Dächer für Wanderarbeiter?
Im Bobinger Rathaus geht die Diskussion um den Dachgeschoss-Ausbau einer Wohnanlage. Bürgermeister Bernd Müller hat einen Verdacht. Doch die Rechtslage mache das hinfällig, sagen Stadträte
Bobingen Wie viel gestalterischen Einfluss auf die Stadtentwicklung darf ein Bauausschuss für sich in Anspruch nehmen? Muss er vor drohender Fehlentwicklung die Augen verschließen, wenn die Rechtslage kein Einschreiten vorsieht? Diese Fragen standen in der jüngsten Sitzung des für Bauvorhaben zuständigen Ratsausschusses plötzlich im Raum. Doch eine große Mehrheit wischte das Thema gegen die Stimmen von Bürgermeister Bernd Müller und SPD-Sprecher Edmund Mannes vom Tisch. Und das kam so.
Es geht um den Ausbau der Dachgeschosse der bestehenden Wohnanlage Am Wiesenhang 1, 1a und 3 sowie 3 a und 3 b. Die Mieter sollten ihre Abstellkammern bereits räumen, berichtete Bürgermeister Bernd Müller. Vorgesehen sei der Einbau von „15 Kleinstwohnungen“. Es geht um Appartements mit ein oder zwei Zimmern. Der Einbau von Aufzügen sei nicht vorgesehen. Hingegen die Errichtung einer zweigeschossigen Carportanlage und weiterer Stellplätze auf dem Grundstück.
Nach einem ersten Hinweis der Stadt, dass die Versiegelung der Räume zwischen den Häusern zugunsten von Parkplätzen sowie das Maß des Dachausbaus zu massiv wäre, hat der Planer ein neues, reduziertes Konzept vorgelegt. So soll die Carportanlage teilweise ins Erdreich eingelassen und damit weniger hoch wirken. Auch werde ein Teil der Grünfläche erhalten. Doch unverändert bleibt die Zahl an 15 Mini-Appartements in den Dächern.
Bürgermeister Bernd Müller glaubt nicht, dass hier später Stu- einziehen werden oder alleinstehende Senioren. Er glaubt, der zusätzliche Wohnraum sei für Saisonarbeiter der Logistikunternehmen am Lechfeld gedacht. Müller spricht von „Wanderarbeitern“und verweist auf Erfahrungen in Wohnanlagen in der Nordhälfte der Stadt. Dort würden die Kennzeichen der Autos am Straßenrand zeigen, wo die eigentliche Heimat der Menschen sei, die hier vorübergehend unterkommen.
Unterkünfte scheinen – in kleinen Umfängen – auch anderenorts im Landkreis ein Geschäftsmodell. Eine solche Entwicklung fürchten nun Bewohner am Wiesenhang, die die Sitzung zum Teil mitverfolgten: Enge statt nachbarschaftliches Miteinander.
Neuer Wohnraum sei wichtig, sagte Bürgermeister Müller in völliger Übereinstimmung mit der übrigen Ratsrunde, doch er hofft vor allem auf mehr Wohnraum für Famidenten lien – also auf Drei- bis Vierzimmerwohnungen. Und wenn die Appartements tatsächlich für Senioren gedacht seien, dann bitte mit Aufzug. Seine Argumentation: Das Maß der Ausbauten sei noch immer zu massiv. Und die Stadt sollte hier sozial steuern und mehr Wohnqualität fordern.
Nun ist die Stadt Bobingen bei Stadtplanung und Stadtentwicklung sehr erfahren, steuert gerade den Lebensraum Siedlung durch AnEntsprechende siedlung junger Familien, die die Infrastruktur nutzen und somit stärken sollen. Hier, wie im Zentrum, stützt sie sich allerdings auf klar definierte Ziele, entscheidet nicht je nach Fall anders. Und setzt sich dazu Rahmen. An Gestaltungswille fehlt es also in Bobingen eigentlich nicht.
Doch der Widerspruch zu Müllers Einwänden war sehr breit. Den Anfang machte Marco Di Santo (Grüne): Kurz zuvor habe der Ausschuss einen Sichtschutzzaun zum Schwarzbau erklärt und eine nachträgliche Billigung verwehrt, weil die Rechtslage aufgrund der städtischen Einfriedungssatzung eindeutig sei. Da hatte es die Verwaltungsvorlage klar formuliert: Zwar seien die Argumente der Bauleute aus privater Sicht nachvollziehbar, aber städtebaulich seien sie nicht relevant. Hier rechtliche Härte und am Wiesenhang nach Mutmaßung, obwohl das Baurecht an dieser Stelle keine Gründe für eine Ablehnung hergebe. Das war für Di Santo nicht konsequent. Die Argumente des Bürgermeisters seien „sehr subjektiv“.
Ähnlich weitere Stimmen aus der Runde: Herwig Leiter und Thomas Hauser (CSU) wollten nicht vom Urteil der Stadt abhängig machen, was für den Wohnungsmarkt gut und wichtig sei. Waltraut Wellenhofer (Freie Wähler) will ebenfalls nicht beurteilen, welche Wohnungsformen am nötigsten seien. Auf jeden Fall ergäbe sich durch jeden Neubau ein Entlastungseffekt: Wer einziehe, mache woanders Wohnraum frei. Bei zwei Gegenstimmen wurde dem Vorhaben das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Das letzte Wort hat nun das Landratsamt.