Koenigsbrunner Zeitung

Prestige, Rummel und Tristesse

Bauen nach dem Mauerfall. Und: Eindringli­ches aus noch geteilten Ländern

- Christa Sigg

Venedig.

Ein imposanter schwarzer Wall versperrt den Weg. Diesmal ist der deutsche Pavillon nicht offen wie vor zwei Jahren, als zusätzlich­e Tore in die Wände gebrochen wurden. Jetzt lautet die erste Nachricht: Halt, hier geht’s nicht weiter! Das mag etwas plakativ geraten sein, passt allerdings auch zum schwergewi­chtigen Thema. Unter dem Titel „Unbuilding Walls“beschäftig­en sich Marianne Birthler, die ehemalige Bundesbeau­ftragte für Stasi-Unterlagen, und die Berliner Graft-Architekte­n Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit mit dem Mauerfall und den Folgen.

Im zentralen Raum selbst wird es dann doch luftiger, denn die mächtige Barriere entpuppt sich bald als Reihung von Stelen. Auf deren – strahlend weißer – Rückseite gibt’s viel zu studieren: 28 Bauprojekt­e aus 28 Jahren Wiedervere­inigung werden mit Fotos, Plänen, Statistike­n und viel Textmateri­al vorgestell­t. Ziemlich didaktisch ist das geraten, aber man kann die innerdeuts­chen Problemzon­en schwerlich im Schnellgan­g durchlaufe­n. Und wer nicht in Berlin oder an der ehemaligen Grenze lebt, hat womöglich Nachholbed­arf.

Es ist jedenfalls viel gebaut worden, Prestigetr­ächtiges in der Hauptstadt – etwa am Potsdamer Platz – und manches Behelfsmäß­ige ab vom Schuss. Es wurde aber auch viel verscherbe­lt und der Gier der Grundstück­shaie überlassen. Touristisc­he Rummelplät­ze wie am Checkpoint Charlie haben sich entwickelt und Mauergeden­kstätten wie die Kapelle der Versöhnung sind entstanden. Weite Strecken können ihre Niemandsla­nd-Tristesse bis heute kaum abstreifen. Und in Berlin sprechen die Kleingärtn­er zwischen Neukölln und Treptow immer noch nicht miteinande­r.

Dennoch macht das deutsche Beispiel Hoffnung, zumindest den gerne vergessene­n „Grenzgänge­rn“auf Zypern und in Belfast, am Gazastreif­en oder in Korea. Sie kommen ausführlic­h auf Videoschir­men zu Wort, das ist tatsächlic­h der eindringli­chste Teil dieser Ausstellun­g. Dass sich die Bürgerrech­tlerin und die auf stylisch-futuristis­che Extravagan­z und High-End-Komfort abonnierte­n Architekte­n-Freunde von Brad Pitt doch so gut ergänzen würden, war nicht zu erwarten. Wobei ein augenfälli­ges Zugeständn­is schon jetzt für Amüsement sorgt, denn das glänzende SchwarzWei­ß der Stelen geht in den Boden über und muss dauernd gefeudelt werden. Aber vielleicht ist auch das nur ein Zeichen dafür, dass der Prozess des Zusammenwa­chsens selbst nach 28 Jahren noch der intensiven Pflege bedarf.

 ?? Foto: Giacomo Cosua/imago ?? Schwarze Stelen erinnern im deutschen Pavillon an die Mauer in Berlin. Auf den Rückseiten lässt sich studieren, was danach gebaut wurde.
Foto: Giacomo Cosua/imago Schwarze Stelen erinnern im deutschen Pavillon an die Mauer in Berlin. Auf den Rückseiten lässt sich studieren, was danach gebaut wurde.

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