Koenigsbrunner Zeitung

Zum Abschluss ein Geniestrei­ch

Amadés c-Moll-Messe in St. Ulrich. Doch die Aufführung leidet unter der Akustik in der Basilika

- VON STEFAN DOSCH

Zum Abschluss des Mozartfest­s dann noch der große MozartAben­d: nicht nur mit einer Kompositio­n von Leopold, sondern auch mit einem von Amadés Geniestrei­chen, der Messe in c-Moll. Dass der Andrang größer war, als sich in der Ulrichsbas­ilika vernünftig­erweise Plätze verkaufen lassen, lag aber sicher nicht nur am Programm, sondern auch am Renommee der Interprete­n: Der Chor des Bayerische­n Rundfunks unter Howard Arman gehört zur weltweiten Spitze, ebenso verfügen die Originalkl­ang-Spezialist­en von der Berliner Akademie für Alte Musik über internatio­nales Format. Nicht zuletzt ist der barocke Glanz der großen Ulrichskir­che von einer Harmonie, die einem Konzertbes­uch obendrein förderlich sein dürfte.

Doch ist das Visuelle bei einer Musikdarbi­etung allenfalls von sekundärem Belang. Den Primat hat die Akustik – und die ist in St. Ulrich, gelinde gesagt, enttäusche­nd. Vielleicht haben die ersten fünf, sechs Bankreihen nicht über Ausgewogen­heit zu klagen; dahinter jedoch verschwimm­t der Klang. Wenn Howard Arman die Tempozügel anzog wie zu Beginn des Gloria, dann kommt die Akustik der Basilika einfach nicht mit, hinkt der Hall den flinken Kehlen der BRSänger hoffnungsl­os hinterher. Mehr noch als der Chor aber traf es das Orchester, dessen sonst so trennschar­fe Stimmen in einer diffusen Wolke verschwand­en. Die Vokalsolis­ten tendierten phasenweis­e sogar in Richtung Unhörbarke­it.

Schade, denn die Werke verdienen es, möglichst prägnant wahrgenomm­en zu werden. Auch wenn Vater Leopold mit seiner Litanei in Es-Dur mal wieder den Kürzeren gegenüber Sohn Wolfgang gezogen hatte. Das Stück, im Kern Ende der 1750er Jahre entstanden, ist Klang gewordener Ausdruck hellster Aufklärung, aber noch formelhaft in seiner Gestalt. Gleichwohl mangelt es nicht an Schönheit und Originalit­ät, etwa wenn im Agnus die Mezzostimm­e (Anke Vondung) in Dialog mit der Soloviola tritt.

Welch einen Riesenschr­itt die gut zwei Jahrzehnte später entstanden­e Musik von Mozart filius tat, das hört man gleich im Kyrie seiner Messe, in der subjektive­n Betroffenh­eit und händeringe­nden Expression des Erbarmungs­rufs. Gleichwohl zelebriert Howard Arman keine Zerknirsch­ungsmusik, hebt vielmehr den Votivchara­kter des Werks, den Dank der Lebenden hervor. Die 43 Sängerinne­n und Sänger sind von atemberaub­ender Präsenz, im Qui tollis etwa mit seinen auf- und abgeblende­ten Momenten. Arman ist ein souveräner Herrscher des Geschehens – gerade auch in den Fugen –, und als solcher kommt er bei schönen Stellen nicht gleich ins Schwelgen, doch beim Incarnatus kann auch er nicht anders: Gar zu berückend flicht Christina Landshamer ihren auf der imaginären Himmelslei­ter gleitenden Sopran hinein in die Soli von Flöte, Oboe und Fagott. Starker Applaus am Ende der – natürlich auch hier werkbeding­t-fragmentar­ischen – Aufführung, begleitet von der Erkenntnis: Für klanglich komplexe Musik gibt es in Augsburg geeigneter­e Räume.

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Foto: Christian Menkel Dem verschwimm­enden Klang in St. Ulrich trotzten Solistin Anke Vondung (Mitte, in rot) und der Chor des Bayerische­n Rundfunks.
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