Auch Dank und Motivation gehören zum Lohn
Die Betriebsräte im Industriepark von Bobingen sprechen vom Managerkarussell, neuen Arbeitszeitmodellen und warum es nicht immer alleine ums Geld gehen dürfe. Und dennoch: Die Gewerkschaft ruft zur Härte auf
Nach den Betriebsratswahlen bereiten sich die Belegschaftsvertreter in Bobingens Industriepark (IWB) auf Tarifverhandlungen, vor allem aber auf die weitere Zusammenarbeit mit den Firmenchefs vor. Das sei kein leichter Job, sagt Thomas Müller, wiedergewählter Betriebsrat bei Johns Manville – und das liege nicht unbedingt an den Managern, sondern auch sehr stark an Konzernstrukturen und steigendem Arbeitsdruck.
So sei das Umfeld, in dem sich der Betriebsrat bewege, großen Veränderungen unterworfen. Früher wären die Ansprechpartner über lange Zeit die gleichen geblieben. Und die Unternehmensleitung sei meist direkt am Standort oder doch zumindest im gleichen Land gewesen. Diese Zeiten seien vorbei, so Müller. Die Entscheidungen würden oft im Ausland getroffen, im Falle von Johns Manville in den USA. Vor Ort gäbe es Manager, die den Weisungen aus den Konzernzentralen zu folgen hätten. Gleichzeitig gäbe es in den Manageretagen der Unternehmen einen stetigen Wechsel, der Müller an das Kommen und Gehen von Fußballtrainern in der Bundesliga erinnert.
„Kaum hat man sich an einen der leitenden Manager gewöhnt, kommt ein neuer mit ganz anderen Zielen und Vorstellungen. Das macht kontinuierliche Betriebsratsarbeit nicht leichter“, sagt auch Reinhold Gebhardt, Betriebsrat bei Trevira, deren Konzernleitung in Thailand sitzt. Ebenso einig sind sich die Betriebsräte bei der Feststellung, dass die Bedingungen in den Betrieben über die Jahre härter geworden seien. Die Taktung und Produktivität sei erhöht worden. Immer weniger Personal produziere immer mehr Waren in immer schnellerem Tempo. Daher sei Burn-out in der Belegschaft nicht zufällig auf dem Vormarsch, sondern vielmehr ein logisches Ergebnis von stetig wachsenden Anforderungen. Hier sehen die Betriebsräte eine Aufgabe ihrer kommenden Amtszeit. Stefanie Deistung, Betriebsrätin bei Perlon, formuliert es so: „Wir müssen dafür eintreten, dass aus einem starren System ein eher lebensphasenorientiertes Beschäftigungsmodell wird. Arbeit muss wieder menschlicher werden. Und die Mitarbeiter müssen eine größere Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer Person erfahren“.
Dabei geht es nicht einmal immer nur um Geld. So ist es ihr wichtig im Interesse der Arbeitgeber, die am Standort nötige Schichtarbeit attraktiver zu machen. Gerade für junge Menschen. Dies könne nur durch stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten und einem möglichen Wechsel von Voll- auf Teilzeitbeschäftigung und umgekehrt gelingen. Daneben müsse dem einzelnen Mitarbeiter wieder mehr Wertschätzung gezeigt werden. Nicht zwingend durch finanzielle Maßnahmen. Oft reiche einfach einmal ein Dankeschön für eine besondere Leistung. Oder etwa mal ein kleiner Blumenstrauß oder ein Gutschein für ein Essen mit der Familie. So etwas könne viel bewirken.
Hier hakt dann auch Reinhold Gebhardt ein. Er wolle sich bei Trevira für die Einrichtung eines Beteiligungsmodells einsetzen. Die Mitarbeiter sollten seiner Meinung nach am Unternehmenserfolg beteiligt werden. Wohlgemerkt, in beide Richtungen. Denn zur Erfolgsbeteiligung müsse dann genauso gehören, dass auch ein Misserfolg des Unternehmens von allen getragen werde. So sei letztendlich ein stärkeres „Wirgefühl“im Betrieb zu erreichen. Dies sei wichtig, um sich den Herausforderungen der Zukunft geschlossen entgegenstellen zu können.
Zu den neuen Herausforderungen zählen die Betriebsräte in hohem Maße einen dramatisch wachsenden Fachkräftemangel. Hier seien auch die Betriebsräte in der Pflicht, um gemeinsam mit Personalabteilungen und Firmenleitungen Strategien zu entwickeln.
Torsten Falke, Bezirksleiter der IG Bergbau, Chemie und Energie, bringt es aus Sicht der Gewerkschaft auf den Punkt: „Hier sind gerade von Unternehmerseite eklatante Fehler gemacht worden. Doch die Betriebsräte sind nicht dazu da, die Schuldigen zu suchen, sondern um die Personalabteilungen tatkräftig mit ihrer teils langjährigen Erfahrung zu beraten und zu unterstützen“. Es müsse in attraktive Ausbildung und die Verbesserung der Übernahme nach der Ausbildung investiert werden. Ziel müsse es sein, junge, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter im Unternehmen zu halten.
Trotzdem, so betonte er, müsse die Auseinandersetzung mit den Unternehmern und der Politik wieder härter werden. Es habe sich eine gefährliche „Political Correctness“im Umgang der Tarifparteien eingeschlichen, die es erschwere, die Arbeitnehmer zu mobilisieren. Gleichzeitig würde es dadurch auch schwieriger für die Gewerkschaften, sich zu profilieren und ihre Notwendigkeit für die Gesellschaft zu unterstreichen. „Wir brauchen in der Debatte mehr Kämpfer mit dem Breitschwert als filigrane Degenfechter“, so spitzt er seine Forderung zu.
So gehe es bei den Tarifverhandlungen nicht um Besitzstandswahrung, sondern vielmehr um das Meistern der anstehenden Herausforderungen. Auf der Forderungsliste stünden da eine Lohnsteigerung von 6 Prozent, die Verdoppelung des Urlaubsgeldes, Flexibilisierung der Arbeitszeiten und ein Rückkehrrecht für Teilzeitbeschäftigte in die Vollzeit.
Ziel: Junge und gut ausgebildete Mitarbeiter im Unternehmen halten