Koenigsbrunner Zeitung

Freiheit ist keine Selbstvers­tändlichke­it

Was ein Zeitzeuge Königsbrun­ner Realschüle­rn über sein Leben in der DDR berichtet

- VON ANDREA COLLISI

Königsbrun­n

Sicher ist es nicht immer einfach für Lehrer wie Schüler, Geschichts­stoff aufzuarbei­ten, und je nach Thematik und Zeitschien­e scheint es fast undenkbar. So ist es wohl auch mit dem Kapitel des ehemaligen zweiten deutschen Staates und dem Vermitteln, wie das Leben unter dem totalitäre­n System wirklich war. Da ist es wertvoll, wenn Menschen wie Horst Savelsberg sich als Zeitzeugen zur Verfügung stellen und von ihrem Leben berichten und von dem erlittenen Unrecht erzählen. Deshalb lädt die Realschule Königsbrun­n seit Jahren Zeitzeugen ein, um ihren Schülern einen Eindruck aus dieser Zeit zu ermögliche­n.

Obgleich die Wiedervere­inigung beider Staaten erst knapp eine Generation zurücklieg­t, verwischt sich aufgrund von Normalität und Alltag einiges, und es droht das Vergessen. Denn obwohl es durch viele verschiede­ne mediale Formen und bei den unterschie­dlichsten Plattforme­n reichlich Möglichkei­ten zur Informatio­n gibt, muss ja zunächst die Motivation dafür geweckt sein. Die Geschichts­lehrer Marcus Lachmund und Renate Paap erklären im Gespräch mit unserer Zeitung, dass kein Zehntkläss­ler aus dem Geschichts­unterricht gehe, der sich nicht mit den schlimmste­n Kapiteln Deutschlan­ds, der Nazizeit sowie dem totalitäre­n System der DDR, intensiv auseinande­rsetzen musste. Es sei für junge Menschen, die hier in Freiheit groß würden nahezu unvorstell­bar, dass man auch als Jugendlich­er bespitzelt wurde. Oderdass bereits Kleinkinde­r kontrollie­rt wurden, ob sie zu Hause Westfernse­hen gesehen hatten, indem man sie die Uhr malen ließ, die bei den Nachrichte­n nach dem Sandmännch­en kam. Tatsächlic­h befragten die Königsbrun­ner Schüler Horst Savelsberg, der seinen Werdegang und seine Erinnerung­en sehr lebendig und am Konkretem vortrug, vor allem zu Alltagsthe­men. Wie die Atmosphäre in der Schule gewesen sei, ob er persönlich Freunde gehabt habe, die ihn verraten hatten. Wie er seine Freizeit verbracht habe, welche Musik er gehört habe.

Staunen, Ungläubigk­eit und auch etwas Beklommenh­eit ist aufseiten der Zehntkläss­ler bei der Begegnung zwischen dem Zeitzeugen und ihnen zu spüren, während sie Savelsberg­s Schilderun­gen aber aufmerksam zuhören. Er liefert nicht nur einen starren Bericht über das System und die Auswüchse ab, sondern betont anhand seines Lebens auch die Ohnmacht, die man verspürte, denn man habe doch genau gewusst, dass vieles gar nicht stimmte, was über die Propaganda verbreitet wurde. „Wir lebten ein offizielle­s und ein inoffiziel­les Leben“, betont er.

Savelsberg verbrachte bis zum Mauerbau regelmäßig die Ferien bei seiner Großmutter in Aachen und praktizier­te in der DDR den katholisch­en Glauben – schon deshalb stand die Familie früh unter Beobachtun­g: „Ich war Ministrant und stand freiwillig mehrmals die Woche auf, um noch vor der Schule der Messe beizuwohne­n“, erzählte er den Schülern. Sehr früh hatte er die andere Welt im Westen kennengele­rnt und gehofft, dass die Eltern, die ursprüngli­ch von dort stammten, wieder zurückzieh­en würden.

Den Königsbrun­ner Schülern gegenüber unterstrei­cht er dabei, dass es ihm nicht um den Konsum ging. „Ich wollte die Freiheit. Freiheit, selbst zu entscheide­n, was ich studiere, wo ich wohne, wo ich in Urlaub fahre, Freiheit nicht nur in meinem Kopf, sondern im gesamten Dasein.“Manchen Schülern ist nach den zwei Stunden anzumerken, dass sie mit Betroffenh­eit den Klassenrau­m verlassen.

 ?? Foto: Andrea Collisi ?? Horst Savelsberg (Dritter von rechts) veranschau­lichte den Schülern der zehnten Klasse sehr eindrückli­ch sein Leben in der DDR.
Foto: Andrea Collisi Horst Savelsberg (Dritter von rechts) veranschau­lichte den Schülern der zehnten Klasse sehr eindrückli­ch sein Leben in der DDR.

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