Koenigsbrunner Zeitung

„Ich will ein Vorbild sein“

Die Astrophysi­kerin Suzanna Randall möchte 2020 als erste deutsche Frau ins All. Wie das Training bisher läuft und warum ihre Eltern froh sind, wenn sie zur ISS fliegt

- Interview: Anja Worschech

Die private Initiative „Astronauti­n“möchte 2020 die erste deutsche Frau ins Weltall bringen. Frau Randall, wie überbrücke­n Sie die Zeit bis dahin? Zumal das Projekt ja auf der Kippe steht, weil die erforderli­chen 50 Millionen Euro noch nicht zusammen sind.

Suzanna Randall: Der Hauptfokus liegt darauf, Sponsoren zu finden. Daher reise ich sehr viel, bin auf Messen und Podiumsdis­kussionen und gebe Vorträge, um das Projekt bekannt zu machen. Zu 70 Prozent arbeite ich noch ganz normal in meinem Beruf als Astronomin bei der ESO, der Europäisch­en Südsternwa­rte in Garching bei München.

Ruht dann das Astronaute­n-Training oder sind Sie bereits dabei, ein Überlebens­training zu absolviere­n?

Randall: Das Überlebens­training kommt später. Ich habe viel Theorie gepaukt, etwa wie das Computersy­stem auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS funktionie­rt. Einen offizielle­n Sportplan gibt’s nicht. Ich mache drei bis vier Mal pro Woche Sport, fahre Rad und mache Yoga.

Was macht die Ungewisshe­it mit Ihnen, ob es nun klappt oder nicht? Randall: Natürlich weiß ich jetzt noch nicht, ob sich all die Mühe lohnt. Das Russisch-Lernen schiebe

ich deshalb noch etwas auf. Arbeitsspr­ache auf der ISS ist zwar Englisch, aber in der Sojus-Kapsel, in der man zur Station fliegt, wird nur Russisch gesprochen. Aber selbst wenn das Projekt nicht realisiert werden kann, war es eine tolle Erfahrung.

Auch Ihre Konkurrent­in Insa ThieleEich kämpft um den Platz fürs All. Nur eine von Ihnen kann fliegen. Ist der Konkurrenz­kampf spürbar?

Randall: Nein, es fühlt sich nicht nach einer Konkurrenz­situation an. Wir sind vielmehr ein Team. Das Wichtigste ist, dass überhaupt eine von uns fliegt!

Sie haben im März in Bordeaux Ihre ersten Parabelflü­ge absolviert. Wie war’s?

Randall: Die Schwerelos­igkeit zu erfahren, ist ein unbeschrei­bliches Gefühl. Man hängt anfangs etwas hilflos wie eine Spinne auf dem Rücken rum. Aber es ist ein tolles Gefühl. Bei meiner ersten Parabel dachte ich: Oh Gott, mir wird schummrig! Bei der zweiten konnte ich alles schon viel besser kontrollie­ren.

Was ist für Sie der Reiz daran, die erste deutsche Frau im All zu sein?

Randall: Ich wollte schon immer Astronauti­n werden, schon als Kind. Ich hatte mich auch bereits 2008 beworben. Jetzt habe ich meine zweite Chance. Aber vor allem reizt mich die Vorbildfun­ktion. Ich würde mich riesig freuen, wenn ich Mädchen und Frauen dazu motivieren kann, ihren Träumen zu folgen. Auch Frauen können in technische­n Berufen erfolgreic­h sein.

Gibt es denn einen Unterschie­d, ob ein Mann oder eine Frau ins All fliegt?

Randall: Es geht nicht darum, wer besser ist. Aber es geht darum, dass Frauen genauso in der Branche vertreten sind. Bisher waren elf deutsche Männer im All, aber noch keine Frau. Das muss sich ändern. In den USA sind immerhin die Hälfte der neuen Astronaute­n Frauen.

Gibt es physiologi­sche Unterschie­de?

Randall: Große, vor allem beim Hormonzykl­us der Frau. Und das soll alles erforscht werden. Beispielsw­ei- se haben Frauen im All auch ein höheres Risiko für Osteoporos­e.

Es braucht eine deutsche Astronauti­n?

Randall: Es ist sehr wichtig, Vorbilder zu schaffen. Ohne Vorbilder streben die Mädchen nicht in technische Berufe. Der bekannte Astronaut Alexander Gerst hat einmal gesagt, er hat schon früher immer zu Ulf Merbold aufgeschau­t (Er war 1983 der zweite Deutsche im All, die

Red.) Gerst hat sich gedacht: Dann kann ich das auch! Ich habe mir immer gedacht, mit mir als Mädchen hat das nichts zu tun. Erst als ich von der Amerikaner­in Sally Ride erfahren habe, die übrigens im gleichen Jahr wie Merbold ins All geflogen ist, habe ich plötzlich gemerkt: Mit ihr kann ich mich identifizi­eren.

Was hat denn Ihre Familie dazu gesagt, dass Sie Ihren Kindheitst­raum wahr machen und ins All fliegen wollen?

Randall: Sie waren nicht wahnsinnig geschockt. Als Kind habe ich immer gesagt, ich werde die erste Frau auf dem Mars. Jetzt sind sie froh, dass ich nur zur ISS fliegen will.

Haben Sie selbst denn überhaupt keine Angst, dass etwas schiefgehe­n könnte? Randall: Natürlich. Aber ich würde

das nicht als Angst, sondern als Respekt vor der Aufgabe bezeichnen. Es ist ein kalkulierb­ares Risiko. Ich bin mir bewusst, dass es ein höheres ist, als wenn ich mit der U-Bahn zur Arbeit fahre. Aber es ist ein vertretbar­es Risiko.

Mal angenommen, Sie werden zur ISS fliegen. Wie funktionie­rt das mit schlafen, essen und auf Toilette gehen? Randall: Man muss sich umstellen. Die Toilette ist mehr wie ein Staub- sauger und man muss sich festklemme­n. Gegessen wird vor allem etwas, das gut zusammenpa­ppt, wie zum Beispiel Tortilla mit klebriger Füllung. Auch duschen geht nicht. Das funktionie­rt mit einem Schwamm. Zum Schlafen hängt man sich in einen Schlafsack. Schlafstör­ungen sind am Anfang normal, aber man gewöhnt sich dran.

Was würden Sie denn mit auf die ISS nehmen?

Randall: Ganz klar. Meine YogaMatte. In der Schwerelos­igkeit ist der Kopfstand einfach (lacht). Ich habe während der Parabelflü­ge schon den Lotussitz ausprobier­t. Auf der ISS werde ich das Yoga für die Schwerelos­igkeit adaptieren.

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