Koenigsbrunner Zeitung

Ideen aus dem Nichts

Impro à la turca in der Kresslesmü­hle

- VON STEFANIE SCHOENE

Bayram ist ein cooler Typ und der beste Freund von Zuschauer Max. Max will nicht, aber am Ende hat ihn das Trio des Münchener Improvisat­ionstheate­rs so weit: In den Händen links eine Schelle, rechts eine Hupe, dirigiert er in der Kresslesmü­hle das Spiel der Münchener, die den Beginn Bayrams und seiner Freundscha­ft auf die Bühne bringen. Geschmeidi­g, witzig und unter dem Gelächter der etwa 40 Zuschauer bewegen sich Hülya Bozkurt-Weller (Bayram), Yusuf Demirkol (Max) und Sahika Tetik (Max’ Freundin) durch ihre spontan „getürkten“Szenen. Wobei: „Getürkt“dürfen nur Türken sagen, warnt Demirkol. Sonst droht Diskrimini­erung.

Schelle schütteln heißt: korrekt. Hupe drücken: falsch. Die Darsteller testen sich durch die deutschen Vorbehalte. Macho-Bayram mit dem BMW, Raucher, zwangsverh­eiratet mit 16, will eine Männerfreu­ndschaft mit Max. Der solle seine Freundin doch auch mal zu Hause lassen wie er selbst seine Aise. Frauen stören. Bis dahin kein Widerspruc­h von Max. Die Hupe schweigt. Nur der BMW ist falsch. Fährt Bayram Fahrrad oder öffentlich­e Verkehrsmi­ttel?

So ganz klären lässt sich das nicht. Ist aber auch egal, denn Improvisat­ions-Comedy lebt nicht von der Wahrheit. Im Gegenteil. Gut trainiert, zeigen Impro à la turca Lügen, Kreativitä­t, Geistesgeg­enwart und Geschichte­n, die sich auf Zuruf aus dem Publikum in ihren Köpfen entwickeln. Alltagssit­uationen bekommen durch das unablässig ratternde Kopfkino der Darsteller plötzlich absurd zugespitzt­e Züge. Auch Körpereins­atz geht – trotz der kleinen Bühne. Ausgreifen­d stolziert Hülya mit hohen Absätzen über den Stadtmarkt oder steckt mit ihrer Kollegin bis zu den Ellenbogen im Dönerfleis­ch, das in der Fabrik synchron geknetet werden muss.

Fasziniere­nd zu sehen ist, wie hingeworfe­ne Gags der je anderen aufgenomme­n und in atemberaub­endem Tempo geistesgeg­enwärtig weitergesp­onnen werden. Bis heute, so Yusuf Demirkol, seien Impro à la turca die einzige deutsch-türkische Combo für Improvisat­ionstheate­r im deutschspr­achigen Raum. Zugewandt, blitzgesch­eit und mit einem ordentlich­en Schuss Lokalkolor­it reißen sie ihr Publikum mit und haben sichtbar selber Spaß an ihren Geschichte­n. Die deutschtür­kischen Klischees, die sie aufs Korn nehmen, und die ja ihr Markenzeic­hen sind, bleiben jedoch bis auf kurze politische Momente eher harmlos und oberflächl­ich. Mit mehr Mut ließen sich sicher auch aktuelle Verhärtung­en im deutschtür­kischen Alltag ein wenig weglachen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany