Die Außenwirkung kann größer werden
Klaus Kusenberg hat als Schauspieldirektor in Nürnberg erlebt, was es bedeutet, wenn ein Theater zu einem Staatstheater ernannt wird. Vorteilhaft war das vor allem für den städtischen Haushalt
Herr Kusenberg, das Theater Augsburg wird im September ein Staatstheater, Sie haben als Schauspieldirektor in Nürnberg erlebt, was das für ein Theaterhaus bedeutet. Wie sah die Situation in Nürnberg ums Jahr 2000 aus, bevor das Stadttheater ein Staatstheater wurde? Klaus Kusenberg:
Mir fallen zwei Dinge ein. Das Theater von Nürnberg ist kein kleines, es ist ein richtig großes Haus, das chronisch unterfinanziert gewesen ist. Warum? Weil die Großstadt Nürnberg ebenfalls chronisch verschuldet war und ist. Was zur Folge hatte, dass über dem Theater in regelmäßigen Abständen Sparwellen hinweggegangen sind. Die ganze Stadt musste sparen, also musste auch das Theater sparen.
Wie hat sich das geäußert?
Kusenberg:
Es war zum Teil massiv. Die letzte Sparwelle ging ein paar Jahre vor meinem Antritt im Jahr
2000 über das Haus hinweg. Das Theater war gezwungen, 35 bis 40 Stellen einzusparen. Solche brachialen Aktionen hatte es im Lauf der Jahrzehnte in Nürnberg mehrere gegeben. Als ich anfing, hatte das Haus ein Level erreicht, an dem klar war: Wenn noch einmal so gespart wird, dann betreiben wir Etikettenschwindel, dann täuschen wir ein Stadttheater einer 500 000-Einwohner-Stadt vor, ohne es zu sein. Kusenberg:
Ja, als ich in Nürnberg im Jahr 2000 als Schauspieldirektor angefangen habe, war mein Empfangsgeschenk ein einzelner Stadtrat, der den Antrag stellte, dass die Stadt prüfen solle, wie viel Geld sie einspart, wenn das Schauspiel geschlossen wird. Das war mir natürlich in die Glieder gefahren.
Welche Auswirkungen hatte es für das Theater, dann in ein Staatstheater umgewandelt zu werden? Kusenberg:
Der Prozess, dass man ein großes Theater mit zu wenig Personal und zu kleinen finanziellen Ressourcen war, dieser Prozess ist erst einmal gestoppt worden.
Sie haben dann höhere Zuschüsse für das Theater bekommen? Kusenberg:
Wichtig war, dass es auf einmal Planungssicherheit gab. Schon das war ein Riesenschritt. Das Theater wurde fortan von einer Stiftung verwaltet, die zu fünfzig Prozent der Stadt und zu fünfzig Pro- zent dem Land gehört. Dadurch war es nicht mehr möglich, dass ein einzelner Stadtrat allein eine Schließungsdiskussion lostreten konnte.
Ist Ihr Etat damals spürbar erhöht worden? Kusenberg:
Nein. Zunächst nicht. Der Effekt war, dass die Stadt Nürnberg enorm entlastet wurde. Der Freistaat hat von den Kosten 50 Prozent übernommen. Die Stadt sparte sich viele Millionen Euro jährlich. Für uns hat sich nichts geändert, es war nicht mehr Geld da, es kam jetzt nur aus verschiedenen Töpfen.
Haben sich damals für Sie gleichzeitig die Kosten erhöht, weil die Tariflöhne oder die Gagen höher ausfielen? Kusenberg:
Wie es im Detail war, zum Beispiel beim Orchester, da bin ich überfragt. Aber ich würde einmal sagen: Nein. In dem Stiftungsvertrag ist festgeschrieben worden, die tariflichen Vereinbarungen zum Beispiel für die Techniker so bleiben, dass sich für diese Mitarbeiter nichts verschlechtert. Das hätte ja auch sein können.
Wie hat es sich bei den Gagen verhalten? Kusenberg:
Sowohl bei Menschen, die bei uns gearbeitet haben, als auch bei den Künstlern von außen hieß es plötzlich: So, ihr seid doch jetzt Staatstheater. Da erwarten wir mehr Gage. Und wir mussten damals erklären, dass das Staatstheater nur auf einen neuen Träger verweist, mit dem neuen Namen aber nicht mehr Geld verbunden war. Das hat auch gut funktioniert. Es gab keine Gagensprünge.
Kurzfristig gab es keine großen Erhöhungen des Etats, wie sah das mittelfristig am Theater Nürnberg aus? Kusenberg: Bei den Etatberatungen konnten wir davon profitieren, dass sie nicht mehr im Stadtrat, sondern im Stiftungsrat stattfanden. Geholfen haben uns die Prüfer vom Landesrechnungshof. Dort gab es Vergleichszahlen von den anderen Staatstheatern. Die Prüfer kamen schnell an den Punkt, dass sie sagten: Wow, ihr leistet eine Menge, aber mit deutlich weniger Geld als an den anderen Staatstheatern. Mit dieser Einschätzung haben sie uns über die Jahre sehr geholfen. Niemand ist auf die Idee gekommen, uns in dieser Situation die Mittel zu kürzen. Über die Jahre ist es auch gelungen, zusätzliche Stellen bewilligt zu bekommen.
Der Etat des Hauses ist im Lauf der Jahre nicht in großen Sprüngen, aber organisch gewachsen? Kusenberg:
Es war ein sehr organischer Prozess. Insofern war es kompliziert, dass es einen großen Unterdass schied ausmacht, ob man an den Freistaat mit Wünschen herantritt oder ob man an eine kommunale Stadtregierung herantritt, die nicht weiß, woher sie das Geld nehmen soll.
Was hat sich künstlerisch verändert? Hat der Titel Staatstheater dem Haus einen Schub gegeben? Kusenberg:
Ja, das kann man schon sagen. Vor allem verstärkt durch den Neubau haben wir eine andere, bessere Außenwahrnehmung gehabt. Sofort. Das war manchmal verwunderlich. Intern wussten wir ja, dass wir dieselben waren wie vorher und die gleiche Arbeit wie vorher machten. Trotzdem ist man von außen anders betrachtet worden. Auch die Regelmäßigkeit der Berichterstattung war eine andere. Das hat sich total geändert. In dieser Konsequenz war das zuvor weiß Gott nicht der Fall.
Das Staatstheater Nürnberg hat also stärker von dem Nimbus profitiert als davon, über mehr Geld zu verfügen? Kusenberg:
Auf lange Sicht hat sich das auch finanziell ausgezahlt. Es gab begründete Steigerungen im Etat. Durch die steigenden Wünsche und Ansprüche an das Haus hatten wir gute Argumente, die Finanzierung zu erhöhen.
Nach 18 Theaterjahren – also einer Ewigkeit – verlassen Sie jetzt Nürnberg. Freiwillig? Kusenberg:
Diese Konstanz ist nur dadurch zu erklären, dass es sehr viele Projekte gab – etwa der Neubau des Schauspielhauses. Immer war etwas anderes zu tun, und plötzlich sind es 18 Jahre geworden. Unglaublich. Durch den Intendantenwechsel in der kommenden Spielzeit war mir klar, dass ein großer Einschnitt am Haus kommt.
Sie wechseln an das Theater Regensburg – als Schauspieldirektor. Wann wird Regensburg ein Staatstheater? Kusenberg:
(lacht) Ich sage es jetzt mal so: Augsburg hat es auch ohne mich geschafft.