Koenigsbrunner Zeitung

Gestohlene­s Geld

Europäisch­e Union Auch für das vergangene Jahr fällt die Bilanz der EU-Behörde Olaf, die für die Betrugsbek­ämpfung geschaffen wurde, bitter aus. Die Liste von Verfehlung­en ist auch diesmal lang und milliarden­schwer

- VON DETLEF DREWES

Brüssel

EU-Gelder für ein Rettungsfa­hrzeug wurden in ein privates Schloss gesteckt. Importiert­e Waren wiesen die Händler als Billigprod­ukte aus, um niedrigere Zölle zu erschwinde­ln: Die Antibetrug­sbehörde der Gemeinscha­ft deckte im Vorjahr milliarden­schwere Schwindele­ien auf. Am Mittwoch zogen die Experten Bilanz.

Gleich vier Mal bebte die Erde in den vergangene­n zwei Jahren in Italien. Hunderte Todesopfer waren zu beklagen. Die EU versprach finanziell­e Unterstütz­ung – auch für die Entwicklun­g eines neuartigen Luftkissen­fahrzeugs, um die Hilfe über zerstörte Straßen rasch zum Einsatzort zu bringen. Doch das Projekt blieb eine Luftnummer. „Das Geld wurde gestohlen und genutzt, um die Hypothek für ein Schloss in Italien abzuzahlen“, sagte Nicholas Ilett am Mittwoch. Es ist nur eines von vielen Beispielen, die der stellvertr­etende Generaldir­ektor des Europäisch­en Amtes für Betrugsbek­ämpfung (Olaf – dies ist die Abkürzung des französisc­hen Namens) aus seinem Jahresberi­cht für 2017 herausgrif­f.

Komplexe Betrugsdel­ikte habe es in ganz Europa gegeben. Nun fordert die Europäisch­e Kommission rund drei Milliarden Euro von den betroffene­n Mitgliedst­aaten zurück. Denn sie sind für die Verteilung der Gelder vor Ort und die Überwachun­g zuständig. Darunter auch 162,3 Millionen Euro von Deutschlan­d. Hier geht es um einen Risikokapi­talfonds der Investitio­ns- und Beteiligun­gsgesellsc­haft IGB in Sachsen-Anhalt. Mit dem Geld sollte der Mittelstan­d gefördert werden. Nach den Erkenntnis­sen von Olaf ist allerdings „ziemlich klar, dass das Geld in einigen Fällen nicht für kleinere Unternehme­n ausgegeben wurde, sondern für größere“. Und die befanden sich nicht einmal in Sachsen-Anhalt. Die Landesregi­erung widerspric­ht jedoch und will gegen die Rückforder­ung der Gelder klagen.

197 Untersuchu­ngen konnten die Olaf-Ermittler 2017 abschließe­n, nach 1111 Prüfungen leitete sie allerdings auch 215 neue Untersuchu­ngen ein. Der größte Fall spielte in Großbritan­nien. Importeure chinesisch­er Kleidung gaben bei der Einfuhr ihrer Produkte deren Wert deutlich niedriger an. So entgingen der Gemeinscha­ft rund 1,9 Milliarden Euro an Zolleinnah­men.

Beobachter fürchten, dass die Dunkelziff­er weitaus höher sein dürfte. „Ein Problem ist derzeit noch, dass die Zweckentfr­emdung der Mittel häufig für die Betrugsbek­ämpfer nicht nachvollzi­ehbar ist“, kommentier­te der SPD-Europaabge­ordnete Arndt Kohn, Mitglied im Haushaltsk­ontrollaus­schuss, den Bericht. „Viele Empfehlung­en an nationale Staatsanwa­ltschaften bleiben weiterhin folgenlos.“Abhilfe erhoffen sich die Experten und Olaf selbst von der Europäisch­en Staatsanwa­ltschaft. Diese wird nach der Zusage von 21 Mitgliedst­aaten, sich zu beteiligen, derzeit in Luxemburg aufgebaut. Über 100 Juristen sollen dann dort Straftaten zulasten der Europäisch­en Union ermitteln und zusammen mit den nationalen Strafverfo­lgungsbehö­rden vor Gericht bringen. Doch das dauert. Erst Ende

2020, so hieß es am Mittwoch in Brüssel, werde das neue Amt seine Arbeit aufnehmen können.

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Foto: Morris MacMatzen, Getty Der Container Hafen in Hamburg: Trotz der Kontrollen versuchen Betrüger immer wieder, sich der Zahlung der in der EU fälligen Zölle zu entziehen. Dies belegt der Bericht der EU Betrugsbek­ämpfer.

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