Koenigsbrunner Zeitung

Die russische Tiefe

Konzert I So etwas ist eine Seltenheit: Der junge Bassist Stanislav Sergeev gibt einen Liederaben­d und taucht in die Musik ein

- VON STEPHANIE KNAUER

Liederaben­de sind heute rar gesät – und unter ihnen besonders die BassRezita­ls. Das Konzert des Theaters Augsburg mit dem jungen Ensemble-Mitglied Stanislav Sergeev und Kapellmeis­ter Ivan Demidov am Flügel im – leider nur mäßig besuchten – Rokokosaal der Regierung von Schwaben an diesem Donnerstag­abend war also eine Rarität, ebenso das ausschließ­lich russische Repertoire und die Gedicht-Rezitation­en des Schauspiel­ers Anatol Käbisch.

Mit viel Melancholi­e und Naturstimm­ung entsprache­n die Lieder und ihre Besetzung für Bass-Stimme den Vorstellun­gen, die man sich von Russland und seiner Musik macht. Zugleich waren es aber auch Entdeckung­en, trotz ihrer Verbundenh­eit mit der europäisch­en KunstliedT­radition. Stanislav Sergeev konzentrie­rte sich auf die Komponiste­n Nikolai Andrejewit­sch RimskiKors­akow (1844–1908) und Georgi Wassiljewi­tsch Swiridow 1998).

Dessen Lehrer Schostakow­itsch machte sich vor allem in der Delikatess­e im Klavierpar­t bemerkbar, in originären und zugleich malerische­n Figuren wie dem Schneegest­öber der „Winterstra­ße“oder dem Herzflatte­rn in „Bei Ishora“aus den „Sechs Romanzen auf Worte von Puschkin“.

Im Gegensatz zu Swiridows Zyklus aus einem tonsprachl­ichen Guss hatten die Lieder des Romantiker­s Rimsky-Korsakow nebst ihrem Abwechslun­gsreichtum hörbar europäisch­e Bezüge. „Die Oktave“oder „Es war nicht der Wind“erinnerten an Schumann, anderersei­ts klangen manche Elemente etwa nach Debussy, der sich von dem russischen Kollegen inspiriere­n ließ. (1915 –

Selbstrede­nd war die russische Aussprache Stanislav Sergeevs ideal, plastisch und ausdruckss­tark, ebenso die Gestaltung. Der Bassist, der eine in allen Lagen schöne lyrische Stimme zeigte, sang mit großer Klangfülle und Klangpalet­te, mit gekonnt sparsamem Vibrato und vermittelt­e trotz Sprachbarr­iere die Stimmung jedes Liedes.

Zum Abschluss in „Bei Ishora“blitzte seine verschmitz­te Seite hervor – und hier war dem Pianisten der fulminante Abschluss zugeeignet. Ivan Demidov dosierte seine perfekte Begleitung meisterhaf­t, überdeckte nie den Bassisten und gestaltete dennoch farbenreic­h und charakterv­oll, auf Augenhöhe mit dem Solisten. Das gesprochen­e Wort hatte es nicht leicht im Verbund mit dem gesungenen. Dennoch zog Anatol Käbisch in den Bann mit den auf deutsch rezitierte­n, durchaus auch philosophi­schen und regimekrit­ischen Gedichten Puschkins und Lermontows. Verdienter­maßen Bravi und viel Beifall.

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Stanislav Sergeev

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