Zum Abschluss ein Geniestreich
Amadés c-Moll-Messe in St. Ulrich. Doch die Aufführung leidet unter der Akustik in der Basilika
Zum Abschluss des Mozartfests dann noch der große MozartAbend: nicht nur mit einer Komposition von Leopold, sondern auch mit einem von Amadés Geniestreichen, der Messe in c-Moll. Dass der Andrang größer war, als sich in der Ulrichsbasilika vernünftigerweise Plätze verkaufen lassen, lag aber sicher nicht nur am Programm, sondern auch am Renommee der Interpreten: Der Chor des Bayerischen Rundfunks unter Howard Arman gehört zur weltweiten Spitze, ebenso verfügen die Originalklang-Spezialisten von der Berliner Akademie für Alte Musik über internationales Format. Nicht zuletzt ist der barocke Glanz der großen Ulrichskirche von einer Harmonie, die einem Konzertbesuch obendrein förderlich sein dürfte.
Doch ist das Visuelle bei einer Musikdarbietung allenfalls von sekundärem Belang. Den Primat hat die Akustik – und die ist in St. Ulrich, gelinde gesagt, enttäuschend. Vielleicht haben die ersten fünf, sechs Bankreihen nicht über Ausgewogenheit zu klagen; dahinter jedoch verschwimmt der Klang. Wenn Howard Arman die Tempozügel anzog wie zu Beginn des Gloria, dann kommt die Akustik der Basilika einfach nicht mit, hinkt der Hall den flinken Kehlen der BRSänger hoffnungslos hinterher. Mehr noch als der Chor aber traf es das Orchester, dessen sonst so trennscharfe Stimmen in einer diffusen Wolke verschwanden. Die Vokalsolisten tendierten phasenweise sogar in Richtung Unhörbarkeit.
Schade, denn die Werke verdienen es, möglichst prägnant wahrgenommen zu werden. Auch wenn Vater Leopold mit seiner Litanei in Es-Dur mal wieder den Kürzeren gegenüber Sohn Wolfgang gezogen hatte. Das Stück, im Kern Ende der 1750er Jahre entstanden, ist Klang gewordener Ausdruck hellster Aufklärung, aber noch formelhaft in seiner Gestalt. Gleichwohl mangelt es nicht an Schönheit und Originalität, etwa wenn im Agnus die Mezzostimme (Anke Vondung) in Dialog mit der Soloviola tritt.
Welch einen Riesenschritt die gut zwei Jahrzehnte später entstandene Musik von Mozart filius tat, das hört man gleich im Kyrie seiner Messe, in der subjektiven Betroffenheit und händeringenden Expression des Erbarmungsrufs. Gleichwohl zelebriert Howard Arman keine Zerknirschungsmusik, hebt vielmehr den Votivcharakter des Werks, den Dank der Lebenden hervor. Die 43 Sängerinnen und Sänger sind von atemberaubender Präsenz, im Qui tollis etwa mit seinen auf- und abgeblendeten Momenten. Arman ist ein souveräner Herrscher des Geschehens – gerade auch in den Fugen –, und als solcher kommt er bei schönen Stellen nicht gleich ins Schwelgen, doch beim Incarnatus kann auch er nicht anders: Gar zu berückend flicht Christina Landshamer ihren auf der imaginären Himmelsleiter gleitenden Sopran hinein in die Soli von Flöte, Oboe und Fagott. Starker Applaus am Ende der – natürlich auch hier werkbedingt-fragmentarischen – Aufführung, begleitet von der Erkenntnis: Für klanglich komplexe Musik gibt es in Augsburg geeignetere Räume.