„Bitte keine Forsythien!“
Am Wochenende findet der Schwäbische Imkertag statt. Der Allgäuer Bio-Imker Christian Sedlmair erklärt, wie der Garten zu einem Paradies für Bienen, Hummeln und Co. wird
Herr Sedlmair, wie kommt man zu Hause zu einem bienen- beziehungsweise insektenfreundlichen Garten? Sedlmair:
Idealerweise trägt man den Humus ab, lässt sich mit dem Kipper Bauschutt sowie Kiessand kommen und sorgt für magere Böden. Doch wer macht das schon?
Anders gefragt: Wie wird ein bestehender Garten bienenfreundlicher? Sedlmair:
Das fängt mit dem Mähen des Rasens an. Zierrasen ist Wüste für die Insekten, da finden sie keine Nahrung, nicht mal Löwenzahn. Man sollte erst mähen, wenn die Löwenzahn-Blüte vorbei ist. Und generell reicht es, wenn zwei- bis dreimal im Jahr gemäht wird. In der Landwirtschaft gab es früher ja auch nur zwei bis drei Schnitte pro Jahr und nicht sieben bis acht.
Geht man nach Ihrer Empfehlung, sind die immer beliebteren Mähroboter aber gar nicht mehr ausgelastet. Sedlmair:
Hören Sie mir mit Mährobotern auf! Die sind ganz schlecht. Die mulchen und holzen alles ab.
Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder in Bienen und andere Insekten hineintreten und gestochen werden, wenn das Gras hoch steht, es viel Klee, Löwenzahn oder Butterblumen gibt… Sedlmair:
Es reicht ja, wenn kleine Inseln oder wilde Ecken stehen bleiben, sodass eine Teilfläche zur Wildblumenwiese wird und die Tiere Nist- und Überwinterungsplätze haben. Man sollte auch Totholz sammeln und hohle Stängel erst im Frühjahr schneiden. Würde Jeder im Garten nur einen Quadratmeter bienenfreundlich machen, wäre das ideal für die Biotop-Vernetzung. Insekten haben ja Flügel und kommen damit weit, und der Anteil der Hobbygarten-Flächen in Deutschland ist nicht viel kleiner als der der Naturschutzflächen.
Kommen wir zur gezielten Bepflanzung. Welche Bäume oder Sträucher empfehlen Sie? Sedlmair:
Generell gilt: Insektenparadiese sind ganzjährige Blühparadiese. Das heißt, um Artenvielfalt zu erreichen, sollte von März bis Oktober immer was blühen. Von den verschiedenen Weidesorten oder der Kirsche im Frühjahr bis zu Wein und Efeu im Herbst. Weil auf Wiesen und Feldern immer weniger immer seltener blüht, ist die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren ja um 75 Prozent zurückgegangen!
Worauf sollten Hobbygärtner beim Kauf von Blumen und Saatgut achten? Sedlmair:
Keine gefüllten Blüten kaufen! Züchtungen sind oft nur auf die Schönheit der Blüte ausgerichtet. Die sogenannten Fruchtanlagen müssen aber intakt sein. Eine Blüte ohne Pollen bringt keiner Biene was, da kann auch der Imker nicht nach-
helfen. Gut sind einheimische Wildtulpen oder -rosen. Blütenmischungen für fette Böden mit exotischen Arten bringen Hummeln und Wildbienen wenig, sind aber immer noch besser als Zierrasen oder Steingarten.
Was ist ein weiteres Tabu?
Sedlmair:
Ein einfacher Tipp: Bitte keine Forsythien! Das ist eine Pflanze, deren Blüten Insekten schlicht nicht mögen. Im Gegensatz etwa zu Apfel oder Flieder, die gerade bei Schmetterlingen beliebt sind. Um zu wissen, was geht und was nicht, einfach beobachten, ob Insekten die Pflanze anfliegen. Außerdem bieten Gärtnereien, auch in der Region,
immer mehr einheimische Wildstauden und andere bienenfreundliche Pflanzen an. Übrigens: Für die beliebten Barbarazweige eignet sich statt der Forsythie auch die Kornelkirsche.
Was halten Sie von Balkonpflanzen wie Geranie, Begonie oder Petunie? Sedlmair:
Gar nichts! Die Geranie ist die Forsythie des Balkons. Jeder Balkonkasten, der statt mit Geranie oder Petunie mit Korn- oder Ringelblume bepflanzt ist, ist ein Gewinn. Aber das ist in den Köpfen noch nicht drin. Als ich bei einem Gartenbauverein in der Region gegen die Geranie argumentiert hab’, stand der Bürgermeister auf und sagte: „Eines muss klar sein: Zur Straße raus pflanzt ihr schön weiter eure Geranien. Hinten raus, zum Stall, könnt ihr ja machen, was ihr wollt.“
Was empfehlen Sie Hobbygärtnern für deren Kräuter- und Gemüsegarten? Sedlmair:
Da ist die Bandbreite ähnlich groß wie bei Sträuchern. Doldenblütler wie Petersilie sind gut für Insekten, Lippenblütler wie Rosmarin und Thymian noch besser. Kürbis ist ideal, Schnittlauch auch – wenn er blühen darf.
Noch ein Tipp zum Schluss?
Sedlmair:
Ja. Auf jegliche Herbizide und Pestizide verzichten! Jährlich gelangen 6000 Tonnen Spritzmittel in deutsche Hausgärten.
Tatsächlich?
Sedlmair:
Leider ja. Glyphosat nehmen manche sogar zum Säubern ihres Gartenpflasters her. Und angeblich bienenfreundliche Mittel sind in Wirklichkeit genauso bienenschädlich – selbst wenn Bienen den Kontakt mit ihnen überleben. Denn ihre Orientierungsfähigkeit leidet. Aber eine Biene muss zu ihren Futterplätzen finden.
Christian Sedlmair,
46, gebürti ger Buchloer, ist Doktor der Che mie und Demeter Erwerbsimker. Im Jahr 2012 tauschte er den Labor kittel endgültig gegen den Imkerhut ein. Er lebt in Bidingen im Land kreis Ostallgäu.
●