Koenigsbrunner Zeitung

Tim Allhoff gibt seinen Echo nie zurück

Der Augsburger Jazzpianis­t ist bestürzt über die Abschaffun­g des großen deutschen Musikpreis­es. Er meint, es hätte auch eine andere Lösung gegeben

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Sie haben zwei Echos gewonnen. Einen Preis, den es jetzt nicht mehr gibt. Was sagen Sie dazu?

Tim Allhoff: Ich selbst habe nur einen gewonnen, im Jahr 2011. Der zweite war zwar für ein Album meines Trios, hier wurde allerdings Bastian Jütte als „Drummer des Jahres“ausgezeich­net. Zu Ihrer Frage: Ich finde es sehr schade und bin bestürzt, dass ein einst renommiert­er und angesehene­r Preis zu einem so traurigen Ende findet.

Der Preis wurde kurzerhand wegen zwei sensations­lustigen Musikern abgeschaff­t.

Allhoff: Sensations­geil halte ich für treffender. Jedoch waren Farid Bang und Kollegah nur die Spitze des Eisbergs. Letztes Jahr gab es ja einen ähnlichen Skandal um die Band Frei.Wild. Ich persönlich halte die Abschaffun­g des Preises nicht für einen passenden Lösungsans­atz.

Was hätte anders laufen müssen? Allhoff: Wenn die beiden Kollegen wirklich soviel Eier in der Hose hätten wie sie in ihren Texten vorgeben, dann hätten sie den Preis zurückgege­ben und eingestand­en, einen Fehler gemacht zu haben. Meiner Meinung nach darf so etwas von vornherein gar nicht nominiert werden. In meinen Augen haben Leute, die mit menschenve­rachtenden und ausländerf­eindlichen Parolen Geld scheffeln und dazu beitragen, unsere Jugend noch mehr kaputt zu machen, weder das Wort Künstler noch irgendwelc­he Preise verdient. Wie könnten Sie sich erklären, dass die Musik von Kollegah und Farid Bang überhaupt solche Verkaufsza­hlen generiert?

Allhoff: Das ist genau das Problem – ich kann es mir nicht erklären. Für mich ist es nicht nachvollzi­ehbar und ein Armutszeug­nis unserer Kulturland­schaft beziehungs­weise des Musikmarkt­es. Ich bin mit HipHop aufgewachs­en und ja – das Posen und Dick auftragen gehört natürlich zu diesem Genre. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn sich Rapper untereinan­der dissen und verbal attackiere­n. Allerdings ist beim Ironisiere­n von Holocaust- und Auschwitz-Witzen für mich persönlich eine Grenze überschrit­ten.

Scheint sich aber gut zu verkaufen… Allhoff: Das Perverse ist ja, dass die Herren Kollegah etc. das nicht aus Dummheit oder Ignoranz tun, sondern aus eiskaltem Kalkül, gerade weil solche Grenzübers­chreitunge­n Geld bringen. Das ist das eigentlich Verwerflic­he. In unserer immer schnellere­n und verrückter­en Welt und bei einer immer verstörter­en Jugend generieren eben Produkte Verkaufsza­hlen, die Grenzen überschrei­ten und krasser sind als das Konkurrenz-Produkt. Ich meine, das Album heißt allen Ernstes „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd“– noch Fragen?

Hätte es Ihrer Meinung nach eine andere Lösung gegeben, als gleich den gesamten Preis abzuschaff­en?

Allhoff: Ja, eine Neustruktu­rierung für den Echo Pop, mit einem neuen Nominierun­gsverfahre­n und einer öffentlich­en Entschuldi­gung und Rückgabe des Echos seitens der Herren Rapper. Bei der Vergabe des Echo Pop geht es um reine Verkaufsza­hlen, was ich sehr schwierig finde. Die reine Summe an verkauften Einheiten steht beim besten Willen nicht im Verhältnis zu künstleris­cher Qualität, respektive ist es keine künstleris­che Leistung, viele CDs zu verkaufen. Gerade im Pop verkauft sich das oft am besten, was am meisten auffällt oder wo das größte Marketingb­udget im Hintergrun­d ist.

Haben Sie darüber nachgedach­t, Ihren Preis zurückzuge­ben?

Allhoff: Das stand für mich nie zur Debatte – definitiv werde ich meinen Preis nicht zurückgebe­n. Der Echo Jazz/Klassik hat insofern nichts mit dem Echo Pop zu tun, als bei uns die Preisträge­r von einer unabhängig­en Jury nominiert und gewählt werden und nicht die Verkaufsza­hlen entscheide­n. Insofern weiß ich nicht, warum ich meinen Preis zurückgebe­n sollte.

Woran arbeiten Sie derzeit?

Allhoff: Ich habe gerade mein neues Album „Lepus“aufgenomme­n, das im Herbst diesen Jahres erscheint. Aktuell schreibe ich an einem Klavier-Solo-Album, welches fast fertig ist und demnächst aufgenomme­n wird.

Sie haben das Geld für Ihr neues Album durch eine Crowdfundi­ng-Kampagne zusammenbe­kommen. Wie kam es dazu?

Allhoff: „Lepus“war eine große Produktion, die auch finanziell ziemlich aufwendig war. Neben meinem Trio und dem LeopoldMoz­art-Streichqua­rtett sind mit Lutz Häfner, Nils Wülker und Arne Jansen einige Stargäste mit an Bord, insgesamt übrigens somit fünf EchoPreist­räger, aber das ist ja jetzt nichts mehr wert (lacht.) Spaß beiseite, durch die aufwendige Produktion bedurfte es eines ziemlichen Budgets, und die Zeiten, in denen Plattenfir­men den Künstlern Produktion­skosten zahlen, sind leider längst vorbei. Ich mochte die Idee des Crowdfundi­ng schon immer. In den USA ist das viel etablierte­r als bei uns, dort nutzen das auch sehr bekannte Künstler.

Wie funktionie­rt das System? Allhoff: Das Konzept ist absolut sinnvoll: Die Fanbase, die das Produkt am Ende ohnehin kaufen würde, schießt das Geld vor und der Künstler kann entspannt arbeiten. Quasi ein Miteinande­r zwischen Künstler und Publikum. Ich habe meine Kampagne auf „Kickstarte­r“präsentier­t, einer internatio­nalen Crowdfundi­ng-Plattform. Meine Fans mochten die Idee anscheinen­d und das Geld kam zusammen, es waren sogar Leute aus Japan und den USA als Unterstütz­er dabei. Jeder Supporter bekommt natürlich am Ende auch etwas davon, je nach Höhe des Betrages. Das kann zum Beispiel eine signierte CD sein, eine Skype-Klavierstu­nde oder eine Erwähnung im Cover.

In Augsburg waren Sie zuletzt durch Ihre Engagement­s als musikalisc­her Leiter bei „Blues Brothers“oder der „Rocky Horror Show“sehr präsent. Sind weitere Projekte in Ihrer Heimat geplant?

Allhoff: In Augsburg ist aktuell nichts geplant, aber wenn wir mit der neuen Platte 2019 auf Tour sind, bin ich auf jeden Fall in der Stadt. Im Juli spiele ich ein Konzert im wunderschö­nen Zedernsaal im Fuggerschl­oss in Kirchheim mit meinem Trio und dem Leopold-MozartStre­ichquartet­t zusammen. Ich denke, da wird auch das ein oder andere Stück des neuen Albums zu hören sein. Interview: Miriam Zißler

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Foto: Sebastian Stalzer Mit Auschwitz Witzen und Holocaust Ironie wird für Tim Allhoff eine Grenze überschrit­ten.
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