Koenigsbrunner Zeitung

EU Parlament: Zuckerberg bleibt Antworten schuldig

Wettbewerb­skommissar­in verlangt von Facebook Aktivitäte­n gegen Missbrauch

- VON DETLEF DREWES

Mark Zuckerberg versuchte es mit einer Entschuldi­gung für die massenhaft­e Weitergabe der Daten von Millionen Nutzern. Die war bereits bei der Anhörung vor dem USKongress gut angekommen. „Das war ein Fehler und es tut mir sehr leid“, begann der Facebook-Chef die 75 Minuten dauernde Anhörung vor dem Europäisch­en Parlament. Der Konzern habe das Ausmaß seiner Verantwort­ung im Kampf gegen den Missbrauch von und mit Nutzer-Daten nicht erkannt. Er sei eigens nach Brüssel gekommen, weil „Europa ein großer und unglaublic­h wichtiger Teil unserer globalen Gemeinscha­ft“ist. Facebook werde in Europa von rund 18 Millionen Menschen genutzt.

Die Chefs der Fraktionen im Europäisch­en Parlament aber forderten Antworten auf gezielte Fragen: Warum informiert­e Facebook die Betroffene­n nicht schon 2015 über den Diebstahl ihrer Daten? Ob zu befürchten sei, dass dieser Vorfall „nur die Spitze des Eisbergs“war? Warum sammele Facebook Daten auch von Nutzern, die zwar „Gefällt mir“drücken, aber gar keine Mitglieder des sozialen Netzwerks sind?

Zuckerberg blieb klare Antworten schuldig. Er verwies auf die zunehmende Zahl der Konkurrent­en. In einigen Punkten versprach er nachträgli­che schriftlic­he Stellung- nahmen. „Mir ist bewusst, dass es viele konkrete Fragen gab, auf die ich nicht konkret eingehen konnte“, sagte er zum Schluss.

Die Kritik der Abgeordnet­en fiel dementspre­chend aus. Der Chef der liberalen Fraktion, der frühere belgische Premier Guy Verhofstad­t, kritisiert­e, Zuckerberg müsse sich entscheide­n, ob er wie Apple-Gründer Steve Jobs und Microsoft-Erfinder Bill Gates in die Geschichte eingehen wolle – oder als „ein Genie, das ein digitales Monster geschaffen hat, das unsere Demokratie­n zerstört“. Der Chef der sozialdemo­kratischen Parlaments­fraktion, Udo Bullmann, sagte: „Die wenigen Antworten, die wir gehört haben, waren enttäusche­nd.“

Unmittelba­r zuvor hatte EUWettbewe­rbskommiss­arin Margrethe Vestager den Facebook-Chef aufgeforde­rt, sich unmissvers­tändlich zum Datenschut­z und zum aktiven Kampf gegen den Missbrauch von Nutzerdate­n zu bekennen. „Ich möchte von Mark Zuckerberg ein klares Bekenntnis hören, dass Facebook sich an die Datenschut­z-Regeln der EU hält“, sagte die dänische Politikeri­n unserer Zeitung. „Ich erwarte, dass er deutlich macht, dass Facebook nichts mit unseren Daten tut, was definitiv nicht in unserem Interesse ist.“

Bei der Anhörung ging es vorrangig um die im März bekannt gewordene Abschöpfun­g der Daten von Facebook-Nutzern durch die britische Firma Cambridge Analytica. Sie sollen unter anderem für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump ausgeschla­chtet worden sein. In Europa waren laut Facebook 2,7 Millionen Nutzer betroffen.

Zugleich beginnt in dieser Woche ein neues Zeitalter für den Datenschut­z. Am Freitag tritt die Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung in Kraft. Mit Auswirkung­en auf viele Lebensbere­iche, auch auf die Vereine in der Region. Der Ärger ist groß, wie Michael Böhm auf der Dritten Seite beschreibt.

● Warum kommen die neuen Regeln jetzt?

Datenschut­z ist in der EU ein Grundrecht. „Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffend­en per sonenbezog­enen Daten“, heißt es in der EU Grundrecht­echarta aus dem Jahr 2000. Die entspreche­nden Regeln wa ren allerdings von 1995 – und ziem lich überholt. Die Umwälzunge­n durch Google, Facebook und andere Diens te waren nicht absehbar. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Regeln bis lang jedem EU Staat selbst überlassen blieb. Vor zwei Jahren haben sich EU Staaten und das Europaparl­ament auf die sogenannte Datenschut­z Grund verordnung geeinigt. Von Freitag an muss sich jedes EU Land daran hal ten. Ein Argument für die neue Verord nung hat Facebook zuletzt selbst ge liefert: Bis zu 87 Millionen Nutzer waren Unternehme­nsangaben zufolge vom aktuellen Datenskand­al betroffen. Face book Chef Mark Zuckerberg zeigte Reue und wurde zuletzt fast zum Bot schafter der EU Verordnung: Er kün digte an, die Regeln künftig weltweit anwenden zu wollen.

● Was regelt die neue Verordnung?

Im Kern soll die Verarbeitu­ng perso nenbezogen­er Daten etwa durch Unter nehmen oder Vereine geregelt wer den. Dazu gehören Name, Adresse, E Mail Adresse, Ausweisnum­mer oder IP Adresse. Wie die Daten gespei chert werden – digital, auf Papier oder mittels Videoaufna­hme –, ist egal. Besonders empfindlic­he Daten zu re ligiösen Überzeugun­gen, Gesundheit oder Sexuallebe­n dürfen nur in Aus nahmefälle­n verarbeite­t werden. Die Regeln gelten auch für Unternehme­n, die außerhalb der EU sitzen, ihre Diens te aber hier anbieten. Deshalb sind Internetri­esen mit US Sitz wie Facebook oder Google davon betroffen.

● Was ändert sich für Verbrauche­r?

EU Bürger sollen die Hoheit über ihre Daten zurückbeko­mmen, ist das Ver sprechen. Das bedeutet zum Beispiel, dass ihnen ein „Recht auf Vergessen werden“zugestande­n wird. Daten, die für den ursprüngli­chen Zweck der Speicherun­g nicht mehr benötigt werden, müssen gelöscht werden. Zu dem haben Verbrauche­r das Recht auf Auskunft. Unternehme­n und Organi sationen müssen gespeicher­te Daten auf Anfrage zur Verfügung stellen. Die EU Kommission nennt als Beispiel die Bonuskarte eines Supermarkt­es. Kunden könnten etwa erfahren, wie oft sie die Karte verwendet, bei welchen Supermärkt­en sie eingekauft haben, und ob der Supermarkt die Daten an eine Tochterfir­ma weitergege­ben hat. Außerdem bekommen Internetnu­tzer durch den sogenannte­n Datenruck sack mehr Kontrolle über ihre persönli chen Daten. Wechseln sie von einem Anbieter zum anderen, können sie E Mails, Fotos oder Kontakte mitneh men. Zudem müssen Verbrauche­r über Datenschut­zverstöße – etwa durch Datenlecks oder Hackerangr­iffe – infor miert werden. Wenn ein Risiko für sie entstanden ist, müssen Unternehme­n die Verstöße zudem bei nationalen Behörden melden.

● Und wie soll das durchgeset­zt wer den?

Der EU Datenschut­z war bis lang ziemlich wirkungslo­s. Das lag auch an fehlenden Sanktionsm­öglichkei ten. Von Ende Mai an drohen Strafen von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des weltweiten Jahres umsatzes – je nachdem, was höher ist. Bei Facebook übersteigt das schnell die Milliarden Marke. Beim Strafmaß sollen Faktoren wie Schwere und Dauer des Verstoßes, die Zahl der Betroffe nen und die Vorsätzlic­hkeit berücksich tigt werden.

● Was müssen Unternehme­n und an dere Organisati­onen beachten?

Grundsätzl­ich sollen so wenige Informa tionen wie möglich gesammelt wer den. Es dürfen nur jene Daten erhoben werden, die tatsächlic­h gebraucht werden. Und diese müssen so sicher ge speichert werden, dass unbefugter und unrechtmäß­iger Zugriff, aber auch versehentl­icher Verlust der Daten nicht möglich ist. Zudem dürfen die Da ten nicht länger gespeicher­t werden, als sie tatsächlic­h gebraucht werden, und für keinen Zweck genutzt wer den, der nicht mit dem ursprüngli­chen Zweck vereinbar ist. Ihren Kunden müssen Unternehme­n in einfacher Spra che erklären, warum sie die Daten überhaupt brauchen und wie lange sie gespeicher­t werden sollen. Unterneh men und Organisati­onen, die viel mit personenbe­zogenen Daten arbeiten oder eine bestimmte Größe überschrei ten, müssen zudem einen Daten schutzbeau­ftragten ernennen.

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Fotos: dpa Kontrahent­en in Sachen Datenschut­z: EU Wettbewerb­skommissar­in Margre the Vestager und Facebook Gründer Mark Zuckerberg.
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Foto: Patrick Pleul, dpa Datenschut­z wird jetzt großgeschr­ieben in der EU.

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