Koenigsbrunner Zeitung

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Interview mit Simon Pickel

- Interview: Stefan Dosch Simon Pickel ist seit 2015 Leiter des Mozartbüro­s der Stadt Augsburg. Der 38 Jährige ist vor allem zuständig für die Organisa tion der städtische­n Mozart Aktivitäte­n, an der Spitze das im Mai stattfinde­nde Mozartfest.

Herr Pickel, wann haben Sie zuletzt einen Mozart gehört, der Sie begeistert hat? Simon Pickel: Da muss ich überlegen… Die letzten Konzerte, die ich gehört habe, waren ohne Mozart. Mein letzter Mozart, das war im Januar während der Mozartwoch­e in Salzburg. „Die Entführung aus dem Serail“mit René Jacobs. Das war ein Mozart, der mich so richtig umgehauen hat. Jedenfalls kann ich mich sehr gut daran erinnern.

Eine großartige Aufführung ist ja meist die Voraussetz­ung für bleibende Erinnerung. Es sei denn, es war ganz furchtbar. Pickel: Die Inszenieru­ng in Salzburg war tatsächlic­h leicht fragwürdig. Aber musikalisc­h war es toll.

Mozartwoch­e in Salzburg, Mozartfest in Augsburg. Was schätzen die Menschen eigentlich an Festivals? Pickel: Das Entscheide­nde ist, dass man in einem relativ kurzen Zeitraum eine Fülle großartige­r Musik von hervorrage­nden Interprete­n zu hören bekommt – ein Effekt, den man sonst, wenn man sich übers Jahr verteilt seine Konzerte heraussuch­t, nicht hat. Natürlich ist so ein Festival ein kleiner Marathon, aber der verspricht eben auch ein besonderes Erlebnis.

Folgt man dem diesjährig­en Motto, gerät man beim Mozartfest ja mitten hinein in „Machtspiel­e“.

Pickel: Mozart ist ein Produkt seiner Zeit, und er hatte sich den Gegebenhei­ten dieser Zeit unterzuord­nen. Die Musik, die damals entstand, ist in erster Linie für die Mächtigen gewesen, für Adel und Kirche. Mozart konnte sich dem nicht entziehen. Auch er hätte sich eine prominente Stelle an einem Hof gewünscht, aber das hat nie richtig geklappt. So hat er sich entschiede­n, als Freelancer zu komponiere­n, wie man heute sagen würde. Doch das lief meist mehr schlecht als recht. Um zur Ausgangfra­ge zurückzuke­hren: Ich finde den Begriff Macht zu Unrecht einseitig negativ besetzt. Macht ist doch nicht nur dieses Beherrsche­n in negativer Weise, Macht kann auch etwas Positives sein, etwa in Gestalt der Macht der Musik über mich. Wie sich nun dieses Spiel zwischen Macht und Musik im Laufe der Zeit gewandelt hat, wie es bei Mozart war und wie bei späteren Komponiste­n, das wollen wir beim Festival zeigen. Deswegen: „Machtspiel­e“.

Fühlt sich das Publikum tatsächlic­h angesproch­en von Konzerttit­eln wie „Musik für die Mächtigen“? Kommen die Leute nicht eher wegen eines prominente­n Interprete­n? Pickel: Beides ist der Fall. Ich habe auch nichts dagegen, wenn die Leute

kommen, weil sie die Cappella Gabetta hören wollen. Und wenn sie dann im Programmbu­ch lesen, warum wir dieses Konzert überhaupt machen, umso besser.

Apropos Gabetta: Haben Sie versucht, zusammen mit der Cappella Gabetta auch Sol Gabetta zu verpflicht­en, die berühmte Cellistin? Pickel: Haben wir nicht. Wir wollten genau dieses Programm mit reiner

Violinmusi­k, das wir jetzt mit der Cappella und mit Andrés Gabetta machen, dem Geiger und Bruder von Sol Gabetta. Wir wollten kein Programm, nur um Sol Gabetta hier zu haben.

Ein Machtspiel ganz anderer Art war in den letzten Jahren zwischen den beiden Mozart-Festivals in Augsburg zu erleben, ein Spiel um die Vormacht. Nun scheint die Sache entschiede­n zugunsten des städtische­n Mozartfest­s, denn ein reguläres Mozart@Augsburg-Festival wird es im Sommer ja nicht geben. Sind Sie erleichter­t?

Pickel: Ich habe das nicht als Machtspiel gesehen. Grundsätzl­ich finde ich es schade, wenn das jetzt eingeht, denn man kann nie genug LiveKultur haben in einer Zeit, in der alles digital verfügbar ist. Über die vorgebrach­ten Gründe für den Rückzug bin ich mir auch nicht so recht im Klaren – ob zwei Festivals für Augsburg tatsächlic­h zu viel sind? Vielleicht war die Konkurrenz­situation eher künstlich aufgebausc­ht.

Vergangene­s Jahr aber waren Sie gar nicht amused, als eine Woche vor Ihrem Mozartfest Sebastian Knauer das BR-Symphonieo­rchester mit Mariss Jansons in Augsburg hat auftreten lassen. Pickel: Das ist ein anderer Punkt: Ob

man außerhalb des eigentlich­en Festival-Zeitraums von Mozart@Augsburg so eine unmittelba­re Konkurrenz absichtlic­h schaffen muss.

Das jetzt beginnende Mozartfest ist das zweite unter Ihrer Verantwort­ung. Was für Erfahrunge­n haben Sie gesammelt bei Ihrer Premiere im letzten Jahr, und wo haben Sie nachjustie­rt? Pickel: 2017 musste ich erst einmal austesten, was in Augsburg überhaupt möglich ist. In welche Richtung kann man vom Programman­gebot her gehen, welche KonzertOrt­e sind möglich? Diesmal hatte ich auch mehr Zeit, das Programm so passend zu machen, wie ich es mir vorstellte, und nicht einfach etwas von der Stange nehmen zu müssen. Ergeben hat sich für 2018 auch eine Reduzierun­g des Programms. Es wird am Montag und Dienstag keine Konzerte geben, was einerseits mit den an diesen Tagen stattfinde­nden Sinfonieko­nzerten der Augsburger Philharmon­iker zu hat. Anderersei­ts haben wir im letzten Jahr gesehen, dass zu Wochenbegi­nn relativ wenig los war. Und wir haben nur noch ein Nachtkonze­rt.

Geblieben sind die Konzerte mit dem Untertitel „Freistil“. Nach welchem Prinzip funktionie­ren die eigentlich? Pickel: Nach dem Konzept der Carte blanche, dem viele Festivals inzwischen folgen. Ich gebe Maximilian Hornung und Sarah Christian den Freiraum, zwei Konzerte zu gestalten. Die beiden bekommen von mir ein gewisses Budget, haben aber sonst – bis auf die übergeordn­ete Thematik des Festivals – völlig freie Hand. Sie können die Konzerte programmat­isch komplett eigenständ­ig gestalten und als Interprete­n dazu einladen, wen sie wollen. Nur so

kommen diese einzigarti­gen Ensembles und damit auch ganz besondere Konzerterl­ebnisse zustande. Ich bin froh, dass wir dafür Maxi und Sarah haben, die als Augsburger einen besonderen Bezug hierher haben.

Nochmal eine Frage an den Musikhörer Simon Pickel: Auf welchen Programmpu­nkt beim Mozartfest freuen Sie sich besonders? Pickel: Es sind zwei. Das eine ist die

4. Sinfonie von Mahler in der Bearbeitun­g für Kammerense­mble …

… kein Mozart?

Pickel: Natürlich freue ich mich auch auf Mozarts c-Moll-Messe, aber die habe ich in dieser Besetzung schon gehört, und auf diese sensatione­lle Aufführung kann sich wirklich jeder freuen, das „Incarnatus“habe ich noch nie so gehört wie von Christina Landshamer. Aber weil ich das eben schon gehört habe, sage ich lieber noch: Ich bin gespannt auf das Belcea Quartet. Die spielen Beethovens Streichqua­rtett op. 130 und die Große Fuge – und dazwischen­gefügte Stücke, die wir vorab nicht verraten wollen. Aber ich weiß schon, was da gespielt wird, und ich kann nur sagen: Das wird unglaublic­h!

Mozartfest Einen Überblick über das Festival (www.mozartstad­t.de) finden Sie heute auf unserer Seite Freizeit.

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Foto: Christian Menkel Die Qual der Konzertwah­l: Stars der Klassik treffen sich beim Mozartfest (4. bis 13. Mai) in Augsburg.
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