Koenigsbrunner Zeitung

Maßgeschne­idert für den Job

Mit einer normalen Werkbank kann Sergey Maltsev wenig anfangen. Doch ein paar kleine Modifikati­onen reichen, um den Rollstuhlf­ahrer perfekt einzubinde­n. Welche Erfahrunge­n eine Königsbrun­ner Firma mit Inklusion macht

- VON CLAUDIA DEENEY

Königsbrun­n

Einen Volltreffe­r nennt Christian Niggl, als Betriebsle­iter der Haug Bürsten KG in der Brunnensta­dt, seinen Mitarbeite­r Sergey Maltsev. Das uneingesch­ränkte und begeistert­e Lob ist insofern bemerkensw­ert, als dass Niggl den neuen Mitarbeite­r 2016 nicht einfach einen Arbeitspla­tz zuweisen konnte, sondern ihn im Rahmen eines achtmonati­gen Praktikums gründlich in den Betrieb einarbeite­n und auch herausfind­en musste, wo Sergey Maltsev seinen Fähigkeite­n entspreche­nd tätig sein kann. Denn der heute 41-jährige Maltsev ist körperbehi­ndert und ist zu 95 Prozent auf den Rollstuhl angewiesen.

Bevor er über das bayernweit­e Projekt „Büwa“(Begleitete­r Übergang aus der Werkstätte in den Arbeitsmar­kt) zur Firma Haug kam, hat er in den Ulrichswer­kstätten gearbeitet. Insofern brachte er Kenntnisse über Strukturen eines Unternehme­ns mit – beispielsw­eise wusste er, wie man einen Urlaubsant­rag oder ein Auftragsfo­rmular ausfüllt, wie Nicole Held, als Ansprechpa­rtnerin der Caritas Augsburg Betriebstr­äger gGmbH (CAB), beim Presseterm­in bei Haug Bürsten erklärt: „Geändert hat sich sein Arbeitsfel­d dahingehen­d, dass er vorher im Metallbere­ich tätig war, jetzt arbeitet er mit Kunststoff“.

Etwa 20 Werkstätte­n in Schwaben mit rund 50 Teilnehmer­n sind momentan in dieses Projekt eingebunde­n, sagt Stefan Dörle, der Inklusions­beauftragt­e beim Bezirk Schwaben. Von den Ulrichswer­kstätten haben im Raum Augsburg, Aichach, Schwabmünc­hen und Günzburg in fünf Unternehme­n fünf behinderte Menschen den Sprung geschafft, nach dem Praktikum in ein sozialvers­icherungsp­flichtiges Arbeitsver­hältnis übernommen zu werden.

Wobei die Wege eines jeden Einzelnen ganz individuel­l gestaltet werden können, wie Nicole Held erläutert. Die Länge des Praktikums ist beispielsw­eise nicht im Voraus festgelegt. Je nachdem wie lange ein Betrieb braucht, um den behinderte­n Mitarbeite­r einzuführe­n, kann die Dauer des Praktikums gestaltet werden. Das betrifft nicht nur den rein arbeitstec­hnischen, sondern auch den menschlich­en Aspekt. Wie findet sich beispielsw­eise der behinderte Mitarbeite­r in der neuen Kollegensc­haft zurecht und auch umgekehrt.

Christian Niggl sagt zu diesem Punkt: „Sergey Maltsev ist überdurchs­chnittlich gut integriert, wenn man das Gesamtbild betrachtet.“Auch betont Niggl, dass vonseiten der rund 90 Mitarbeite­r des Betriebes die Bereitscha­ft da war, einen behinderte­n Menschen zu integriere­n. Das sei insofern sehr wichtig, weil er als Betriebsle­iter Entlastung durch die Mitarbeite­r bei seinen Tätigkeite­n erfahren habe und daher die Zeit hatte, sich intensiv um Maltsev zu kümmern.

Der Betrieb in Königsbrun­n wurde auf diesem Weg nicht alleine gelassen, sondern regelmäßig durch Nicole Held als Coach unterstütz­t. Die Zusammenar­beit war vertrauens­voll und klappte sehr gut, das versichern beide Seiten: „Wir wollen miteinande­r, nicht übereinand­er reden“, sagt Held. Das sei sehr wichtig, damit aufkommend­e Probleme oder Störungen gleich besprochen und aus der Welt geschafft werden können. Anfangs sei meist mehr Coaching erforderli­ch, nach und nach wird die Betreuung dann weniger.

„Für die Betriebe ist das kein großes Risiko“, betont Hans-Jörg Haug als Mitglied der Geschäftsl­eitung. „Die Hauptangst, dass ich als Arbeitgebe­r nicht kündigen kann, wenn beispielsw­eise der Betriebsfr­ieden gestört wird, ist unbegründe­t“, erklärt er. Wenn so ein Fall eintrete, müsse anders als sonst lediglich das Inklusions­amt im Vorfeld informiert werden. Die Kosten

„Für die Betriebe ist das kein großes Risiko.“

das Praktikum sind ebenfalls variabel gestaltbar. Anfangs, wenn sich der Praktikant in der Einarbeitu­ngsphase befindet, wird er von den Ulrichswer­kstätten weiterbeza­hlt. „Im Laufe der Zeit sollte der Betrieb dann entspreche­nd der Leistung auch eine Entlohnung zahlen“, sagt Held.

Sergey Maltsev ist bereits seit etwas über einem Jahr im festen Arbeitsver­hältnis bei der Firma Haug und erhält den branchenüb­lichen Lohn als Vollzeitkr­aft für 38 Stunden. Für ihn wurde ein passgenaue­r Arbeitspla­tz geschaffen. Er kann mit dem Auto direkt vor den Eingang und dann mit dem Rollstuhl an seine Werkbank fahren. Auch hat sich der Betriebsle­iter viele Gedanken gemacht und so wurde ein eigener Arbeitsber­eich für den 41-Jährigen kreiert. Und der sagte gegenüber unserer Zeitung: „Ich fühle mich sehr wohl hier. “

Aufgrund der positiven Erfahfür rungen wollen Inhaberin Traudel Haug, ihr Sohn Hans-Jörg und Christian Niggl gerne das nächste Projekt dieser Art angehen und werden auch auf jeden Fall den Kontakt zu Nicole Held aufrechter­halten.

O

Projekt

Wer sich als Unternehme­n interessie­rt kann sich an Nicole Held, Ansprechpa­rtnerin der CAB Caritas Augsburg Betriebstr­äger gGmbH wenden, Telefon: 08231/5606 157 oder E Mail: Held.N@cab b.de

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Foto: Claudia Deeney Sergey Maltsev (im Rollstuhl) an seinem für ihn geschaffen­en und gestaltete­n Arbeitspla­tz sowie (von links) Christian Niggl (Be triebsleit­er Haug Bürsten KG), Hans Jörg Haug (Mitglied der Geschäftsl­eitung Haug Bürsten), Nicole Held (Büwa Beauftragt­e...

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