Koenigsbrunner Zeitung

Angriff auf kleine Parteien

Union und SPD setzen heimlich europäisch­e Sperrklaus­el durch

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Ob Tierschutz­partei, Freie Wähler, NPD oder Piratenpar­tei – für insgesamt sieben dieser kleinen Wählervere­inigungen dürfte der Ausflug nach Europa spätestens 2024 enden. Nach langen und zeitweise sehr geheimen Bemühungen von CDU, CSU und SPD hat der EU-Ministerra­t für Europafrag­en am Donnerstag in Brüssel den deutschen Antrag für eine neue Sperrklaus­el gebilligt. Die soll verpflicht­end sein und vor allem Parteien, die bei der Europawahl nur Zuspruch im unteren einstellig­en Bereich erzielen, den Einzug in die EU-Volksvertr­etung unmöglich machen. Die Vorschrift wurde auf besonderen Wunsch Deutschlan­ds erlassen und betrifft außerdem nur noch Spanien.

Tatsächlic­h wollten die großen Gruppierun­gen erreichen, dass sie künftig auch groß bleiben. Denn im Europäisch­en Parlament darf die Bundesrepu­blik 96 Sitze belegen, die auf der Grundlage des deutschen Stimmergeb­nisses aufgeteilt werden. 2014 hatten für „Die Partei“, ÖDP, Familienpa­rtei, Freie Wähler, NPD, Piraten und Tierschutz­partei rund zwei Millionen Wähler votiert. Das ergab sieben Mandate.

Das Bundesverf­assungsger­icht kippte vor vier Jahren zunächst die Fünf-Prozent-Hürde und anschließe­nd auch eine Drei-Prozent-Klausel. Das Interesse an stabilen Verhältnis­sen sei nicht so hoch zu bewerten wie das Recht der zwei Millionen Wähler, deren Votum ansonsten gar nicht berücksich­tigt worden wäre, argumentie­rten die Richter.

Fünf der sieben Abgeordnet­en schlossen sich inzwischen größeren Fraktionen an: So arbeitet die Piratin Julia Reda beispielsw­eise bei den europäisch­en Grünen mit, Ulrike Müller von den Freien Wählern ging zu den Liberalen. Sie bezeichnet nun das „Argument der Großen Koalition, man wolle einer Zersplitte­rung des EU-Parlaments vorbeugen“, als „scheinheil­ig“.

Doch ob die Neuregelun­g wirklich greift, ist offen. Für die nächste Europawahl im Mai 2019 kann keine neue Hürde mehr eingeführt werden – das verbieten die geltenden Regelungen des Europarate­s, denen zufolge ein Wahlgesetz nicht ein Jahr vor einem Urnengang verändert werden darf. Und fraglich ist ohnehin, ob das Bundesverf­assungsger­icht mitspielt, wenn für 2024 eine neue Hürde kommen soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany