Feuilleton
Interview mit Simon Pickel
Herr Pickel, wann haben Sie zuletzt einen Mozart gehört, der Sie begeistert hat? Simon Pickel: Da muss ich überlegen… Die letzten Konzerte, die ich gehört habe, waren ohne Mozart. Mein letzter Mozart, das war im Januar während der Mozartwoche in Salzburg. „Die Entführung aus dem Serail“mit René Jacobs. Das war ein Mozart, der mich so richtig umgehauen hat. Jedenfalls kann ich mich sehr gut daran erinnern.
Eine großartige Aufführung ist ja meist die Voraussetzung für bleibende Erinnerung. Es sei denn, es war ganz furchtbar. Pickel: Die Inszenierung in Salzburg war tatsächlich leicht fragwürdig. Aber musikalisch war es toll.
Mozartwoche in Salzburg, Mozartfest in Augsburg. Was schätzen die Menschen eigentlich an Festivals? Pickel: Das Entscheidende ist, dass man in einem relativ kurzen Zeitraum eine Fülle großartiger Musik von hervorragenden Interpreten zu hören bekommt – ein Effekt, den man sonst, wenn man sich übers Jahr verteilt seine Konzerte heraussucht, nicht hat. Natürlich ist so ein Festival ein kleiner Marathon, aber der verspricht eben auch ein besonderes Erlebnis.
Folgt man dem diesjährigen Motto, gerät man beim Mozartfest ja mitten hinein in „Machtspiele“.
Pickel: Mozart ist ein Produkt seiner Zeit, und er hatte sich den Gegebenheiten dieser Zeit unterzuordnen. Die Musik, die damals entstand, ist in erster Linie für die Mächtigen gewesen, für Adel und Kirche. Mozart konnte sich dem nicht entziehen. Auch er hätte sich eine prominente Stelle an einem Hof gewünscht, aber das hat nie richtig geklappt. So hat er sich entschieden, als Freelancer zu komponieren, wie man heute sagen würde. Doch das lief meist mehr schlecht als recht. Um zur Ausgangfrage zurückzukehren: Ich finde den Begriff Macht zu Unrecht einseitig negativ besetzt. Macht ist doch nicht nur dieses Beherrschen in negativer Weise, Macht kann auch etwas Positives sein, etwa in Gestalt der Macht der Musik über mich. Wie sich nun dieses Spiel zwischen Macht und Musik im Laufe der Zeit gewandelt hat, wie es bei Mozart war und wie bei späteren Komponisten, das wollen wir beim Festival zeigen. Deswegen: „Machtspiele“.
Fühlt sich das Publikum tatsächlich angesprochen von Konzerttiteln wie „Musik für die Mächtigen“? Kommen die Leute nicht eher wegen eines prominenten Interpreten? Pickel: Beides ist der Fall. Ich habe auch nichts dagegen, wenn die Leute
kommen, weil sie die Cappella Gabetta hören wollen. Und wenn sie dann im Programmbuch lesen, warum wir dieses Konzert überhaupt machen, umso besser.
Apropos Gabetta: Haben Sie versucht, zusammen mit der Cappella Gabetta auch Sol Gabetta zu verpflichten, die berühmte Cellistin? Pickel: Haben wir nicht. Wir wollten genau dieses Programm mit reiner
Violinmusik, das wir jetzt mit der Cappella und mit Andrés Gabetta machen, dem Geiger und Bruder von Sol Gabetta. Wir wollten kein Programm, nur um Sol Gabetta hier zu haben.
Ein Machtspiel ganz anderer Art war in den letzten Jahren zwischen den beiden Mozart-Festivals in Augsburg zu erleben, ein Spiel um die Vormacht. Nun scheint die Sache entschieden zugunsten des städtischen Mozartfests, denn ein reguläres Mozart@Augsburg-Festival wird es im Sommer ja nicht geben. Sind Sie erleichtert?
Pickel: Ich habe das nicht als Machtspiel gesehen. Grundsätzlich finde ich es schade, wenn das jetzt eingeht, denn man kann nie genug LiveKultur haben in einer Zeit, in der alles digital verfügbar ist. Über die vorgebrachten Gründe für den Rückzug bin ich mir auch nicht so recht im Klaren – ob zwei Festivals für Augsburg tatsächlich zu viel sind? Vielleicht war die Konkurrenzsituation eher künstlich aufgebauscht.
Vergangenes Jahr aber waren Sie gar nicht amused, als eine Woche vor Ihrem Mozartfest Sebastian Knauer das BR-Symphonieorchester mit Mariss Jansons in Augsburg hat auftreten lassen. Pickel: Das ist ein anderer Punkt: Ob
man außerhalb des eigentlichen Festival-Zeitraums von Mozart@Augsburg so eine unmittelbare Konkurrenz absichtlich schaffen muss.
Das jetzt beginnende Mozartfest ist das zweite unter Ihrer Verantwortung. Was für Erfahrungen haben Sie gesammelt bei Ihrer Premiere im letzten Jahr, und wo haben Sie nachjustiert? Pickel: 2017 musste ich erst einmal austesten, was in Augsburg überhaupt möglich ist. In welche Richtung kann man vom Programmangebot her gehen, welche KonzertOrte sind möglich? Diesmal hatte ich auch mehr Zeit, das Programm so passend zu machen, wie ich es mir vorstellte, und nicht einfach etwas von der Stange nehmen zu müssen. Ergeben hat sich für 2018 auch eine Reduzierung des Programms. Es wird am Montag und Dienstag keine Konzerte geben, was einerseits mit den an diesen Tagen stattfindenden Sinfoniekonzerten der Augsburger Philharmoniker zu hat. Andererseits haben wir im letzten Jahr gesehen, dass zu Wochenbeginn relativ wenig los war. Und wir haben nur noch ein Nachtkonzert.
Geblieben sind die Konzerte mit dem Untertitel „Freistil“. Nach welchem Prinzip funktionieren die eigentlich? Pickel: Nach dem Konzept der Carte blanche, dem viele Festivals inzwischen folgen. Ich gebe Maximilian Hornung und Sarah Christian den Freiraum, zwei Konzerte zu gestalten. Die beiden bekommen von mir ein gewisses Budget, haben aber sonst – bis auf die übergeordnete Thematik des Festivals – völlig freie Hand. Sie können die Konzerte programmatisch komplett eigenständig gestalten und als Interpreten dazu einladen, wen sie wollen. Nur so
kommen diese einzigartigen Ensembles und damit auch ganz besondere Konzerterlebnisse zustande. Ich bin froh, dass wir dafür Maxi und Sarah haben, die als Augsburger einen besonderen Bezug hierher haben.
Nochmal eine Frage an den Musikhörer Simon Pickel: Auf welchen Programmpunkt beim Mozartfest freuen Sie sich besonders? Pickel: Es sind zwei. Das eine ist die
4. Sinfonie von Mahler in der Bearbeitung für Kammerensemble …
… kein Mozart?
Pickel: Natürlich freue ich mich auch auf Mozarts c-Moll-Messe, aber die habe ich in dieser Besetzung schon gehört, und auf diese sensationelle Aufführung kann sich wirklich jeder freuen, das „Incarnatus“habe ich noch nie so gehört wie von Christina Landshamer. Aber weil ich das eben schon gehört habe, sage ich lieber noch: Ich bin gespannt auf das Belcea Quartet. Die spielen Beethovens Streichquartett op. 130 und die Große Fuge – und dazwischengefügte Stücke, die wir vorab nicht verraten wollen. Aber ich weiß schon, was da gespielt wird, und ich kann nur sagen: Das wird unglaublich!
Mozartfest Einen Überblick über das Festival (www.mozartstadt.de) finden Sie heute auf unserer Seite Freizeit.