Koenigsbrunner Zeitung

Liebe geht durch die Ohren

Der Augsburger Ronny Pinkau schwärmt für Indie-Musik – schon immer. Diese Leidenscha­ft ist so groß, dass er vor drei Jahren ein Label gründete – allein und ohne finanziell­e Absicherun­g. Eine musikalisc­he Liebesgesc­hichte

- VON DORINA PASCHER

Es war Liebe auf den ersten Ton, als Ronny Pinkau die Augsburger Band „Endlich Blüte“hörte. Das war im November 2014. Ein Tag, an dem Pinkau einen Beschluss erfasst, den er bis heute nie bereut hat. Während des Konzerts der Band sagte der Tonmischer, überrascht von dem Können der Musiker, zu ihm „Woher kommen die auf einmal her?“, und nickte in Richtung Bühne. Pinkau war nicht weniger begeistert. In diesem Moment beschloss er, ein Musiklabel zu gründen. „Ich merkte: Ich muss diese Band unterstütz­en.“Es war der Beginn der „Kleinen Untergrund Schallplat­ten“(KUS), dem Augsburger EinMann-Musiklabel.

Umwerben, Avancen machen – das fiel weg. Denn „Endlich Blüte“freute sich über die Möglichkei­t, eine Schallplat­te zu veröffentl­ichen, ihre erste Single in den Händen zu halten. Elf Monate nach dem ersten Treffen mit Pinkau war es so weit: Die Band konnte ihr erstes Baby in den Händen halten. Sie nannten es „Der schöne junge Mann“. Viel Herzblut steckt darin: Die Band nahm Musik auf und schickte die Lieder an Pinkau. Er ließ das Audiomater­ial in einem Vinylschni­ttstudio bearbeiten und auf Rohlinge pressen. Promotion, Verkauf und Versand ist die alleinige Aufgabe des Label-Chefs. Aber nicht seine einzige. Nebenher arbeitet der Augsburger bei einer Lampen-Firma. Wenn Veröffentl­ichungen anstehen, wird es für den 40-jährigen Allein-Unternehme­r stressig. „Da kann es passieren, dass ich um fünf Uhr von der Arbeit komme und bis zwei Uhr nachts daheim für das Label arbeite“, sagt Pinkau. Kein Bedauern liegt in seiner Stimme.

Wenn man sie teilt, dann sei die Liebe das Einzige, was sich vergrößert. Auch die Liebe eines Mannes zur Musik: Elf Bands veröffentl­ichen ihre Musik unter dem Augsburger Label. Die Platten mit einer Auflage von 150 bis 300 Stück sind in der Regel innerhalb von wenigen Wochen ausverkauf­t. Die Abnehmer sind Indie-Pop-Liebhaber aus der ganzen Welt. Die Bestellung­en kommen aus Frankreich, England, Singapur oder Hongkong. „Außenstehe­nde denken, hier sei das IndieParad­ies“, sagt Pinkau und verzieht seine Lippen zu einem Lächeln.

Augsburgs Indie-Szene ist so im Untergrund, dass Musikliebh­aber sie suchen müssen. „Die Clubs der Stadt sind sehr electro-lastig“, ist der Label-Chef der Meinung. Wenn DJs Indie auflegen, tanze das Publikum zu Mando Diao, Franz Ferdinand oder The Strokes. Alles andere als Indie für Pinkau. Eigentlich steht die Abkürzung für das englische Wort „independen­t“, unabhängig. In der Musik bedeutet das künstleris­che Freiheit, keine Lieder, die Labels zu „Stadion-Rock aufblasen“, wie Pinkau sagt. In die musikalisc­he Arbeit „seiner“Bands greife er nicht ein. Liebe braucht Freiheit.

Die Augsburger Band-Szene sei groß, doch nur wenige Bands können nach außen wirken. „In den vergangene­n Jahren wurde es für heimische Bands schwierige­r, über die Stadtgrenz­en hinaus bekannt zu werden.“Die Hochzeiten der Augsburger Indie-Lokalhelde­n Anajo sind mittlerwei­le zehn Jahre her. 2014 trennte sich die Band.

Pinkau legte jahrelang selber Platten auf und organisier­te IndiePop-Konzerte. Mittlerwei­le seien der Aufwand und das finanziell­e Risiko zu groß geworden. „Das Publikum ist rückläufig“, bemerkt der Label-Chef. „In Augsburg kann man leider keine richtigen IndieAbend­e veranstalt­en.“Die schönen Zeiten seien vergangen.

Wie rosig sieht da die Zukunft für die „Kleinen Untergrund Schallplat­ten“aus? Sein Label vergrößern, das kann Pinkau sich nicht vorstellen. „Ich will die Freiheit haben, das zu veröffentl­ichen, was ich möchte“. Schallplat­ten zu produziere­n, die er selbst nicht hören würde, das sei bei ihm undenkbar. „Ich liebe jede Band meines Labels – und das soll auch so bleiben.“Liebe geht bei ihm durch die Ohren.

 ?? Foto: Dorina Pascher ?? Ronny Pinkau betreibt neben seinem Beruf ein Musiklabel: „Das, was mir Spaß macht, mache ich lieber in der Freizeit.“
Foto: Dorina Pascher Ronny Pinkau betreibt neben seinem Beruf ein Musiklabel: „Das, was mir Spaß macht, mache ich lieber in der Freizeit.“

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