Ein hausgemachter Krach in der SPD
Die Aufarbeitung des Finanzdebakels legt Konflikte offen. Ulrike Bahr wagt einen durchschaubaren Vorstoß, auf den Referent Stefan Kiefer sehr verärgert reagiert. Was hinter den Querelen steckt
Das Finanzdebakel im städtischen Jugendamt könnte die Stadt Augsburg im schlimmsten Fall 28 Millionen Euro kosten, die sie an Zuschüssen zurückzahlen müsste. Auf Verwaltungsebene laufen auf höchster Ebene nach wie vor Gespräche, wie der finanzielle Schaden möglichst begrenzt werden kann. Zum Stand der Verhandlungen lässt die Stadt kaum Informationen an die Öffentlichkeit (siehe nebenstehenden Bericht). Öffentlich ausgetragen wird dagegen ein politischer Streit innerhalb der SPD um die Vorgänge. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass die Hauptprotagonisten im Fall des nicht rechtzeitig gestellten Antrags für die Kita-Förderung zwei Personen mit SPD-Parteibuch sind. Die mittlerweile ihres Amts enthobene Leiterin des Jugendamts, Sabine Nölke-Schaufler, vertritt ebenso die Farben der „Roten“wie Sozialreferent Stefan Kiefer. Er ist zuständig für das Jugendamt. Ulrike Bahr, Bundesabgeordnete und Vorsitzende der Augsburger SPD, sowie Margarete Heinrich, Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, mischen ebenfalls kräftig mit. Sie tun es jetzt wieder, haben es aber auch in den zurückliegenden Wochen getan.
Im aktuell ausgetragenen Schlagabtausch spielt Sabine NölkeSchaufler keine aktive Rolle. Sie ist Außenstehende. Vereinfacht gesagt, hat Ulrike Bahr mehrfach betont, dass es nicht nur darum gehen könne, „Schuldige herauszupicken“. Man müsse zudem die Verantwortung der Finanzverwaltung unter Führung der Referentin Eva Weber (CSU) hinterfragen. Bahrs Äußerungen waren anfangs so zu verstehen, dass sie gezielt Referent Kiefer und der bisherigen Leiterin NölkeSchaufler Rückendeckung geben möchte. Die Botschaft von Bahr, die bis 2014 selbst dem Stadtrat angehörte, kam jedoch für Parteifreunde überraschend. Maßgebliche Führungspersonen der Stadtratsfraktion waren massiv verstimmt. Was einige hinter vorgehaltener Hand erboste, machte Referent Kiefer dann gezielt in einer städtischen Pressemitteilung öffentlich: „Die Zuständigkeit für die Einhaltung der Frist zur Be- antragung der Zuschüsse liegt allein im Amt für Kinder, Jugend und Familie, was durch die städtische Allgemeine Geschäftsanweisung klar geregelt ist. Die notwendigen arbeitsund disziplinarrechtlichen Maßnahmen wurden allesamt umgehend veranlasst.“Man kann die Aussagen Kiefers nur so interpretieren, dass er vom Einsatz seiner Parteivorsitzenden Bahr rein gar nichts hält. Dazu muss man wissen: Kiefer hatte die Amtsleiterin ihres Postens enthoben. Dies geschah in Absprache mit Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU).
Kiefer dürfte sich jetzt gerade daran gestört haben, dass nun auch wieder intensiver über seine Person diskutiert wird. Das Bekanntwerden des Finanzdebakels hatte ihn anfangs gewaltig unter Druck gesetzt. Es gab Rücktrittsforderungen des politischen Gegners. Als sich Kiefer dann mit der Familie in den Osterurlaub verabschiedete, bekam er kräftigen Gegenwind. OB Gribl war nicht erfreut. Kiefer verkürzte kurzfristig den Urlaub um einen Tag und arbeitete weiter an der Aufarbeitung des Debakels im Jugendamt. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, war es vor allem SPD-Fraktionschefin Margarete Heinrich, die Kiefer vehement gedrängt hat, die Dinge keineswegs auszusitzen, sondern aktiv anzugehen. Dieser Kurs beinhaltete, die bisherige Amtsleiterin NölkeSchaufler von ihren Aufgaben zu entbinden. Das nun wiederum gefiel nicht allen in der SPD. Und hier schließt sich der Kreis. Es sind, so ist zu vernehmen, offenbar persönliche Beziehungen, die die aktuell angestoßene Debatte befeuert haben. Ulrike Bahr und Sabine NölkeSchaufler sind sehr gute Freundinnen. Es ist zudem ein offenes Geheimnis, dass Ulrike Bahr in ihrer damaligen Tätigkeit als SPDStadträtin maßgeblich daran beteiligt war, dass Nölke-Schaufler ins Amt kam. Ende Februar 2014 fiel die Entscheidung. Dies war zu einem Zeitpunkt, als die SPD noch nicht im Rathaus mitregierte. Die SPD-Fraktion machte sich für Nölke-Schaufler stark, die anderen Fraktionen zogen letztlich mit. Ein anderer Bewerber mit SPD-Parteibuch blieb auf der Strecke. Diese Personalie hatte ohnehin für viel Wirbel in der Stadtverwaltung gesorgt. Nölke-Schaufler hatte gegen die Stadt geklagt, weil bei einer ersten Ausschreibung das Verfahren nicht transparent gelaufen sei. Das Arbeitsgericht gab der Klage recht. Die politische Verantwortung trug der damalige Sozialreferent Max Weinkamm (CSU).
Zurück in die Gegenwart: SPDFraktionschefin Margarete Heinrich kandidiert bei der Landtagswahl am 14. Oktober. Sie möchte erstmals den Einzug in den Landtag schaffen. Politische Störfeuer, die sich dann auch noch innerparteilich mit einem Finanzdebakel bei der Stadt Augsburg befassen, können ihr nicht in das Wahlkampfkonzept passen. „Die SPD kann doch gerade jetzt bei diesem Thema nicht auf den Putz hauen“, sagt ein Vertrauter von Heinrich. Man müsse am Ende froh sein, wenn der finanzielle Schaden möglichst gering ausfällt.