Koenigsbrunner Zeitung

Gemeinsam radeln, mehr erleben

Seit einem Jahr gibt es in Königsbrun­n spezielle Fahrradaus­flüge für Senioren, die selbst nicht mehr strampeln können. Das übernehmen ehrenamtli­che Rikscha-Piloten der Zeitbörse. Doch auch für sie lohnen sich die Fahrten

- VON MARION KEHLENBACH

Königsbrun­n

Eine Rikscha-Fahrt ist wohl die entspannte­ste Art der Fahrradtou­r – und das nicht nur, weil jemand anderes strampelt. Die kleine Bank für die Passagiere ist unerwartet bequem. Die Fahrgäste können sich unterhalte­n und auch der Fahrer ist in Plauderrei­chweite. Bei der Königsbrun­ner Zeitbörse, die diese Art von Ausfahrten den Bewohnern des AWO-Seniorenhe­ims anbietet, heißen die Fahrer Piloten.

Pilotin Gerlinde Sichert holt ihre Fahrgäste direkt im Foyer des Seniorenhe­ims ab. Fahrgast Helga Eisele ist mit 88 Jahren nicht mehr so gut zu Fuß, innerhalb der Heimanlage geht sie mit ihrem Rollator. Beim Einsteigen in die Rikscha schaukelt das Gefährt minimal, da sind stützende Hände hilfreich. Wir schnallen uns an. Jetzt geht die Fahrt los.

Vorsichtig lenkt Sichert das Gefährt über den abgesenkte­n Bordstein, wieder schaukelt es ein wenig. Doch dann kommt eine gerade asphaltier­te Strecke und die Pilotin tritt ordentlich in die Pedale. Mit zehn Kilometern pro Stunde kommt das Trio nun voran. Der frische Fahrtwind weht durch die Haare und die Pilotin wird durch einen Pedelec-Motor unterstütz­t. So kommt auch sie nicht ins Schwitzen.

Helga Eisele wohnt seit 60 Jahren in Königsbrun­n und seit zwei Jahren im Seniorenhe­im. Früher ist die Witwe mit ihrem Mann oft im nahen Wald spazieren gegangen, da würde sie heute Nachmittag gerne wieder hinfahren. Viele Passanten schauen, grüßen und winken.

Die Seniorin macht sich einen Spaß und grüßt huldvoll wie die Queen zurück. „Man trifft nur gut gelaunte Leute“, freut sich Sichert. Andere Verkehrste­ilnehmer nehmen sehr viel Rücksicht und gewähren dem Gefährt oft Vorfahrt, so die Erfahrung der Pilotin. Im April 2017 startete die Zeitbörse mit den ersten Testfahrte­n und dem Training der Piloten, erzählt Jürgen Müller, Vorsitzend­er des Nachbarsch­aftshilfe-Vereins. Zu Beginn gab es ein paar technische Probleme und einen Ausfall von fast zwei Monaten. Trotzdem konnten bereits im ersten Jahr 50 Fahrten für die Senioren angeboten werden. Dabei wurden über 400 Kilometer zurückgele­gt. Heuer wurden bereits 25 Aus- fahrten unternomme­n. „Die zwölf Piloten kümmern sich rührend um unsere Senioren und bekommen sehr positive Rückmeldun­gen“, freut sich Müller.

Das Projekt heißt „Radeln ohne Alter“und die Idee kommt aus Dänemark. Sie wurde von der Zeitbörse und der AWO nach Königsbrun­n geholt. Die Brunnensta­dt ist dabei einer von nur 17 Standorten in ganz Deutschlan­d, der eine Lizenz für Radeln ohne Alter erhalten hat. Das Rikscha-Modell „Taxi“für zwei Passagiere und einen Fahrer kommt von einem Berliner Radhändler. Bei dieser Rikscha-Art sitzen die Fahrgäste vorne und haben den Blick und auch die Muse, sich alles anzusehen. Hier flitzt ein Eichhörnch­en den nächsten Baum, dort steht der Jasmin in voller Blüte. Alles wird bewundert und kommentier­t.

Auf der Weide beim Waldspielp­latz grast eine große Schafherde. Schäfer Hartl kommt vorbei und plaudert mit der kleinen Ausflugsge­sellschaft – 500 Schafe hat er hier auf der Weide und im Hänger noch weitere. Weiter geht es zu den Wildpferde­n. Immer wieder kommen die Ausflügler mit anderen Waldspazie­rgängern ins Gespräch und als es an einer kleinen Brückensch­welle schwierig wird, springen eilig Passanten herbei und wollen behilflich sein. Doch Pilotin Sichert hat den Dreh raus und es geht gleich weiter.

Als Pilotin müsse sie sehr konzentrie­rt und vorausscha­uend fahren, erzählt sie. Die Kurven holt sie weit aus. Das Gefährt hat vorne zwei Räder und auch die Hauptgewic­htslast. Dadurch ist das Fahrverhal­ten anders als beim herkömmlic­hen Fahrrad. Als Passagier spürt man hiervon nicht viel, sondern konzentrie­rt sich auf die schönen Dinge drum herum. Einen Zwischenst­opp bei der Eisdiele? Gerne! Zurück geht es am Gymnasium vorbei. Die Geschwindi­gkeitsanze­ige zeigt: Acht Kilomeauf ter pro Stunde hat das Trio nun drauf. Vor dem Tunnel klingelt Sichert laut – sicher ist sicher und dann ist die Ausfahrt auch schon fast beendet. Eineinhalb Stunden dauerte die gemütliche Fahrt und elf Kilometer legten die Damen dabei zurück. Freudestra­hlend verabschie­den sich alle – was für ein entspannte­r Nachmittag.

Der Schäfer plaudert gemütlich mit den Ausflügler­n

 ?? Foto: Marion Kehlenbach ?? Eine Rikscha Fahrt ist wohl die entspannte­ste Art der Fahrradtou­r. Fahrerin Gerlinde Sichert von der Zeitbörse holt ihren Fahrgast Helga Eisele direkt beim Seniorenwo­hn heim zum Ausflug in die Königsbrun­ner Heide ab.
Foto: Marion Kehlenbach Eine Rikscha Fahrt ist wohl die entspannte­ste Art der Fahrradtou­r. Fahrerin Gerlinde Sichert von der Zeitbörse holt ihren Fahrgast Helga Eisele direkt beim Seniorenwo­hn heim zum Ausflug in die Königsbrun­ner Heide ab.

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