So teuer ist die Maut in den Alpentunneln
Autoreisende auf dem Weg nach Süden durch die Alpen müssen je nach Route zusätzliche Mautgebühren für Bergpässe und Tunnel einplanen. Die Höhe der Extrakosten reicht nach Angaben des ADAC von 5,50 Euro für den Bosruck-Tunnel in Österreich bis zu 44,40 Euro für den Mont-Blanc-Tunnel zwischen Frankreich und Italien. Der GroßeSt.-Bernhard-Tunnel kostet zum Beispiel 26,90 Euro, der Felbertauern-Tunnel 11 Euro und der Brenner-Pass 9,50 Euro.
Im Gepäck sind keine Shorts und keine Badehosen, dafür jede Menge Kärtchen – weiße, gelbe, blaue. Im Flugzeug werden sie ein letztes Mal durchgesehen. Urlaubsvorbereitungen der anderen Art: mit Vokabelkartei. Der erste Tag beginnt gleich frühmorgens mit einem Test. Es ist acht Uhr, Sevilla, dieses Wunderwerk von Stadt in Südspanien liegt noch im Tiefschlaf. Vor der Sprachschule stehen einige Schüler – die Neuen. Der reguläre Unterricht beginnt erst eine Stunde später. Zur Begrüßung werden Fragebogen verteilt, ein Sprachtest auf Spanisch, während der Kopf noch gar nicht wach ist. Eine endlose Reihe an Fragen, die schnell nicht mehr zu beantworten sind. Als das Einstufungs-Gespräch mit dem Lehrer folgt, stellt sich die Frage, ob das wirklich eine gute Idee ist: zwei Wochen Sprachurlaub in Sevilla – als Anfänger.
Man könnte ja auch nur diese Stadt genießen, die eben wirklich ein Wunderwerk ist. Über Generationen und Jahrhunderte hinweg haben die Baumeister und Handwerker an diesem Labyrinth von einer Innenstadt gearbeitet. In diesem Gewirr aus engen und noch engeren Straßen können sich selbst Taxifahrer nur mit dem Smartphone auf
Die Kathedrale anschauen? Vielleicht am Wochenende
dem Schoß fortbewegen. Allein Google-Maps findet sich hier noch problemlos zurecht. Die andere Möglichkeit ist: Sich treiben lassen, sich ständig verlaufen, um ständig Neues zu sehen. Das wird selbst nach zwei Wochen nicht langweilig. Diese Altstadt ist fantastisch.
Ja, es könnte so entspannend sein in Sevilla. Stattdessen bekommen die Urlaubstage ein festes Gerüst. Vier Stunden Unterricht von 9 bis 13 Uhr, danach eine Stunde Konversation. Das macht zusammen fünf Stunden auf Spanisch. Und wer danach die Schule verlässt, dem schwirren die Sinne, weil es so viele neue Wörter waren. Danach die große Kathedrale anschauen? Vielleicht am Wochenende … Jetzt erst einmal einen Rotwein in einer Bar, bevor im Apartment weitergelernt wird. Nachmittagssonne und frische Luft, um alles zu verarbeiten.
Denn Schule ist ja nie nur Lernstoff, Schule ist immer auch ein Schmelztiegel des Menschlichen – neue Mitschüler, neue Lehrer und damit neue Geschichten, die wiederum der Sprachunterricht in Rekordtempo zutage fördert. Denn alle in der Klasse sind Anfänger, das heißt, dass noch niemand die hohe Kunst des Sprechens versteht – nur das von sich preiszugeben, was man auch preisgeben möchte. Niemand in der Klasse ist ein Meister des Tarnens und Täuschens, alle sagen, wie es ist.
Was das heißt? Die Lehrerin María spricht in der Konversationsklasse über Häuser und Gärten. Neil – ein Spitzengitarrist in einem großen Orchester in London – muss zwei-
erzählen, dass er die Gartenarbeit liebe, denn sein Spanisch ist kaum vom Englischen zu unterscheiden. Danach will María von Peter wissen, ob er zu Hause auch einen Garten habe? Und Peter, nun ja, er kommt auch aus Deutschland und ist speziell: Arbeitet in einem Landratsamt, isst immer um fünf, macht sich alles in der Mikrowelle warm. Peter und ein Garten? Nein! Und Pflanzen? Ja, habe er – aber nur aus Plastik. Die Klasse lacht.
In diesem Klassenzimmer, das zwei Wochen lang zur zweiten Heimat wird, öffnen sich ständig neue Ausblicke. Leone erzählt, dass er als Bäcker in Brasilien arbeitet. Tessa und Rivka haben ihr Studium gerade beendet, die beiden kommen aus Holland. Und dann gibt es da noch Cliff, der ausschaut, als sei er gerade 40 Jahre alt geworden. Er scheint die Rezeptur für diesen Trank der ewigen Jugend zu kennen. Seine Eltern kommen aus Jamaika, er ist in London aufgewachsen, hat aber lan- in Hongkong gelebt und gearbeitet und spricht Kantonesisch. Was Cliff jetzt mache, möchte Moises, ein Lehrer, wissen? „Ich bin im Ruhestand.“Wie bitte? „Retired.“Wie bitte? Ja, Cliff sei in Rente, pensioniert, arbeite nicht mehr. Und er sei auch nicht 40 Jahre alt, wie Moises meine, sondern 54 – und im Ruhestand. Unfassbar.
Das Gros der Sprachschüler ist jung. Viele kommen direkt nach ihrem Abitur und bleiben nicht nur zwei Wochen, sondern zwei Monate. Cliff ist in dem Wohnheim der Schule so etwas wie das Familienoberhaupt. In der Klasse erzählt er Geschichten. Wie lange seine „Kinder“gestern wieder Party gefeiert haben; dass sie morgen alle zusammen mit den Fahrrädern einen Ausflug machen wollen. Bitte mitkommen!
Es ist erstaunlich, wie die Sprache Menschen, die im normalen Leben womöglich keine zwei Stunden miteinander aushalten würden, innermal
halb kürzester Zeit zusammenbringt. Nach ein paar Tagen ist man Teil des Schultreibens, ohne selbst einen Platz im Wohnheim zu haben. Junge Schüler, ältere Schüler, das alles spielt keine große Rolle.
Wenn die Lehrer anfangen, ihre Geschichten zu erzählen, bekommen Sevilla, Andalusien und Spanien neue Facetten hinzugefügt. Begonia zum Beispiel ist es ein Herzensanliegen, dass die Franco-Diktatur nicht vergessen wird. Das versteht man auch als Sprachanfänger. Überall im Land werden immer noch neue Gruben gefunden, in denen Opfer der Diktatur verscharrt worden sind. Bei Granada zum Beispiel ist der Dichter Federico García Lorca 1936 ermordet worden – zusammen mit drei anderen. Bis heute weiß niemand, wo der Leichnam vergraben worden ist.
Moises erzählt, dass der Regen in dieser Sonnen- und Hitzestadt Sevilla zwar immer bitter nötig ist, von den Sevillanos immer als ein himmge die prachtvollen Häuser auf, sondern Nebensächlichkeiten, etwa der Chef des Installationsbetriebs, der immer grimmig vor dem Büro auf der Straße steht. Also gut, ihn mit Freundlichkeit zum Lächeln bringen, das ist das Projekt der nächsten Tage. Den ersten Gruß erwidert er mit einem Knurren, den nächsten einen Tag später auch noch. Danach schaut der Mann auf der Straße vor dem Büro immer geschickt weg.
Anstelle einer Burg-Besichtigung geht es mit den Mitschülern auf Leihrädern hinaus aus der Stadt, immer entlang am Rio Guadalquivir, dem Fluss, an dem Sevilla erbaut wurde. Zehn Sprachschüler unterhalten sich auf Spanisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Holländisch, und wo die Vokabeln fehlen, setzt die Fantasie ein. Niemand weiß so recht, wohin die Ausfahrt gehen soll. Aber es tut gut, das Altstadtlabyrinth einmal in den zwei Wochen hinter sich zu lassen.
Diese Schafherde vor den Toren der Stadt schaut richtig idyllisch aus. Aber was machen die Hunde? Sie kommen zu fünft laut bellend angerannt, weichen nicht mehr von der Seite. Bellen. Bellen. Bellen. Halten keinen Abstand ein. Dazu kommt jetzt Schweiß am ganzen Körper. Wieso schlägt das Herz so schnell? Und warum macht der Schäfer nichts? Schon ist zu spüren, dass in einem eine gewaltige Sprachlücke klafft. Denn all das, was man dem Schäfer gerade sehr lautstark sagen möchte, das war kein Thema im Unterricht in der Sprachschule. Das muss man dann doch im richtigen Leben lernen.