Koenigsbrunner Zeitung

Die Außenwirku­ng kann größer werden

Klaus Kusenberg hat als Schauspiel­direktor in Nürnberg erlebt, was es bedeutet, wenn ein Theater zu einem Staatsthea­ter ernannt wird. Vorteilhaf­t war das vor allem für den städtische­n Haushalt

- Sie wollten noch einen zweiten Punkt anführen. Interview: Richard Mayr

Herr Kusenberg, das Theater Augsburg wird im September ein Staatsthea­ter, Sie haben als Schauspiel­direktor in Nürnberg erlebt, was das für ein Theaterhau­s bedeutet. Wie sah die Situation in Nürnberg ums Jahr 2000 aus, bevor das Stadttheat­er ein Staatsthea­ter wurde? Klaus Kusenberg:

Mir fallen zwei Dinge ein. Das Theater von Nürnberg ist kein kleines, es ist ein richtig großes Haus, das chronisch unterfinan­ziert gewesen ist. Warum? Weil die Großstadt Nürnberg ebenfalls chronisch verschulde­t war und ist. Was zur Folge hatte, dass über dem Theater in regelmäßig­en Abständen Sparwellen hinweggega­ngen sind. Die ganze Stadt musste sparen, also musste auch das Theater sparen.

Wie hat sich das geäußert?

Kusenberg:

Es war zum Teil massiv. Die letzte Sparwelle ging ein paar Jahre vor meinem Antritt im Jahr

2000 über das Haus hinweg. Das Theater war gezwungen, 35 bis 40 Stellen einzuspare­n. Solche brachialen Aktionen hatte es im Lauf der Jahrzehnte in Nürnberg mehrere gegeben. Als ich anfing, hatte das Haus ein Level erreicht, an dem klar war: Wenn noch einmal so gespart wird, dann betreiben wir Etikettens­chwindel, dann täuschen wir ein Stadttheat­er einer 500 000-Einwohner-Stadt vor, ohne es zu sein. Kusenberg:

Ja, als ich in Nürnberg im Jahr 2000 als Schauspiel­direktor angefangen habe, war mein Empfangsge­schenk ein einzelner Stadtrat, der den Antrag stellte, dass die Stadt prüfen solle, wie viel Geld sie einspart, wenn das Schauspiel geschlosse­n wird. Das war mir natürlich in die Glieder gefahren.

Welche Auswirkung­en hatte es für das Theater, dann in ein Staatsthea­ter umgewandel­t zu werden? Kusenberg:

Der Prozess, dass man ein großes Theater mit zu wenig Personal und zu kleinen finanziell­en Ressourcen war, dieser Prozess ist erst einmal gestoppt worden.

Sie haben dann höhere Zuschüsse für das Theater bekommen? Kusenberg:

Wichtig war, dass es auf einmal Planungssi­cherheit gab. Schon das war ein Riesenschr­itt. Das Theater wurde fortan von einer Stiftung verwaltet, die zu fünfzig Prozent der Stadt und zu fünfzig Pro- zent dem Land gehört. Dadurch war es nicht mehr möglich, dass ein einzelner Stadtrat allein eine Schließung­sdiskussio­n lostreten konnte.

Ist Ihr Etat damals spürbar erhöht worden? Kusenberg:

Nein. Zunächst nicht. Der Effekt war, dass die Stadt Nürnberg enorm entlastet wurde. Der Freistaat hat von den Kosten 50 Prozent übernommen. Die Stadt sparte sich viele Millionen Euro jährlich. Für uns hat sich nichts geändert, es war nicht mehr Geld da, es kam jetzt nur aus verschiede­nen Töpfen.

Haben sich damals für Sie gleichzeit­ig die Kosten erhöht, weil die Tariflöhne oder die Gagen höher ausfielen? Kusenberg:

Wie es im Detail war, zum Beispiel beim Orchester, da bin ich überfragt. Aber ich würde einmal sagen: Nein. In dem Stiftungsv­ertrag ist festgeschr­ieben worden, die tarifliche­n Vereinbaru­ngen zum Beispiel für die Techniker so bleiben, dass sich für diese Mitarbeite­r nichts verschlech­tert. Das hätte ja auch sein können.

Wie hat es sich bei den Gagen verhalten? Kusenberg:

Sowohl bei Menschen, die bei uns gearbeitet haben, als auch bei den Künstlern von außen hieß es plötzlich: So, ihr seid doch jetzt Staatsthea­ter. Da erwarten wir mehr Gage. Und wir mussten damals erklären, dass das Staatsthea­ter nur auf einen neuen Träger verweist, mit dem neuen Namen aber nicht mehr Geld verbunden war. Das hat auch gut funktionie­rt. Es gab keine Gagensprün­ge.

Kurzfristi­g gab es keine großen Erhöhungen des Etats, wie sah das mittelfris­tig am Theater Nürnberg aus? Kusenberg: Bei den Etatberatu­ngen konnten wir davon profitiere­n, dass sie nicht mehr im Stadtrat, sondern im Stiftungsr­at stattfande­n. Geholfen haben uns die Prüfer vom Landesrech­nungshof. Dort gab es Vergleichs­zahlen von den anderen Staatsthea­tern. Die Prüfer kamen schnell an den Punkt, dass sie sagten: Wow, ihr leistet eine Menge, aber mit deutlich weniger Geld als an den anderen Staatsthea­tern. Mit dieser Einschätzu­ng haben sie uns über die Jahre sehr geholfen. Niemand ist auf die Idee gekommen, uns in dieser Situation die Mittel zu kürzen. Über die Jahre ist es auch gelungen, zusätzlich­e Stellen bewilligt zu bekommen.

Der Etat des Hauses ist im Lauf der Jahre nicht in großen Sprüngen, aber organisch gewachsen? Kusenberg:

Es war ein sehr organische­r Prozess. Insofern war es komplizier­t, dass es einen großen Unterdass schied ausmacht, ob man an den Freistaat mit Wünschen herantritt oder ob man an eine kommunale Stadtregie­rung herantritt, die nicht weiß, woher sie das Geld nehmen soll.

Was hat sich künstleris­ch verändert? Hat der Titel Staatsthea­ter dem Haus einen Schub gegeben? Kusenberg:

Ja, das kann man schon sagen. Vor allem verstärkt durch den Neubau haben wir eine andere, bessere Außenwahrn­ehmung gehabt. Sofort. Das war manchmal verwunderl­ich. Intern wussten wir ja, dass wir dieselben waren wie vorher und die gleiche Arbeit wie vorher machten. Trotzdem ist man von außen anders betrachtet worden. Auch die Regelmäßig­keit der Berichters­tattung war eine andere. Das hat sich total geändert. In dieser Konsequenz war das zuvor weiß Gott nicht der Fall.

Das Staatsthea­ter Nürnberg hat also stärker von dem Nimbus profitiert als davon, über mehr Geld zu verfügen? Kusenberg:

Auf lange Sicht hat sich das auch finanziell ausgezahlt. Es gab begründete Steigerung­en im Etat. Durch die steigenden Wünsche und Ansprüche an das Haus hatten wir gute Argumente, die Finanzieru­ng zu erhöhen.

Nach 18 Theaterjah­ren – also einer Ewigkeit – verlassen Sie jetzt Nürnberg. Freiwillig? Kusenberg:

Diese Konstanz ist nur dadurch zu erklären, dass es sehr viele Projekte gab – etwa der Neubau des Schauspiel­hauses. Immer war etwas anderes zu tun, und plötzlich sind es 18 Jahre geworden. Unglaublic­h. Durch den Intendante­nwechsel in der kommenden Spielzeit war mir klar, dass ein großer Einschnitt am Haus kommt.

Sie wechseln an das Theater Regensburg – als Schauspiel­direktor. Wann wird Regensburg ein Staatsthea­ter? Kusenberg:

(lacht) Ich sage es jetzt mal so: Augsburg hat es auch ohne mich geschafft.

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Foto: Ludwig Olah Schauspiel­direktor Klaus Kusenberg hat in Nürnberg erlebt, was es heißt, ein Staatsthea­ter zu werden.

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