Kampf gegen die Unfallursache Nr. 1
Die Polizei will das Rasen auf den Straßen mit einer Doppelstrategie zurückdrängen. Beim Blitzmarathon steht die Bewusstseinsbildung im Vordergrund. Wann sich ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid lohnen kann
Region
Er war der absolute Spitzenreiter. Der Autofahrer war auf der
B300 bei Kühbach mit 190 Stundenkilometern unterwegs – Tempo
80 ist dort erlaubt. Auf den Podestplatz kann der Mann aber nicht stolz sein. Im Gegenteil: Die Polizei hat ihn erwischt. Die Quittung für die Raserei: zwei Monate Fahrverbot und 1200 Euro Bußgeld. Interessant an diesem Vorfall ist: Der Raser bei Kühbach wurde nicht beim bayernweit angekündigten Blitzmarathon am Mittwoch erwischt, sondern im November vorigen Jahres, als die Polizei ohne Vorwarnung die Radarfalle aufgebaut hatte.
Deutlich wird damit: Die Polizei fährt eine zweigleisige Strategie im Kampf gegen die Unfallursache Nr.
1 auf den Bundes- und Landstraßen außerorts: „Überhöhte Geschwindigkeit“ist fast immer der Auslöser, wenn es zu Unfällen mit Schwerverletzten oder gar Toten kommt. Da ist zum einen der zum sechsten Mal durchgeführte Blitzmarathon. Und zum anderen gibt es die unangemeldeten Schwerpunktkontrollen, die die Polizei von Zeit zu Zeit verstärkt. So wie im Spätherbst, als viele Autofahrer eine Häufung von Kontrollen vermuteten – und das Polizeipräsidium Schwaben-Nord auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte: „Der Eindruck ist richtig.“Im Einsatz gegen die Raserei sind in erster Linie Beamte der Verkehrspolizei, aber auch die Autobahnpolizei und die Inspektionen vor Ort beteiligt. Außerdem müssen Autofahrer in der Region auch immer mit Kontrollen des Kommunalunternehmens „Schwaben Mitte“rechnen, das von vielen Städten und Gemeinden beauftragt wird.
Mit dem Blitzmarathon verfolgt die Polizei das Ziel, eine „nachhaltige Verhaltensänderung“bei den Autofahrern zu erreichen. Die Bewusstseinsbildung stehe im Vordergrund, das Ziel des 24-Stunden-Marathons sei es „ausdrücklich nicht, möglichst viele Verkehrsteilnehmer zur Kasse zu bitten“, unterstreicht Präsidiumssprecher Michael Jakob. Das Ziel werde offenkundig erreicht, denn die Beanstandungsquote ist im Präsidiumsbereich von 2,76 auf 1,96 Prozent gesunken, obwohl die Zahl der gemessenen Fahrzeuge mit 19000 doppelt so hoch wie im Vorjahr war. Die Polizei hatte mehr Personal und Messgeräte im Einsatz. 373 Fahrer müssen mit einem Bußgeldbescheid rechnen. Die meisten seien einsichtig gewesen: Sie hätten zwar vom Blitzmarathon gehört, diesen jedoch „im Alltagsstress wieder vergessen“.
Die Folge war also ein wenig schmeichelhafter Schnappschuss. Und der kann seit der Bußgeldreform von 2014 teuer werden. Da stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, dagegen Einspruch einzulegen. Die Augsburger Rechtsanwältin Susanne Gutjahr erklärt, in welchen Situationen sich das lohnen kann.
In welchen Fällen ist es sinnvoll, gegen das Knöllchen vorzugehen?
Grundsätzlich immer dann, wenn ein Fahrer den Eindruck hat, dass der Bußgeldbescheid so nicht stimmen kann. „In vielen Fällen lässt sich durchaus etwas machen“, weiß Gutjahr. Nur wer sich einen Anwalt nimmt, hat allerdings die Möglichkeit, die Bußgeldakte einzusehen. Nur so kann überprüft werden, ob Messfehler oder Ungenauigkeiten vorliegen. Der Anwalt überprüft, ob die Anlage richtig aufgebaut, ein Testbild gemacht, der Beamte korrekt geschult und die Anlage richtig geeicht wurde. „Sobald ein Mangel festgestellt wird, ist der Bußgeldbe- unwirksam – egal, ob der Fahrer 10 km/h oder 100 km/h zu schnell unterwegs war“, so Gutjahr.
Was ist, wenn das Foto unscharf oder falsch ist?
Kann man den Fahrer auf dem Bild nicht richtig erkennen, weil er etwa eine Sonnenbrille trägt oder die Sonnenblende das Gesicht verdeckt, stehen die Chancen für einen erfolgreichen Einspruch gut. Auch wenn die Tempomessung nicht eindeutig zuordenbar ist, etwa durch ein zusätzliches Auto auf dem Bild. Zudem rät die Verkehrsrechtlerin: Ist das Foto unkenntlich oder unscharf, muss man sich als Beschuldigter nicht dazu äußern. „Ich rate meinen Klienten immer keine Angaben zur Sache zu machen“, sagt sie.
Was, wenn der Blitzer zu nahe an der Tempobeschränkung stand?
Auch bei der Beschilderung gibt es Angriffspunkte. Das Temposchild müsse klar ersichtlich sein: Sind Schilder nicht vorhanden oder unleserlich, sei das nicht der Fall.
Spielt es eine Rolle, ob mit Laserpistole oder Radarfalle geblitzt wurde?
„Jedes Messverfahren ist unterschiedlich“, sagt Gutjahr. Der Hersteller garantiert allerdings nur eine absolute Richtigkeit des Geräts, wenn alle Vorgaben konkret eingehalten wurden. Auch Faktoren wie ein Fahrbahnwechsel oder die Reflektion eines Gebäudes oder Schildes könnten die Genauigkeit der Messung beeinflussen.
Hilft ein Einspruch, um ein mögliches Fahrverbot aufzuschieben?
Auch wenn es aussichtslos scheint, gehen viele Autofahrer vor allem gegen das Knöllchen vor, um Zeit zu gewinnen. Gerade wenn ein Fahrverbot droht, wird der Einspruch oft dazu benutzt, das Fahrverbot aufzuschieben. „Ist der Beschuldigte auf sein Auto angewiesen, lässt sich oft ein Deal aushandeln“, so Gutjahr. Gerade bei einem zweimonatigen Fahrverbot besteht die Chance, den Führerschein bereits früher zurück zu bekommen, wenn eine höhere Geldstrafe ausgehandelt wird. Viele versuchen auch, das Fahrverbot auf den Urlaub zu legen.
Wie lange kann man gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen?
Der Einspruch muss innerhalb von 14 Tagen bei der zuständigen Bescheid hörde schriftlich eingehen. Danach wird der Bescheid rechtskräftig und es hilft auch ein Gang zu Gericht nichts mehr. »Bayern