Koenigsbrunner Zeitung

Kampf gegen die Unfallursa­che Nr. 1

Die Polizei will das Rasen auf den Straßen mit einer Doppelstra­tegie zurückdrän­gen. Beim Blitzmarat­hon steht die Bewusstsei­nsbildung im Vordergrun­d. Wann sich ein Einspruch gegen einen Bußgeldbes­cheid lohnen kann

- VON TANJA FERRARI UND MARKUS SCHWER

Region

Er war der absolute Spitzenrei­ter. Der Autofahrer war auf der

B300 bei Kühbach mit 190 Stundenkil­ometern unterwegs – Tempo

80 ist dort erlaubt. Auf den Podestplat­z kann der Mann aber nicht stolz sein. Im Gegenteil: Die Polizei hat ihn erwischt. Die Quittung für die Raserei: zwei Monate Fahrverbot und 1200 Euro Bußgeld. Interessan­t an diesem Vorfall ist: Der Raser bei Kühbach wurde nicht beim bayernweit angekündig­ten Blitzmarat­hon am Mittwoch erwischt, sondern im November vorigen Jahres, als die Polizei ohne Vorwarnung die Radarfalle aufgebaut hatte.

Deutlich wird damit: Die Polizei fährt eine zweigleisi­ge Strategie im Kampf gegen die Unfallursa­che Nr.

1 auf den Bundes- und Landstraße­n außerorts: „Überhöhte Geschwindi­gkeit“ist fast immer der Auslöser, wenn es zu Unfällen mit Schwerverl­etzten oder gar Toten kommt. Da ist zum einen der zum sechsten Mal durchgefüh­rte Blitzmarat­hon. Und zum anderen gibt es die unangemeld­eten Schwerpunk­tkontrolle­n, die die Polizei von Zeit zu Zeit verstärkt. So wie im Spätherbst, als viele Autofahrer eine Häufung von Kontrollen vermuteten – und das Polizeiprä­sidium Schwaben-Nord auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte: „Der Eindruck ist richtig.“Im Einsatz gegen die Raserei sind in erster Linie Beamte der Verkehrspo­lizei, aber auch die Autobahnpo­lizei und die Inspektion­en vor Ort beteiligt. Außerdem müssen Autofahrer in der Region auch immer mit Kontrollen des Kommunalun­ternehmens „Schwaben Mitte“rechnen, das von vielen Städten und Gemeinden beauftragt wird.

Mit dem Blitzmarat­hon verfolgt die Polizei das Ziel, eine „nachhaltig­e Verhaltens­änderung“bei den Autofahrer­n zu erreichen. Die Bewusstsei­nsbildung stehe im Vordergrun­d, das Ziel des 24-Stunden-Marathons sei es „ausdrückli­ch nicht, möglichst viele Verkehrste­ilnehmer zur Kasse zu bitten“, unterstrei­cht Präsidiums­sprecher Michael Jakob. Das Ziel werde offenkundi­g erreicht, denn die Beanstandu­ngsquote ist im Präsidiums­bereich von 2,76 auf 1,96 Prozent gesunken, obwohl die Zahl der gemessenen Fahrzeuge mit 19000 doppelt so hoch wie im Vorjahr war. Die Polizei hatte mehr Personal und Messgeräte im Einsatz. 373 Fahrer müssen mit einem Bußgeldbes­cheid rechnen. Die meisten seien einsichtig gewesen: Sie hätten zwar vom Blitzmarat­hon gehört, diesen jedoch „im Alltagsstr­ess wieder vergessen“.

Die Folge war also ein wenig schmeichel­hafter Schnappsch­uss. Und der kann seit der Bußgeldref­orm von 2014 teuer werden. Da stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, dagegen Einspruch einzulegen. Die Augsburger Rechtsanwä­ltin Susanne Gutjahr erklärt, in welchen Situatione­n sich das lohnen kann.

In welchen Fällen ist es sinnvoll, gegen das Knöllchen vorzugehen?

Grundsätzl­ich immer dann, wenn ein Fahrer den Eindruck hat, dass der Bußgeldbes­cheid so nicht stimmen kann. „In vielen Fällen lässt sich durchaus etwas machen“, weiß Gutjahr. Nur wer sich einen Anwalt nimmt, hat allerdings die Möglichkei­t, die Bußgeldakt­e einzusehen. Nur so kann überprüft werden, ob Messfehler oder Ungenauigk­eiten vorliegen. Der Anwalt überprüft, ob die Anlage richtig aufgebaut, ein Testbild gemacht, der Beamte korrekt geschult und die Anlage richtig geeicht wurde. „Sobald ein Mangel festgestel­lt wird, ist der Bußgeldbe- unwirksam – egal, ob der Fahrer 10 km/h oder 100 km/h zu schnell unterwegs war“, so Gutjahr.

Was ist, wenn das Foto unscharf oder falsch ist?

Kann man den Fahrer auf dem Bild nicht richtig erkennen, weil er etwa eine Sonnenbril­le trägt oder die Sonnenblen­de das Gesicht verdeckt, stehen die Chancen für einen erfolgreic­hen Einspruch gut. Auch wenn die Tempomessu­ng nicht eindeutig zuordenbar ist, etwa durch ein zusätzlich­es Auto auf dem Bild. Zudem rät die Verkehrsre­chtlerin: Ist das Foto unkenntlic­h oder unscharf, muss man sich als Beschuldig­ter nicht dazu äußern. „Ich rate meinen Klienten immer keine Angaben zur Sache zu machen“, sagt sie.

Was, wenn der Blitzer zu nahe an der Tempobesch­ränkung stand?

Auch bei der Beschilder­ung gibt es Angriffspu­nkte. Das Temposchil­d müsse klar ersichtlic­h sein: Sind Schilder nicht vorhanden oder unleserlic­h, sei das nicht der Fall.

Spielt es eine Rolle, ob mit Laserpisto­le oder Radarfalle geblitzt wurde?

„Jedes Messverfah­ren ist unterschie­dlich“, sagt Gutjahr. Der Hersteller garantiert allerdings nur eine absolute Richtigkei­t des Geräts, wenn alle Vorgaben konkret eingehalte­n wurden. Auch Faktoren wie ein Fahrbahnwe­chsel oder die Reflektion eines Gebäudes oder Schildes könnten die Genauigkei­t der Messung beeinfluss­en.

Hilft ein Einspruch, um ein mögliches Fahrverbot aufzuschie­ben?

Auch wenn es aussichtsl­os scheint, gehen viele Autofahrer vor allem gegen das Knöllchen vor, um Zeit zu gewinnen. Gerade wenn ein Fahrverbot droht, wird der Einspruch oft dazu benutzt, das Fahrverbot aufzuschie­ben. „Ist der Beschuldig­te auf sein Auto angewiesen, lässt sich oft ein Deal aushandeln“, so Gutjahr. Gerade bei einem zweimonati­gen Fahrverbot besteht die Chance, den Führersche­in bereits früher zurück zu bekommen, wenn eine höhere Geldstrafe ausgehande­lt wird. Viele versuchen auch, das Fahrverbot auf den Urlaub zu legen.

Wie lange kann man gegen den Bußgeldbes­cheid Einspruch einlegen?

Der Einspruch muss innerhalb von 14 Tagen bei der zuständige­n Bescheid hörde schriftlic­h eingehen. Danach wird der Bescheid rechtskräf­tig und es hilft auch ein Gang zu Gericht nichts mehr. »Bayern

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Beim 24 Stunden Blitzermar­athon will die Polizei die Autofahrer nicht abkassiere­n, sondern in erster Linie das Bewusstsei­n der Verkehrste­ilnehmer dafür schärfen, dass zu schnelles Fahren außerorts die Hauptursac­he für schwere Unfälle ist. Das scheint...
Archivfoto: Marcus Merk Beim 24 Stunden Blitzermar­athon will die Polizei die Autofahrer nicht abkassiere­n, sondern in erster Linie das Bewusstsei­n der Verkehrste­ilnehmer dafür schärfen, dass zu schnelles Fahren außerorts die Hauptursac­he für schwere Unfälle ist. Das scheint...

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