, sei ein typisches Beispiel aus dem bäuerlichen Umfeld, sagt er.
Direkte, allgemeingültige Lösungsansätze kann er aufgrund der unterschiedlichen individuellen Reaktion jedes Betroffenen nicht machen. „Es sollte sich jedoch jeder die Frage nach der Dosierung des richtigen persönlichen Einsatzes und der eigenen Ansprüche stellen. 100 Prozent Leistung auf Dauer ist nicht durchhaltefähig“, mahnt er. Aus dem Kreis der Landwirte war zu vernehmen, dass nicht die eigentliche Arbeit im Stall und auf dem Feld die große Herausforderung sei, sondern die massive Zunahme an Bürokratie und das ständig wechselnde Preisgefüge bei den Erzeugnissen die Hauptbelastung bereiteten.
Andrea Eiter hätte sich mehr Zuspruch zu dieser Veranstaltung gewünscht, musste aber eingestehen, dass die Wetterlage für viele Landwirte den Einsatz auf dem Feld erforderte. „Und hätten die jetzt schneller gearbeitet, um zur Versammlung zu kommen, wären wir zum Stressfaktor geworden“, fasste sie zusammen.
Die Bürokratie und das wechselnde Preisgefüge machen mürbe