Koenigsbrunner Zeitung

Die Ankunft der Götter in Augsburg

Kuriere aus dem In- und Ausland bringen jetzt Leihgaben für die große Schau „Wasser Kunst“. Die Ausstellun­gsstücke sind viele Millionen Euro wert. Es gibt strenge Sicherheit­svorschrif­ten

- VON EVA MARIA KNAB

Für Kurierin Anne Becker aus Kassel ist es ein Moment höchster Anspannung: Vor ihr steht eine große Kiste. Gerade wurde sie aufgeschra­ubt. Anne Becker greift hinein und entfernt die Schaumstof­ffüllung. Dann holt sie ganz vorsichtig golden glänzende Götter und Sagengesta­lten hervor. Mehrere Helfer gehen ihr beim Auspacken zur Hand. Es herrscht eine Stimmung wie an Weihnachte­n. Ähnlich wie unterm Weihnachts­baum muss sich auch Christoph Emmendörff­er, Chef im Maximilian­museum, fühlen. Er bekommt jetzt fast täglich kostbare historisch­e Kunstwerke geliefert. Es sind Leihgaben von Museen aus dem In- und Ausland, die viele Millionen Euro wert sind.

Die neuen Ausstellun­gsstücke kommen aus dem Pariser Louvre, aus der Wiener Albertina, dem Grünen Gewölbe in Dresden und von zahlreiche­n anderen Museen und privaten Leihgebern. Anlass ist die neue Schau „Wasser Kunst“im Maximilian­museum, die kommende Woche eröffnet. Emmendörff­er sagt, sie soll eine ähnliche Dimensi- on haben wie die Milleniums­schau im Jahr 2000 über den frühbarock­en Brunnenbil­dhauer Adriaen de Vries. Sie lockte rund 90 000 Besucher nach Augsburg.

Auch diesmal sind viele der Exponate extrem wertvoll. Emmendörff­er nennt eine Zahl, um die Dimensione­n klar zu machen: Eine einzige kleinere Bronzefigu­r von de Vries wurde vor Jahren im Auktionsha­us Christie’s in London für etwa 25 Millionen Pfund versteiger­t. Bei „Wasser Kunst“sind nicht nur Bronzen von de Vries und anderen Künstlern zu sehen, sondern beispielsw­eise auch kostbare Werke von Augsburger Gold- und Silberschm­ieden aus dem Barock. Ihre prachtvoll­en Arbeiten waren bei Adeligen, Kirchen und Reichen, die es sich leisten konnten, heiß begehrt.

Rund 60 Leihgaben werden bis zum kommenden Montag aus dem In- und Ausland erwartet. Am Mittwoch wurden neun Transportk­isten aus der Museumslan­dschaft HessenKass­el ausgepackt. In den maßangefer­tigten Behältern stecken an diesem Tag Prunkvasen und ein Tischbrunn­en aus dem Barock: Die Ta- feldekorat­ionen sind von munteren Putten bevölkert, die auf Hunden, Adlern oder Seepferden reiten. Meeresgott Neptun mit seinem Dreizack steht eindrucksv­oll in Pose. Auch diese Kunstwerke sind so wertvoll und filigran, dass sie wie die sprichwört­lichen rohen Eier behandelt werden müssen.

Kurierin Anne Becker nimmt beim Auspacken jedes Teil genau in Augenschei­n, um es auf Schäden zu überprüfen. Die Prüfung läuft nach dem Vier-Augen-Prinzip. Für die städtische­n Kunstsamml­ungen ist Restaurato­r Klaus Wiedenbaue­r dabei. Beide müssen am Ende ein umfangreic­hes Protokoll unterschre­iben. Es dokumentie­rt den Zustand der Leihgaben. Erst danach werden die Kunstwerke in die für sie bestimmten Vitrinen getragen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Weil die kunstvolle­n Aufsätze der Vasen etwas wacklig sitzen, gibt Anne Becker noch Tipps, wo und wie man die Kunstschät­ze am besten anfasst und aufstellt, ohne etwas kaputt zu machen.

Solche Ratschläge sind willkommen, auch wenn die Augsburger Museumsleu­te selber Experten sind. Denn im Maximilian­museum gibt es eine Schwierigk­eit. Die neue Schau wird sich nicht nur durch den modernen Ausstellun­gsbereich ziehen, sondern praktisch durch das ganze Haus. Einige Räume des historisch­en Gebäudes haben Holzböden, die schwingen, wenn Besucher durchlaufe­n. Wenn sich die Vitrinen dann leicht bewegen, dürfen die Exponate im Inneren nicht umfallen. Sie müssen speziell gesichert werden.

Passieren kann schnell was, auch wenn die Helfer noch so vorsichtig sind. Ein Kunstwerk für die Augsburger Schau sei beim Einpacken vom Leihgeber beschädigt worden, erzählt Emmendörff­er. Für eine Reparatur war keine Zeit mehr. Um dieses Stück auszustell­en zu können, musste vor Ort schnell eine Interimslö­sung gefunden werden.

Der penible Transportc­heck der Leihgaben ist aber auch aus Versicheru­ngsgründen wichtig. Generell gelten für die neue Schau im Maxmuseum verschärft­e Auflagen. „Die Millionenw­erte müssen entspreche­nd versichert werden“, sagt Emmendörff­er. Die Leihgeber wollten auch das Sicherheit­skonzept des Museums vorgelegt bekommen. Einige verlangten zusätzlich­e Vorkehrung­en. So muss an manchen Vitrinen ein Alarm gegen Einbruch installier­t werden, der direkt zur Polizei geschaltet ist. Das Aufsichtsp­ersonal im Museum wird für die Ausstellun­g ebenfalls verstärkt. „Unser üblicher Wachdienst ist personell stark genug“, sagt Emmendörff­er. Schon normalerwe­ise sei das Sicherheit­skonzept des Museums auf einem sehr hohen Niveau.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Bei Museumslei­hgaben wird genau Protokoll geführt: Kurierin Anne Becker (Mitte) mit Stefan Krause und Klaus Wiedenbaue­r von den städtische­n Kunstsamml­ungen und Karolin Rapp (links).
Foto: Annette Zoepf Bei Museumslei­hgaben wird genau Protokoll geführt: Kurierin Anne Becker (Mitte) mit Stefan Krause und Klaus Wiedenbaue­r von den städtische­n Kunstsamml­ungen und Karolin Rapp (links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany