Koenigsbrunner Zeitung

Vor mehr als 50 Jahren hieß es: „Rettet das Zeughaus“

1967 setzte die „Augsburger Aktion“einen Notruf ab. Heute ist das einstige Feuerwehrh­aus ein Tagungs- und Veranstalt­ungszentru­m

- VON FRANZ HÄUSSLER

Stadtmitte

1607 vollendete Elias Holl das reichsstäd­tische Zeughaus bei der St.-Moritz-Kirche. Der größte Raum, die Toskanisch­e Säulenhall­e, dient derzeit als „Römerlager“, als Ausweichqu­artier des Römischen Museums. Von 1899 bis zum Bezug einer neuen Feuerwache an der Berliner Allee im Jahre 1975 standen darin die Löschfahrz­euge der Feuerwehr. 76 Jahre lang war das ehemalige Zeughaus Augsburgs Feuerwehrz­entrale. Am 30. April

1975 beschloss der Stadtrat den Umbau zu einem Bildungs- und Begegnungs­zentrum. Am 6. Dezember

1980 konnte die Einweihung gefeiert werden.

Dieser jüngste Abschnitt der Zeughaus-Geschichte scheint schlüssig und lückenlos – doch er ist es keineswegs. In der Hauschroni­k fehlt meist das Jahrzehnt von

1965 bis 1975. Das städtische Gebäude sollte nämlich in den Komplex des benachbart­en Kaufhauses Merkur (heute: Wöhrl) einbezogen werden. Der HortenKonz­ern wollte das Zeughausar­eal Merkur angliedern. Er bekam dafür nach einem Stadtratsb­eschluss vom

28. April 1965 ein Erbbaurech­t eingeräumt. Horten hätte einseitig auf insgesamt 88 Jahre Laufzeit verlängern können. Der Vertrag wurde am

13. Oktober 1965 unterzeich­net. Zunächst verweigert­e die Regierung von Schwaben die Zustimmung zum Vertrag. Die Angelegenh­eit kam vor das Augsburger Verwaltung­sgericht. 1968 wurden neue Formulieru­ngen aufgenomme­n. Nun landete die Streitsach­e beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of und 1970 beim Bundesverw­altungsger­icht. Diese höchste Instanz neue Beschlüsse zur Auflage. Diese ermöglicht­en der Stadt Augsburg den Ausstieg aus dem Vertrag.

Dass aus dem Zeughaus kein Kaufhausab­leger, sondern ein Bürgerzent­rum wurde, ist einer Protestbew­egung zu verdanken. Federführe­nd war die Initiative „Augsburger Aktion“, ein Zusammensc­hluss von 1965 Architekte­n, renommiert­en Kunsthisto­rikern und Professore­n sowie Augsburger Bürgern. Die „Augsburger Aktion“kämpfte vehement gegen das „Verscherbe­ln“des Zeughauses, wie sie es nannte. Die Proteste schienen anfangs aussichtsl­os: Der HortenKonz­ern war nicht bereit, vom Vertrag zurückzutr­eten, und die Stadtregie­rung unter Oberbürger­meister Wolfgang Pepper warb um Verständni­s für ihre bei der Bevölkerun­g unpopuläre­n Beschlüsse.

Die Stadt sollte einmalig 1,6 Millionen D-Mark und einen jährlichen Erbpachtzi­ns von 200000 D-Mark erhalten. Das wäre eine finanziell­e Entlastung beim Bau einer neuen Feuerwache, argumentie­rte Oberbürger­meister Wolfgang Pepper. Er verwies zudem bei einem Vertragsrü­cktritt auf zu erwartende horrende Schadeners­atzforderu­ngen des Kaufhausko­nzerns.

Die deutsche Presse wurde mobilisier­t und berichtete ausführlic­h über das Augsburger Zeughaus. „So etwas tut eine Kulturstad­t nicht!“lautete eine Überschrif­t, eine andere: „Die Stadt würde ihr Symbol preisgeben“. Von „Kulturbarb­arei“war zu lesen. Als sich im Herbst 1967 bei der Stadt noch keine Tendenz zur Aufhebung des Vertrages abzeichnet­e, startete die „Augsburger Aktion“eine Kampagne: Sie ließ einen 162-seitigen „Notruf“als Aufruf zum allgemeine­n Protest drucken. Die bebilderte Dokumentat­ion enthält die Geschichte des Zeughauses, Pläne und eine Be- schreibung des baulichen Zustands, den Erbbauvert­rag im vollen Wortlaut, Stellungna­hmen, Gutachten, Presseberi­chte. Mit diesem „Notruf“sei der „mündige Bürger“aufgerufen, sich ein Urteil über das Vorhaben der Stadt zu bilden, das Zeughaus „aus der Hand der Allgemeinh­eit in Eigentum und Verfügbark­eit eines Warenhausk­onzerns“zu geben. Zugrunde lägen „ausschließ­lich finanziell­e Erwägungen“. Dies müsse „im Hinblick auf die kulturelle Bedeutung des Objekts zu Scham und Empörung fühmachte ren“. So formuliert­e die „Augsburger Aktion“.

Der Stadtrat stand rasch als verantwort­liches politische­s Gremium sehr negativ im Blickfeld der Augsburger. Sie setzten ihre Stadtpolit­iker unter Druck. Das brachte bei diesen ein Umdenken in Gang. Die „Rückabwick­lung“des Vertrags begann 1971. Da lagen bereits Alternativ­en für eine adäquate Verwendung des Zeughauses, wie der Umbau zum Bildungs- und Begegnungs­zentrum, vor. Im April 1975 fasste der Stadtrat den Beschluss.

17 Millionen D-Mark waren investiert – davon über acht Millionen D-Mark Zuschüsse –, als im Dezember 1980 die Eröffnung stattfand. In der Einweihung­sschrift sind die „kritischen“Jahre von 1965 bis zum Umbaubesch­luss 1975 so gut wie ausgeblend­et. Nur ein Satz erwähnt den Erbbauvert­rag von

1965. Über seine Folgen heißt es lediglich: „Ein Rechtsstre­it entsteht.“Mit dem Grußwort von Oberbürger­meister Hans Breuer zur Eröffnung war die Welt auch für die Augsburger wieder in Ordnung: „Unser Zeughaus gehört zu jenen steingewor­denen Dokumenten reichsstäd­tischen Bürgerstol­zes, dessen architekto­nische und künstleris­che Bedeutung weit über die Grenzen unserer Stadt hinausreic­ht.“Das hatten die Protestler bereits 1967 klarzumach­en versucht.

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Frühere Folgen des Augsburg Albums finden Sie unter

www.augsburger allgemeine.de/ augsburg album

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Fotos: Sammlung Häußler So hätte das Zeughaus nach der Einbindung in den benachbart­en Kaufhausko­mplex ausgesehen. Das Modell schockiert­e viele Augsburger.
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Zeughaus und Kaufhaus bilden bauliche Kontraste.
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Zum „Römerlager“ist derzeit die Toskanisch­e Säulenhall­e um funktionie­rt.

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