Der Weg vom Dorf zur Stadt geht weiter
Bobingen wandelt sich immer wieder. Moderne Wohnhäuser haben im Zentrum alte Bauten verdrängt. Diese Entwicklung setzt sich fort. Wie Heimatforscher Georg Fritz dies sieht und an was zu erinnern ist
Die Stadt Bobingen wandelt sich immer wieder. Moderne Wohnhäuser haben im Zentrum viele alte Bauten ersetzt. Diese Entwicklung setzt sich auch in Zukunft fort. Wie Heimatforscher Georg Fritz dies sieht und an was zu erinnern ist.
Im Einwohnerbuch des ehemaligen Landkreises Schwabmünchen von 1967/68 heißt es noch: „Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestimmten Landwirtschaft und Gewerbe das Bild und das Leben in Bobingen. Mit der Jahrhundertwende entstand aus einer ehemaligen Bleicherei eine Kunstseidefabrik.“Damit begann die Fabrikgeschichte von Bobingen und mit ihr die allmähliche Veränderung des Ortes. Ein Haus jedoch, um das gerade viele bangen, wird wohl erhalten bleiben.
Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass in einer Gemeinde immer wieder Häuser abgetragen und durch Neubauten ersetzt werden. Aber in Bobingen sind in der jüngeren Vergangenheit besonders viele Häuser abgerissen worden, in den vergangenen zehn Jahren fast 30. Die Gründe sind unterschiedlich. Vorwiegend handelt es sich um Bauernhöfe mit langer Geschichte. Aber auch andere Bauten gehören dazu, wie der alte Backsteinbau am Bahnhof. Nicht immer gleichen sich die Hintergründe.
Noch im vergangenen Jahr wurde das Anwesen Hochstraße 29 – unmittelbar nördlich vom „Krebswirt“– abgetragen und inzwischen durch einen Wohnbau ersetzt. Erbaut wurde das alte Anwesen 1874, doch an dieser Stelle ist ein bäuerliches Anwesen bis mindestens 1424 zurück nachgewiesen. Der Hausname: „Maierbauer“. Bei Maierbauern handelte es sich um größere Höfe, meist mit bevorrechtigter Stellung (vgl. französisch „maire“= Bürgermeister, Vorsteher). Die Straße „Mayerweg“wurde nach diesem Hof benannt.
Zur Zeit wird der „Klockerbauer“an der Hochstraße 70 abgetragen. Der Hausname geht auf einen Georg Klocker zurück, der dort 1650 gebaut hat. Das Haus hat traufseitig ein Bild mit dem Hl. Georg und auf dem Dach ein doppelbalkiges Kreuz, das vor Blitzschlag schützen sollte. Der Straßenname „Glockerweg“an der Ostseite des Grundstückes erinnert an den Hausnamen des Hofes.
In der Lindauer Straße 26 wurde 2008 das letzte „Staudenhaus“abgerissen. Staudenhäuser sind am traufseitigen Eingang zweistöckig und auf der Rückseite nur einstöckig. Diesen Hoftyp gab es vor allem in Bobingen und in den Stauden. Nahe am Kloster Oberschönenfeld ist solch ein Staudenhaus noch zu besichtigen.
2006 wurden die Anwesen Hochstraße 28 und 30 abgetragen. Hier befindet sich jetzt der Edeka-Markt.
In der Hochstraße 1 (unmittelbar nördlich der Pfarrkirche) gab es eine besonders große Veränderung. Eine große Wohnanlage mit mehreren Bauten steht hier nun. Dazu wurde der Gasthof Deuringer samt seinen großen landwirtschaftlichen Gebäuden abgetragen. Früher befand sich in jedem Ort neben der Kirche auch ein Gasthof – in Bobingen waren es sogar zwei. Auch diese Tradition gehört mittlerweile allgemein der Vergangenheit an.
Das gesamte Areal ist sehr dicht bebaut worden. Dadurch wurde der zur Zeit viel beklagte Flächenverbrauch auf ein Minimum reduziert. Eine Verdichtung im Zentrum ist schon alleine deshalb sinnvoll, weil dort zahlreiche Einrichtungen der Infrastruktur in unmittelbarer Nähe sind.
Der „Klaiber-Hof“an der Hochstraße 4 – abgetragen 2013 – musste dem Sparkassengebäude weichen. Das Flachdach des Neubaus weicht von der herkömmlichen schwäbischen Satteldach-Bauweise grundlegend ab. Dieser Neubau-Stil ist in Bevölkerung auf ein unterschiedliches Echo gestoßen, zumal das Gebäude direkt neben dem historischen ehemaligen Pfarrhof (erbaut 1838) steht. Erfreulich ist dagegen, dass bei den zahlreichen übrigen Neubauten überwiegend die herkömmliche Satteldach-Bauweise beibehalten wurde, insbesondere auf dem ehemaligen DeuringerGrundstück.
Warum vor allem die Bauernhöfe weichen
Bei den in letzter Zeit in Bobingen abgetragenen Gebäuden handelt es sich überwiegend um Bauernhöfe. Warum ist das so? Das hat unter anderem etwas mit der Familienstruktur zu tun. Wenn man in alten Familien-Stammbüchern blättert, stellt man fest, dass früher zehn Kinder pro Familie keine Seltenheit waren. Da fand sich dann auch immer ein Hoferbe. Bei der geringen Kinderzahl heutzutage und den zahlreichen beruflichen Möglichkeiten ist das längst nicht mehr so.
Aber auch die Struktur der Landwirtschaft hat sich grundlegend verändert. Die Politik begünstigt Großbetriebe. Diese müssen viel Kapital in Gebäude, Maschinen und Technik investieren. Man kann von einer Industrialisierung der Landwirtschaft sprechen.
Andere Bedürfnisse, neue Entwicklungen
Hinzu kommt ein staatlich verordneter übertriebener Bürokratismus, über den viele Bauern klagen. Das alles will nicht jeder potenzielle Hoferbe in Kauf nehmen. Man kann von einem Höfesterben sprechen. Hatte Bobingen 1960 noch 156 selbstständige landwirtschaftliche Betriebe, so sind es heute nur noch etwa fünf Bauernhöfe mit Milchwirtschaft und knapp zehn viehlose, industriell geprägte Betriebe. Manche Gebäude wurden auch abgetragen, weil sich in unserer schnelllebigen Zeit andere oder gehobenere Bedürfnisse ergeben haben. So wurde 2007 die Güterhalle am Bahnhof samt der benachbarten Bahnmeisterei abgebrochen. In der Güterhalle kamen früher fast täglich Güterzugsendungen an – meist für die Bobinger Gewerbetreibenden. Das Frachtgut wurde von den Empfängern an der Rampe abgeholt. Diese Art der Zustellung auch kleiner Warenmengen per Schiene wurde abgeschafft. Die Halle stand daraufhin ungenutzt da. Die daneben liegende Bahnmeisterei beschäftigte etwa 20 Arbeiter, die für die Wartung der Gleisanlagen von Augsburg-Morellstraße bis Westerringen und Klosterlechfeld zuständig waren. Die Bahnmeisterei wurde nach Augsburg verlegt.
Die Güterhalle war ein stabiler Bau und hätte vielleicht noch anderweitig genutzt werden können. Aber die jetzige Nutzung des Grundstückes als Parkplatz ist eine zeitgemäße Alternative. Wie wird es wohl mit dem maroden Bahnhofsgebäude weitergehen?
Das Feuerwehrhaus in der Krumbacher Straße 6 – abgetragen 2014 – entsprach nicht mehr den Anforderungen der heutigen Zeit. Ein Neubau war dringend geboten. Der erfolgte an der Hoechster Straße.
Ähnliches galt für den Bauhof in der Wertachstraße 9, der 2004 abgerissen und im Gewerbegebiet West neu gebaut wurde. An seiner Stelle baut nun das Dominikus-RingeisenWerk ein großes Wohnhaus.
Das AWO-Seniorenheim in der Lindauer Straße 31 wird schrittweise abgetragen und neu gebaut. Das bisherige Gebäude wurde 1953 als Krankenhaus errichtet und 1957 erweitert. Nach dem Bau des jetzigen Krankenhauses in der Wertachstrader ße (1969) übernahm die Arbeiterwohlfahrt das Haus, erweiterte es nochmals und richtete dort ein Seniorenheim ein. Doch auch dieses Haus hat mittlerweile nicht mehr den heute erforderlichen Standard. Auch der Bedarf an Pflegeplätzen ist deutlich gestiegen. Der geplante größere Neubau ist deshalb eine sinnvolle Maßnahme.
Wie es weitergeht und was bleiben wird
Auch in Zukunft wird man Häuser abtragen und neue errichten, aber vielleicht nicht im bisherigen Tempo. Die Gründe sind – wie gesagt – verschiedener Natur: Aus dem einstigen Dorf mit selbstständigen Landwirten und Gewerbetreibenden ist ein Ort der Arbeitnehmer geworden. Und der wächst stetig weiter.
Auch der soziologische Wandel – unter anderem durch größeren Zuzug – und die veränderten Lebensgewohnheiten und Ansprüche der Menschen werden weitere Veränderungen auslösen.
Doch ein Gebäude dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit erhalten bleiben: Der St. Ulrich Zehntstadel in der Hochstraße 61. Schon seine Form und Lage weist auf seine Besonderheit hin. Anders als die Regel der alten Landwirtschaftsbauten, weist seine Giebel nicht zur Straße, sondern ist längs zu ihr ausgerichtet. Und er ist weit zurückgesetzt, damit Fuhrwerke gut anfahren, abladen und wegfahren konnten. Denn hier haben die Bauern einst ihre Abgaben ans Kloster St. Ulrich und Afra in Form von Ernteanteilen – den Zehnten – abgeliefert.
An einem Zaun des Zehntstadels hängt gerade ein Schild „zu verkaufen“. Doch da das Haus unter Denkmalschutz steht, dürfte es in seiner Grundsubstanz auf jeden Fall erhalten bleiben.