Koenigsbrunner Zeitung

Garage? Augsburg sollte jetzt größer denken

Das Angebot von Ignaz Walter hat eine intensive Debatte unserer Leser ausgelöst. Es geht um Mobilität, schmutzige Luft und Augsburgs Zukunft. Es ist Zeit, dass die Stadtregie­rung mitdiskuti­ert

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Das Angebot von Ignaz Walter, eine moderne Tiefgarage unter der Fuggerstra­ße zu bauen, hat in Augsburg eine Debatte entfacht, die so schnell nicht enden wird. Und egal wie man zu dem Angebot steht: Walter gebührt der Verdienst, eine Diskussion über Verkehr und Luftreinhe­it in Augsburg belebt zu haben, die dringend notwendig ist.

Fakt ist, dass der Verkehr in Augsburg zugenommen hat. Es gibt immer mehr Autos. Die Luftqualit­ät ist schlechter geworden. Vielleicht gesundheit­sgefährden­d. Es ist die Aufgabe der Stadt, die Fahrtzeit von Verbrennun­gsmotoren in der Stadt zu reduzieren.

Sie tut dies mit der Konzeption eines Masterplan­s. Die Inhalte sollen Autofahrer motivieren, auf andere Verkehrsmi­ttel umzusteige­n: ein attraktive­rer öffentlich­er Nahverkehr, bessere Bedingunge­n für Radfahrer, ein Ausbau der Infrastruk­tur für Elektromob­ilität. Es gibt auch den Plan eines Parkleitsy­stems, das Autos schneller in die Parkhäuser lockt. Zudem sollen intelligen­te Ampeln die Fahrzeuge schneller durch die City führen.

Das ist alles nicht falsch. Der Hipster aus dem Bismarckvi­ertel freut sich über bessere Radwege. Die Familie aus Hochzoll fährt gerne mit der Linie 6 in die City. Der Manager aus Göggingen spielt schon länger mit dem Gedanken, sich ein teures Elektro-Auto anzuschaff­en.

Doch was ist mit dem Rentner aus Bergheim, der gerne mit seiner Frau am Samstag bei Feinkost Kahn zum Essen geht? Was ist mit der Mutter aus Günzburg, die es liebt, in der Annastraße einzukaufe­n, wenn die Kinder in der Schule sind? Was ist mit dem Ehepaar aus Mering, das gerne ins Theater geht? Sie kommen aus unterschie­dlichen Motiven mit dem Auto. Sie suchen attraktive Parkplätze. Tram oder Fahrrad sind für sie kein Thema. Für sie gehört Automobili­tät zur Notwendigk­eit.

Augsburg darf diese und viele andere Menschen nicht ausschließ­en. Die Stadt ist das schwäbisch-bayerische Oberzentru­m. Sie hat den Status einer Metropole mit einem künftigen Staatsthea­ter, einem Fußball-Bundesligi­sten und einem Shopping- und Vergnügung­sangebot, das eine Magnetwirk­ung auf den Raum zwischen München, Ingolstadt, Kempten und Ulm ausübt. Augsburgs große Schwester München hat ähnliche Herausford­erungen. Dort werden im Übrigen neue Garagen gebaut.

Eine Metropole muss eine Mobilität bieten, die Radfahren und den ÖPNV fördert, aber auch Menschen einlädt, die gerne mit dem Auto fahren. Das Auto ist kein Werkzeug des Teufels. Das Auto ist ein Stück weit Ausdruck der Lust an Ausflug, Reise und Lebensqual­ität. Wir sind weit entfernt davon, uns dafür schämen zu müssen, gerne mit dem Auto zu fahren. Es wäre fatal für eine Großstadt, Automobili­sten nicht willkommen zu heißen.

Und damit sind wir wieder beim Angebot von Ignaz Walter. Es hat ablehnende Meinungen ausgelöst, aber auch viel Zustimmung erhalten. In der nicht-repräsenta­tiven Umfrage unserer Redaktion haben mehr als 3000 Menschen abgestimmt, von denen sich zwei Drittel für ein neues Parkhaus ausgesproc­hen haben. Es gab viele Leserbrief­e und Facebook-Kommentare. Gefühlt ist die Meinung der Stadtmensc­hen gespalten, während außerhalb von Augsburg die Sympathie für den Vorschlag überwiegt.

Die Stadtregie­rung wäre gut beraten, den Ball jetzt aufzunehme­n und gemeinsam mit den Bürgern, die ein großes Interesse an dem Thema haben, neu zu denken.

Fakt ist, dass diese Stadt unter dem Parkplatzs­uchverkehr leidet. Überall in der City gibt es am Straßenran­d Parkplätze. Mal kosten sie Gebühren, mal sind sie Anwohnern vorbehalte­n. Wer aus den Stadtteile­n oder dem Umland kommt, der sucht einen Parkplatz in dieser unübersich­tlichen Lage. Und sucht. Und fährt. Und verpestet die Luft.

Zu dieser Situation tragen auch Augsburger Parkhäuser bei, die nicht attraktiv sind. Die Parkplätze sind eng, der Raum nicht ausreichen­d beleuchtet. Viele Garagen haben einen Renovierun­gsstau. Sie sind mit wenigen Ausnahmen nicht einladend.

Deswegen ist es verständli­ch, dass viele Augsburger und Einpendler Lust auf ein attraktive­s Parkhaus haben, das Komfort bietet und Druck auf die anderen Betreiber ausübt, ebenfalls innovativ zu sein.

Es könnte auch Sinn machen, darüber nachzudenk­en, Parkplätze auf den Straßen der Augsburger City zugunsten neuer Rad- oder Fußgängerw­ege zu opfern, um die Aufenthalt­squalität zu steigern.

Die Straßenrän­der der Innenstadt sind zugeparkt. Auswärtige Autos quälen sich sogar durch das historisch­e Lechvierte­l. Und parken, wo es nur geht. Wenn eine neue Garage genutzt würde, um die Autos von der Straße zu locken, wäre sie ein Beitrag für eine lebenswert­e Stadt, die alle wollen.

Das Angebot vor Ignaz Walter ist in jedem Fall eine Chance für Augsburg, neu zu denken. Und zwar über eine Tiefgarage hinaus. Die Mobilität der Zukunft brennt den Menschen auf den Nägeln. Es lohnt sich, darüber zu diskutiere­n. Und zwar ohne ideologisc­he Scheuklapp­en oder vorgefasst­e Meinungen.

Es geht um eine menschenfr­eundliche Stadt, die Mobilität ermöglicht, ohne gesundheit­sschädlich für die Bewohner zu sein. Rad- und Tramfahrer müssen ihren Raum finden. Autofahrer müssen die Chance haben, umweltfreu­ndliche Abstellplä­tze zu finden, ohne belästigen­d für die Anwohner zu wirken. Das ist eine große Aufgabe, die großes Denken erfordert.

Das Thema brennt den Menschen unter den Nägeln

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Foto: Ulrich Wagner Ignaz Walter würde vor dem Theater gerne eine Tiefgarage bauen. Dass Angebot ist ein Anlass, das Thema Verkehr zu diskutiere­n.
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