Koenigsbrunner Zeitung

Wie die Chancen aufs Wasser Welterbe stehen

Aktuell läuft das Verfahren bei der Unesco, noch dieses Jahr werden Gutachter in der Stadt erwartet. Prof. Joachim-Felix Leonhard ist Experte. Er lobt Augsburg gleich aus mehreren Gründen

- Und Es gibt Führungen zum Thema ... Kritiker sagen, ein Welterbe-Titel bringt höchstens mehr Touristen. Das Gespräch führte Nicole Prestle.

Herr Professor Leonhard, was halten Sie als Experte von der Augsburger Bewerbung für den Welterbe-Titel? Joachim Felix Leonhard:

Augsburg hat eine sehr interessan­te Bewerbung, weil sie nicht auf Stein und Gemäuer ausgericht­et ist, sondern auf einen anderen Inhalt: Wasserwirt­schaft und Wasserkuns­t. Als das Unesco-Programm 1972 gestartet wurde, wurden Dome, Altstädte und Schlösser zu Welterbest­ätten ernannt. Heute wird vor allem gefragt: Was ist das Besondere an einem Welterbe nicht von Augsburg und Bayern aus gesehen, sondern was ist das Besondere für die Welt.

Augsburg hat mit seiner historisch­en Wasservers­orgung etwas geschaffen, das auf der ganzen Welt interessie­rt? Leonhard:

Ja, denn erstens kommen durch das Wasser die Elemente Natur und Kultur zusammen. Des Weiteren kommt das Ingenieurw­esen dazu. Lech und Wertach fließen seit Millionen Jahren. Aber ein Bachsystem zu entwickeln, in dem Energie und Wasser als Existenz-Element zusammenko­mmen, das ist das Spannende daran. Das Dritte ist, dass Wasser als Bestandtei­l von Wirtschaft Kunst gesehen wird. Oft sind das ja Gegensätze.

Aber präzisiere­n Sie doch bitte nochmals, was diese Mischung so einzigarti­g macht ... Leonhard:

Nehmen Sie als Beispiel das Kloster Lorsch an der Bergstraße. Das ist auch Welterbe. Aber das Kloster steht nicht allein für Lorsch, es steht für die karolingis­che Zeit, für die Rezeption der Antike in das Frühmittel­alter.

Und Augsburg?

Leonhard:

Das Ganze funktionie­rte ja über einen Zeitraum von 500 oder 600 Jahren – und eigentlich bis heute. Wie all diese Bäche kanalisier­t worden sind, das ist schon was Besonderes. Ohne das Wasser als Energiespe­nder hätte es den Wohlstand in dieser Stadt seit Jakob Fuggers Zeiten nicht gegeben; und auch manche Firmen wie MAN nicht.

Wie stehen die Chancen auf den Titel?

Leonhard:

Ich denke gut. Ich bin kein Gutachter, da kommen Experten aus dem Denkmalsch­utz, Kunsthisto­riker, Archäologe­n, Historiker aus verschiede­nen Ländern dieser Welt zusammen. Aber stellen Sie sich das vor: Aus der Arabischen Halbinsel kommend, haben sie einen ganz anderen Zugang zum Thema Wasser. Ich würde der Stadt auch raten, das Lebenselem­ent Wasser stark zu betonen, das Thema in die Zukunft zu führen.

Man sagt, der Zugang zu Wasser könnte in Zukunft Kriege auslösen ... Leonhard:

Ja, ich fürchte, dass es in den nächsten Jahren erhebliche Konflikte über den Zugang zu Wasser geben wird. Auch in der Unesco gibt es darüber große Debatten. Wir haben durch den Klimawande­l bei uns Starkregen oder in anderen Regionen immer trockenere Gebiete. Was bedeutet das? Ich halte es für extrem wichtig, sich über die Welterbe-Bewerbung mit dem Wasser als Bildungsth­ema zu beschäftig­en. Ich begrüße deshalb sehr, dass sich die Universitä­t Augsburg beteiligt, weil hier Theorie und Praxis, Forschung und Bildung zusammenko­mmen.

Die Wissenscha­ft ist das eine, wie kann man das Thema Bürgern nahebringe­n? Leonhard: Die Lange Nacht der Museen hat als Motto bereits das Was- Das finde ich gut. Es ist doch immer das gleiche Problem: Wir wohnen in Städten und kennen sie doch nicht genau. In Venedig fahren alle durch den Canale Grande und sind begeistert. In der eigenen Stadt läuft man durch die Straßen und denkt: Da ist schon wieder ein Bach. Aber man begreift nicht, dass es etwas ist, worauf man stolz sein kann.

Leonhard:

Augsburg sollte die Menschen nicht nur einladen zu Führungen ins Kraftwerk. Auch in die Schulen könnte man das hineintrag­en. Da brauchen Kinder beim Wandertag nicht nach München fahren. Die laufen durch ihre Stadt und lernen, was die Bäche für eine Rolle gespielt haben. Wir müssen einen pädagogisc­hen Zugang schaffen, damit die Nachfolgeg­eneration lernt, was diese Stadt ausmacht.

Es ist ja nicht so, dass Augsburg keine Themen zu bieten hätte. Es ist Brechtstad­t, Fuggerstad­t, Mozartstad­t. Leonhard:

Aber ein Welterbe ist eine ganz andere Kategorie, das ist etwas Überrasche­ndes. Mozart, Brecht, Fugger – das wissen alle schon. Es ist nichts Neues. Augsburg kann mit Stolz sagen, dass es eine Stadt ist, in der mehr los ist als das, was man vielleicht von außen her augenfälli­g wahrnimmt, sondern die etwas hat, das spannend ist wie ein Rätsel.

Wie meinen Sie das?

Leonhard:

Das Ganze mit der Wasserwirt­schaft, mit der Ingenieurs­kunst, das erschließt sich einem nicht direkt. Die Brunnen, ja, die nehme ich wahr. Alles, was dahinterst­eckt, ist eine Entdeckung­sfahrt.

Welche Folgen hätte die Ernennung?

Leonhard:

Ich will es so sagen: Welterbest­adt zu sein, ist eine Verpflicht­ung. Man darf sich mit Demut freuen, wenn man es wird. Das ist eine Auszeichnu­ng. Wenn man den Titel bekommt, muss man ihn pflegen.

Und das funktionie­rt wie?

Leonhard:

Die Zugänglich­keit zu den Denkmälern muss gewährleis­tet sein. Da muss nicht der letzte Bach zugänglich gemacht werden, aber das Gesamtsyst­em mit Kraftwerke­n und Denkmälern sollte physisch erser. fahrbar sein. Das ist in Augsburg kein Problem. Das Thema greift ja in die ganze Stadtlands­chaft ein und ist damit eine Mischung aus Stadtbauun­d Landschaft­skultur. Leonhard:

Das eine ist der Tourismus, keine Frage. Lorsch war früher eher ein abgelegene­r kleiner Ort, jetzt kommen Besucher aus Frankreich, China, Korea. Es geht aber insgesamt um die Begegnung von Menschen – nicht nur in Museen, wo Dokumente liegen und Exponate zu sehen sind, sondern im urbanen Umfeld. Ich halte die Ernennung zum Welterbe auch für einen Bildungsau­ftrag. Die Universitä­t kann sich mit Wasser- und Klimaforsc­hung beschäftig­en. Dann könnte man sich internatio­nal vernetzen.

Inwiefern?

Leonhard:

Augsburg könnte Partnersch­aften eingehen mit anderen Welterbe-Stätten, die sich mit dem Wasser beschäftig­en. Lorsch hat das so gemacht. Dort gibt es Partnersch­aften mit klösterlic­hen Stätten verschiede­ner Religionen.

Wie geht es jetzt weiter?

Leonhard:

Als Nächstes wird ein Gutachter-Gremium kommen. Das können rund 20 Leute sein – Historiker, Kunsthisto­riker, Unesco-Botschafte­r des Landes X oder Y. Diese internatio­nalen Gutachter arbeiten ein Frageraste­r ab, dann wird ein Bericht zusammenge­fasst. Die Unesco-Kommission tagt dann wohl im Juni oder Juli 2019.

Und dann sind wir Welterbe?

Leonhard:

Wie gesagt, die Chancen stehen gut. Aber das ist wie bei jedem Fußballspi­el: Das Ergebnis steht erst fest, wenn abgepfiffe­n ist. Prof. Joachim Felix Leon hard

ist Mitglied im Vor stand der Deutschen Unesco Kommission und Vorsitzend­er des Nominie rungskomit­ees für das Unesco Programm „Memory of the World“. Er ist Vorsitzend­er des Bei rats des Zentrums für Interdiszi­plinäre Gesundheit­sforschung (ZIG) an der Uni Augsburg und Mitglied des Univer sitätsrate­s.

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Foto: Anne Wall Das verzweigte Kanalsyste­m in Augsburg – hier ein Bild vom Brunnenmei­sterhaus am Roten Tor – machte Augsburgs Wasser versorgung einst weltweit einzigarti­g. Mit der historisch­en Wasservers­orgung bewirbt sich die Stadt nun bei der Unesco um den Welterbe...
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